Vor Kurzem erschien im Temeswarer Mirton Verlag, gedruckt mit Förderung der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens sowie des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten Rumäniens, der nunmehr bereits sechzehnte Band der von der Temeswarer Ger-manistin Roxana Nubert seit 1997 herausgegebenen Fachzeitschrift „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“, die in den wichtigsten einschlägigen internationalen Datenbanken sowie in zahlreichen nationalen und internationalen Bibliotheken vertreten ist. Dieser sechzehnte Band ist der Temeswarer Germanistikdozentin Dr. Angelika Ionas, die in den Jahren von 1992 bis 1996 den Germanistiklehrstuhl an der West-Universität Temeswar leitete, zu ihrem 70. Geburtstag gewidmet.
In diesem neuesten Band, der sich hauptsächlich mit literarischen und kulturhistorischen, aber auch mit didaktischen wie übersetzungs- und medienwissenschaftlichen Themen befasst, sind insgesamt siebzehn Beiträge von Germanistinnen und Germanisten aus Rumänien, Österreich, Deutschland, Norwegen, Italien, Ägypten und der Türkei versammelt. Der Band enthält außerdem zwei Rezensionen von Temeswarer Germanistinnen, Grazziella Predoiu und Beate Petra Kory, zu zwei jüngst erschienenen literarhistorischen Sammelbänden. Ein ausführliches Verzeichnis der beitragenden Autorin-nen und Autoren, ein Dank an die externen Gutachterinnen und Gutachter sowie Hinweise für Germanistinnen und Germanisten, die Manuskripte für künftige Bände der „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“ einreichen wollen, schließen diesen mustergültig edierten Zeitschriftenband ab, der beim Germanistik-Lehrstuhl an der West-Universität Temeswar erworben werden kann.
Die erste und umfangreichste Abteilung des Zeitschriftenbandes ist in chronologischer Folge literatur- und kulturgeschichtlichen Themen gewidmet. Die historischen Dramen und Romane Caroline Pichlers, die zur Zeit der Romantik einen literarischen Salon in Wien unterhielt, sind Gegenstand des Beitrags von Wynfrid Kriegleder (Wien), während Hans Dama (Wien) mit seinem Aufsatz zu Leben und Werk des Dichters Nikolaus Lenau an dessen 170 Jahre zurückliegendes Todesdatum erinnert und Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck) in durchaus kritischer Absicht Wiens als einsprachiger Haupt- und Residenzstadt des vielsprachigen Reichs gedenkt.
Erich Unglaub (Braunschweig) untersucht in seinem Beitrag zwei Gedichte Rainer Maria Rilkes, „Göttin der Grazie“ und „Fortschritt“, im Hinblick auf das japanische Motiv einer auf einem Fisch stehenden weiblichen Gestalt, das dem Dichter während seiner gemeinsamen Russlandreise mit Lou Andreas-Salomé in Moskau in der privaten Kunstsammlung von Pjotr Iwanowitsch Schtschukin begegnete und ihn sogleich faszinierte. Nicht nur der wissenschaftliche Ertrag für die Rilke-Forschung, sondern auch die schönen farbigen Abbildungen japanischer Kunstwerke machen die Lektüre dieses Aufsatzes zu einem großen Genuss.
Beiträge der Temeswarer Germanistinnen Claudia Tulcan über Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ und Beate Petra Kory über das lyrische Oeuvre Erich Kästners setzen den literarhistorischen Reigen dieses Zeitschriftenbandes fort, der mit dem Aufsatz von Paola Bozzi (Mailand) über Monster-Gedichte der Lyrikerin und Slam-Poetin Nora Gomringer und dem Beitrag der norwegischen Literaturwissenschaftlerin und Kulturhistorikerin Elin Nesje Vestli (Halden) in der literarischen Gegenwart des 21. Jahrhunderts anlangt: in letzterem geht es um den Bühnentext „Schildkrötensoldat“ (2014) sowie den drei Jahre später erschienenen gleichnamigen Roman, die beide aus der Feder der in der Vojvodina geborenen und heute in der Schweiz lebenden Autorin, Musikerin und Performerin Melinda Nadj Abonji stammen.
Daran schließen sich Beiträge zweier Temeswarer Germanistinnen zur deutschsprachigen Literatur des Banats an. Gabriela Șandor untersucht den „deutschen“ Blick auf die Rumänen in den Erzählungen Otto Alschers und Oskar Walter Ciseks, und Maria Roxin beschäftigt sich mit dem Bild der Goldenen Stadt in dem 1972 im Bukarester Kriterion Verlag erschienenen Erinnerungsbuch von Else Kornis mit dem Titel „Kindheit und Jugend im alten Prag“. Die wie Rilke, Kafka, und Werfel in Prag geborene Else Kornis ließ sich als Vierundzwanzigjährige in Rumänien – von 1913 an in Temeswar und ab 1950 in Bukarest – nieder, wo sie sich als Dichterin, Kinderbuchautorin und Übersetzerin einen Namen machte. Sie starb 1983 im bayrischen Ottmaring.
Darauf folgen im Temeswarer Zeitschriftenband drei übersetzungswissenschaftliche Beiträge. Ana-Maria Dascălu-Romițan (Temeswar) beleuchtet den interkulturellen Aspekt des Übersetzens am Beispiel von Titu Maiorescu, Karla Lupșan (Temeswar) unterbreitet didaktische Vorschläge zur Entwicklung der kooperativen und der kollaborativen Arbeitsweise im Übersetzungsunterricht, während Paola di Mauro (Mailand) hermeneutische Überlegungen anlässlich ihrer eigenen Übersetzung von Carl Gustav Jungs 1958 erschienenem Werk „Ein moderner Mythus – Von Dingen, die am Himmel gesehen werden“ anstellt, nicht zuletzt im Hinblick auf literarische und filmische Realisationen der Ufo-Thematik.
Zwei medienwissenschaftliche Beiträge zweier türkischer Germanisten schließen sich daran an. Der Sprachwissenschaftler Bariș Konukman (Istanbul) untersucht, anhand einer vergleichenden Analyse von Nachrichtenüberschriften in deutschen und türkischen Zeitungen über den EU-Türkei-Gipfel im März 2016, die sprachlich-rhetorischen Mittel bei der Berichterstattung der Medien und ihre Funktion bei der Steuerung der Meinungsbildung. Und die Linguistin Irem Atasoy (Istanbul) beschäftigt sich mit der Multimodalität in Fernsehwerbungen, indem sie eine kontrastive Fallanalyse deutscher, italienischer und spanischer TV-Spots am Beispiel der Marke „Knorr“ unternimmt.
Ein Beitrag zum Unterricht des Deutschen als Fremdsprache (DaF) rundet den lesenswerten germanistischen Zeitschriftenband ab. Die ägyptische Sprachwissenschaftlerin Sakina Saleh (Sohag) befasst sich mit der Problematik der Veränderung der Normen im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung im Hinblick auf die Rechtschreibreform und im Bezug dazu mit der Tendenz zur „Univerbierung“ – also dem Zusammenwachsen zweier Wörter, z. B. „ob“ und „schon“, zu einem einzigen, im Beispielfalle „obschon“ – und den daraus resultierenden Schwierigkeiten für den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache.