Vom Guldiner zum Europataler

Die jahrhundertelange Tätigkeit der Münze Hall für Europas Münzwesen

Europataler: Rückseite mit wichtigen Persönlichkeiten

Blick in einen Münzsaal aus dem 19. Jahrhundert Fotos: Mag. Ignazius Schmid

Die Münzen waren sicher verwahrt.

Der Münzturm

Walzenprägemaschine

Zur Frühzeit des regionalen Tauschhandels spielte Geld keine Rolle, aber mit der zunehmenden Wichtigkeit des überregionalen Handels wurde es unerlässlich. Die ersten Münzen in Europa kamen aus Lydien in der heutigen Türkei. Bis dahin waren es unförmige Brocken von Elektron, einer natürlich vorkommenden Gold-Silber-Legierung, denen ein Stempel aufgeklopft wurde. 

König Krösus (590–541 v. Chr.) ließ zum ersten Mal ein Bild auf ein Metallstück prägen, das dadurch zur Münze wurde. Damit wurde ein Zahlungsmittel mit einer Metallwertgarantie geschaffen. Im 12. Jahrhundert waren in Europa bei den verschiedenen Fürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation viele, sehr uneinheitliche Währungen im Umlauf. 

Sigismund der Münzreiche

Es war das Verdienst von Sigismund dem Münzreichen (1427–1496), dass er die Reform des Münzwesens in die Hand nahm. Sigismund war das einzige Kind von Herzog Friedrich IV. von Tirol. Da er mit 12 Jahren Vollwaise wurde, übernahm sein älterer Cousin Kaiser Friedrich III. seine Vormundschaft. Sigismund wuchs am Grazer Hof auf und kam auch in Kontakt mit Enea Piccolomini, dem späteren Papst Pius II. Erst nach heftigen Erbschaftsstreitigkeiten mit Friedrich III., der sich Tirol gern einverleibt hätte, konnte er mit 19 Jahren die Regentschaft in Tirol antreten. Er widmete sich der Reform des Münzwesens. Bis Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Goldgulden verwendet. Gold war selten, Silber jedoch in ungeheurer Menge durch die Silbermine in Schwaz vorhanden. 7400 Bergknappen arbeiteten in einem der ertragreichsten Silberbergwerke der Welt, und Tirol war eines der reichsten Länder Europas. Um sich den gefährlichen Silbertransport von Schwaz über den Brenner in die seit dem 13. Jahrhundert bestehende Münzstätte in Meran zu ersparen, verlegte Sigismund 1477 die Münze (Prägestätte) nach Hall, auf das Anwesen Sparberegg. Neunzig Jahre später kam sie durch Erzherzog Ferdinand II. in die Burg Hasegg, wo heute das Museum situiert ist. 

Die Burg Hasegg wurde 1306 urkundlich erstmals erwähnt. Sie wurde zum Schutz der Saline erbaut und enthielt auch das Salzlager. Im 15. Jahrhundert war die Burg bei den Landesherren ein sehr beliebter Fürstensitz. Der architektonisch attraktive, 46 Meter hohe zwölfeckige Turm beherbergt übereinander das Pendelgeschoss, das Wurf-, das Uhrverteilergeschoss, die Mansarde und die Laterne. Dort ist die Turmstube, in der man einen herrlichen Ausblick über die Stadt genießen kann. Hall war durch den Salzhandel am Inn schon reich und berühmt, zudem war der Inn von der Donau bis Hall schiffbar, was ein enormer Vorteil im damals sehr unwegsamen Inntal war. Sigismund ließ nun ab 1486 statt des goldenen den silbernen Guldiner oder Guldengroschen im gleichen Wert prägen, der dadurch etwas größer und schwerer wurde. Durch Sigismund darf die Münzstätte in Hall für sich in Anspruch nehmen, ein Münzsystem umgesetzt zu haben, das in ganz Europa und in vielen Ländern der Welt Nachahmung fand und bis ins 19. Jahrhundert seine Gültigkeit hatte. 

Wie aus dem Guldiner der Taler wurde 

Das kam so: Sigismund war in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr ganz auf der Höhe seiner Geschäftsfähigkeit und wurde von Kaiser Friedrich III. energisch zur Abdankung gemahnt. Da Sigismund zwar 50 uneheliche Kinder hatte, von zwei Ehefrauen aber kinderlos verblieb, trat Friedrichs Sohn, Kaiser Maximilian I., seine Nachfolge an. Damit kam die Regentschaft von Tirol von der Seitenlinie wieder in die Hand der direkten Habsburgerlinie, aber Maximilians chaotische Wirtschaftspolitik hatte zur Folge, dass der Schwazer Silberbergbau zur Finanzierung der Reichspolitik verpfändet werden musste. So eröffneten in Böhmen die Grafen von Schlick Silberminen und in Joachimstal eine Münzstätte. Der Guldiner wurde nun „Joachimstaler“, und in der Verkürzung nur „Taler“ genannt, woraus schließlich der Dollar wurde. 

Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit hatte Sigismund als erster Herrscher in Europa den Wandel der Finanzstrukturen und die Notwendigkeit einer Münzreform erkannt. Dafür erhielt er den schmückenden Beinamen „der Münzreiche“. Für den Sohn von Herzog Friedrich IV., der in Tirol „Friedl mit der leeren Tasche“ genannt wurde, wahrhaft ein bemerkenswerter verbaler Aufstieg…

Die Entwicklung der Münzprägung

Die Technik der ersten Münzprägung war für eine Massenproduktion noch nicht geeignet: Die Hammerprägung war eine händische Einzelprägung. Dabei wurde der Schrötling, ein rundes Stück Metall, auf dem Unterstempel, der im Amboss eingelassen war, aufgelegt, der Oberstempel aufgesetzt, und mit einem kräftigen Hammerschlag wurde das Bildnis in die Münze geprägt. Wenn das nicht aufs erste Mal gelang, musste nochmals geschlagen werden und bei der geringsten Verschiebung wurde ein sogenannter Doppelschlag draus. Die unwirtschaftliche Hammerprägung wurde 1567 auf die Burg Hasegg verlegt und sechs Jahre später auf die wasserbetriebene Walzenprägung umgestellt. Damit war in Hasegg die erste industrielle Münzstätte der Welt. Der Umstieg von einem Handwerksbetrieb zu einem Industriebetrieb war vollzogen. 

Das Walzenprägewerk setzt sich aus einem Streckwerk und einem Prägewerk zusammen. Beide Teile funktionieren durch zwei gegeneinander laufende Walzen, die durch Wasserkraft angetrieben wurden. Im Streckwerk werden die Silberstreifen, Zaine genannt, auf die gewünschte Dicke ausgewalzt, im Prägewerk erhielten diese Streifen das Münzbild durch die gegenläufigen Walzen auf der Vorder- und der Rückseite eingeprägt – die natürlich übereinstimmen und eine exakte Münze ergeben sollen. Die im 16. Jahrhundert entwickelte Spindelpresse wurde erst unter Kaiserin Maria Theresia 1748 in Hall eingeführt. Unter Aufbietung einiger Muskelkraft wurde die Spindelschraube mit den schweren Schwunggewichten in Gang gesetzt. Höchstleistung waren am Tag 3000 Münzen. Bis zum Jahr 1809 – zur Schließung der Münze Hall – wurde sie eingesetzt. 

Die Kniehebelpresse wurde ursprünglich mit Dampf über Transmission angetrieben. Mit maximal 60 Tonnen Prägedruck konnten damit 60 Münzen pro Minute geprägt werden. Im Hauptmünzamt in Wien wurde sie bis in die 1970er Jahre vor allem für Goldprägungen eingesetzt. 

Eine weitere Steigerung brachte die Friktionspresse. Diese Prägemaschine konnte mit 200 Tonnen Prägedruck bis 600 Münzen pro Tag erzeugen. Sie diente vor allem zum Prägen großer Münzen mit hohem Relief. Sie wurde ebenfalls bis in die 1970er Jahre im Hauptmünzamt verwendet. 

Kaiserin Maria Theresia weltweit

Unter all den großen Reformen und Neuerungen, die Kaiserin Maria Theresia auf sich vereinen konnte, war auch die sogenannte Mariatheresianische Münzreform. Hall bekam sie sofort zu spüren: Die Taler wurden nach ihrem Amtsantritt 1740 alle eingeschmolzen und die Neuprägung wurde neun Jahre später in neuer Materialzusammensetzung wieder aufgenommen. Keine andere Münze war damals beliebter und wertstabiler als der Maria-Theresien-Taler – 17 Millionen wurden davon geprägt. Händler kauften Silber auf, ließen es in Hall zu Talern prägen und vertrieben sie im gesamten Orient. Der Taler mit Maria Theresias Brustbild kam in die hintersten Dörfer und ist dem Vernehmen nach in Abessinien (Ostafrika) noch heute hoch angesehen… 

In den Jahren des Tiroler Freiheitskampfes von Andreas Hofer gegen die Bayern und Napoleons Franzosen konnte Hofer noch 1809 in Hall den silberhaltigen Hofer-Zwanziger und den kupferhaltigen Hofer-Kreuzer prägen lassen. Nach seiner Kapitulation ließen die Bayern aber die Haller Münze schließen. Das gültige Geld wurde nun in München geprägt. Tirol blieb vier Jahre unter bayerischer Herrschaft, aber auch nach der Rückkehr Tirols zu Österreich wurde die Münze für offizielle Zahlungsmittel nicht mehr reaktiviert. Die Münzhoheit liegt bei der Oesterreichischen Nationalbank, und geprägt wird von der staatlichen Münzprägeanstalt Münze Österreich in Wien. 

Die Münze Hall erfuhr allerdings 1975 eine Revitalisierung, und die erste moderne Münze nach 166 Jahren Stillstand war die 100-Schilling-Münze anlässlich der XII. Olympischen Winterspiele in Innsbruck. Seither werden wieder Münzen und Medaillen für Firmen, Clubs und Private als Auftragsprägungen übernommen. Eine besondere Prägung gab es im Jahr 2008: die Jahrhundertmünze, den Europataler. Genau 500 Jahre, nachdem Maximilian zum Kaiser gekrönt wurde, gab es sozusagen eine moderne Neuauflage. Die Vorderseite zeigte und zeigt Maximilian I. zu Pferde, in voller Rüstung, mit einigen Länderwappen seines riesigen Herrschaftsbereichs. Auf der Rückseite sind nun bedeutende europäische Persönlichkeiten dargestellt: Martin Luther, Antonio Vivaldi, James Watt, Bertha von Suttner, und ein Sternenstrahl als Symbol der europäischen Einigung. In einer Auflage von fünf Stück wurde dieser Taler – mit dem Durchmesser von 36 Zentimetern und über 20 Kilo schwer – als der größte Silbertaler der Welt hergestellt; natürlich nur als Schaumünze.
Viele Herrscher kamen im Lauf der Geschichte nach Hall und interessierten sich für das Münzgeld, hatten sie doch erkannt, dass sich Münzen zur Selbstdarstellung und als hervorragendes Werbemittel eigneten. Sie ließen sich mit Vorliebe in allen Stellungen darauf abbilden. So wurde jeder, der eine Münze in die Hand nahm, daran erinnert, wer der Herr im Land war. Heute übernimmt diese Botschaft das Fernsehen…