Das waren andere Zeiten, als Sorin Petrescu, Dana Bozenovici und Emil Şain für das Temeswarer Publikum unkonventionelle Musik spielten. Anfang der 1980er Jahre wurden die Lebensmittel immer knapper und die Lebensumstände immer schwerer. Harte Zeiten für die sozialistische Republik, deren Träume langsam zu platzen begannen. In diesen turbulenten Jahren, in denen die Menschen nichts hatten, fingen Petrescu und seine Bandkollegen von Trio Kontraste an, die Neue Musik für sich zu entdecken. Ihre Aggressivität, Atonalität und Regelwidrigkeit wirkte besonders auf junge Studenten, die die Befreiung suchten, erfrischend. Ohne dass es ihre Absicht gewesen wäre, drückte die Musik von Petrescu, Bozenovici und Şain jene Sehnsucht der Menschen nach Freiheit aus. Wenn auch die Neue Musik gewöhnungsbedürftig war, so schreckte sie keineswegs die Menschen ab. Im Gegenteil: Sie strömten zu den Konzerten, wollten Trio Contraste hören und der Musik, die so gar nicht nach Musik klang, eine Chance geben. Schließlich hatte man ja auch gar nichts anderes zu tun. Wohin sonst konnte man gehen?
30 Jahre später schaut Petrescu auf diese Zeit zurück. Der Pianist hat in den letzten drei Jahrzehnten die halbe Welt gesehen. Doch der ganz große Ruhm, den zum Beispiel jemand wie Nicolae „Nikki“ Covaci genießt, ist ihm verwehrt geblieben. Als der Eiserne Vorhang fiel und sich die Grenzen öffneten, träumten Petrescu und seine Bandkollegen von besseren Zeiten und kultivierteren Menschen. Doch jene Offenheit, die die Studenten in den frühen 1980er Jahren noch gegenüber seiner Arbeit gezeigt hatten, schien nach 1990 wie verflogen.
Plötzlich musste er mit seichter Pop- und Rockmusik konkurrieren, die die Masse zufriedenstellen und keine neuen Impulse setzen will. Die Umstellung auf Junkfood für die Ohren geschah so rasch wie der Aufstieg des Trios, das mit den größten zeitgenössischen Komponisten Rumäniens zusammengearbeitet hat. Echte Kenner erschaudern vor Ehrfurcht, wenn die Namen Anatol Vieru, Aurel Stroe, Myriam Marbé, Tiberiu Olah und Ştefan Niculescu fallen. Das waren und sind die großen Revolutionäre der rumänischen Musik. Große Künstlerinnen und Künstler, die neue Wege suchten, sich durch Musik auszudrücken. Die gewollt die Regeln der alten Klassiker brachen, weil sie nicht bloß nachahmen, sondern ihren eigenen Weg gehen wollten.
Neue Musik bleibt unverstanden
Der Weg zu neuen Ufern war nicht nur in Rumänien ein stürmischer. Jenseits der milliardenschweren Musikindustrie, die Copy-Paste-Produkte verhökern möchte und sich den Launen der Massen beugt, verstanden sich Künstler wie Vieru und Stroe als Schöpfer experimenteller Klänge. Darum klingt die Neue Musik oft chaotisch und zusammenhanglos. Es klingt mehr nach Lärm und ist für Zuhörer, die an harmonische Werke von Mozart oder Beethoven gewöhnt sind, schwer verdaulich.
Sorin Petrescu weiß das. Er hat es am eigenen Leib erfahren. Er musste oft in leeren Konzertsälen spielen oder Zuschauer dabei beobachten, wie sie während seiner Konzerte den Saal verließen. Nach 1990 mehr als vor 1990. Doch wo bleibt der Mut für Neues, fragt sich der Musiker besonders jetzt, 2013. Er ist inzwischen nicht mehr der junge Mann, der damals zusammen mit Kommilitonen Béla Bártoks „Contrasts“ probte, ohne zu wissen, dass es die Geburtsstunde seiner Gruppe Trio Contraste sein würde. Denn es steckten keine großen Pläne dahinter, sondern nur Neugier, das Verlangen junger Menschen, Musik zu entdecken, zu verstehen und mit ihr als Menschen zu wachsen. An diesem Prozess ist der Pianist gereift.
Inzwischen macht er sich keine Illusionen mehr darüber, dass seine Musik demnächst von der breiten Masse akzeptiert werden wird. Vielleicht in einigen Jahrzehnten, aber nicht heute. Schließlich hat es selbst die klassische Musik in Rumänien schwer. Für die Neue Musik, die Geduld und Offenheit erfordert, bleibt kein Platz. Sie darf gespielt werden, meint Petrescu, doch wenn möglich privat und nicht vor einem Publikum. Das schmerzt natürlich, weil der Pianist weiß, was den starrsinnigen Zuhörern entgeht. Es bedarf Überzeugungskraft. In einer inerten Gesellschaft eine Sisyphusarbeit. Weshalb Trio Contraste eher im Ausland Ruhm erlangt hat als in Rumänien.
Aber selbst dort kann sich eine Gruppe, die Neue Musik spielt, kaum noch durchsetzen, wenn sie nicht nach den Regeln der freien Marktwirtschaft spielt. Solche wie sie gibt es im Westen zuhauf. Die Werbung macht den Unterschied. Nur wer sich verkaufen kann, bleibt populär.
Dagegen spielte kurz nach 1990 noch das persönliche Ansehen eine weitaus größere Rolle. Und wenn man selbst noch keine Anerkennung erfahren hatte, dann musste man die Aufmerksamkeit und den Respekt einer Person gewinnen, die sich bereits einen Namen gemacht hatte.
Aufbruch in die Zukunft
Anatol Vieru war so eine Person. Der Komponist wurde eine Art Ziehvater für die Gruppe. Sein Name reichte über die Grenzen Rumäniens hinaus, weshalb auch sein Wort Gewicht hatte. Er organisierte die ersten Auftritte von Trio Contraste in Deutschland. Petrescu spricht heute voller Hochachtung über den inzwischen verstorbenen Komponisten. Von ihm habe er als junger Mann vieles über die Musik lernen können.
„Ein Musiker ist jemand, der musikalisch denkt“, erklärt Petrescu. „Die richtige Denkweise entsteht allerdings nicht von selbst. Man braucht einen Mentor, der dich auf die richtige Fährte setzt, der dir den Weg weist.“
Petrescu ist über die Jahre das einzige beständige Mitglied von Trio Contraste in der Bandgeschichte. 1990 ging Dan Suciu und wurde durch Doru Roman ersetzt und 2001 verließ Emil Şain die Gruppe. „Als er schließlich auch wegging, war es für uns schwierig. Denn mit Şain hatten wir einen fähigen Musiker verloren, der eine Vielzahl von Blasinstrumenten, unter anderem das Saxofon, spielen konnte. Einen besseren Ersatz konnten und wollten wir nicht finden, weshalb wir uns bei der Suche nach einem neuen Musiker nicht an der Wahl des Instruments, sondern an der musikalischen Erfahrung der Person orientiert hatten.“ Somit kam Ion Bogdan Ştefănescu als Flötist hinzu.
Seit über zehn Jahren spielt Trio Contraste in der neuen Aufstellung auf internationalen Festivals. Dort, wo man unter sich ist. Wo die Menschen Musik anders begreifen, in ihr etwas anderes sehen als bloß pure Unterhaltung. Auf diesen Festivals kommen jene Musiker zusammen, die Musik voranbringen und ihre Zukunft sichern, indem sie sich nicht vor dem Alten verneigen, sondern sich mutig dem Neuen stellen. 30 Jahre nach der Gründung bleibt Trio Contraste eine Ausnahmeerscheinung für Temeswar und Rumänien. Denn sie fördert die Musik, die wenige verstehen, wenige mögen, aber schließlich und endlich alle brauchen werden.