Zum Auftakt wird das Märchen von der Ziege vorgelesen. Eine Variante des Märchens wiederholt der Kinderbuchautor Joseph Stalin zum Schluss. Dazwischen geschieht auf der Bühne Absurdes und Abstruses, Bekanntes und Beliebtes, Schockierendes und Surrealistisches. „Ziege, bist du satt?“ ist eine absurde Komödie, die der österreichische Autor Anatol Vitouch für die Hermannstädter Bühne schrieb. Inszeniert wurde das Stück von der deutschen Regisseurin Felicitas Braun. Die Uraufführung fand am Dienstagabend im Radu-Stanca-Theater statt, das Stück wird am 9. Mai erneut gespielt.
Felicitas Braun (Jahrgang 1987) war im vergangenen Jahr mit der am Wiener Burgtheater inszenierten „Reise nach Petuschki“ (nach Wenedikt Jerofejew) beim Internationalen Theaterfestival zu Gast in Hermannstadt/Sibiu gewesen. Daniel Plier, der Leiter der deutschen Abteilung des Theaters, fragte sie, ob sie nicht auch hier inszenieren möchte. Das Angebot habe sie gefreut und die Kooperation mit dem Hermannstädter Theater war sehr spannend, sagte uns die junge Regisseurin, die Philosophie und Theaterwissenschaft in Berlin und danach Schauspielregie am Max-Reinhardt-Seminar in Wien studiert hat. Gefreut habe sie auch, dass sie den Autor, mit dem sie gern weiterarbeiten wollte – Anatol Vitouch, 1984 in Wien geboren, wo er Buch und Dramaturgie an der Wiener Filmakademie studiert hat – mitbringen konnte.
Wer zur Vorstellung dieses Stückes kommt, sollte sich auf Herausforderungen gefasst machen. Auf der Bühne kann bekanntlich alles passieren, das Geschehen muss nicht wahrhaftig sein. Gefordert werden vom Zuschauer Phantasie, Mitdenken, offen sein für Überraschungen und auch Skurriles. Sein Theater habe viel mit der Balance zwischen Sinn und Unsinn zu tun, zwischen Dingen, die sich einlösen, und Situationen, die wegführen, sagte Vitouch. Versucht habe er eine Gratwanderung zwischen den Extremen Bekannt und Chaos. Für das Bekannte stehen die Sprichwörter oder Redewendungen, die floskelhaft rezitiert werden, ins Chaos droht die Handlung mehrfach abzurutschen und dem Premierenpublikum wurde leider nicht klar, was es mit der Ziege, dem Ziegenherz, Joseph Stalin und den handelnden Figuren auf sich hat. Absurdes Theater will auch strukturiert sein und Anspielungen oder Assoziationen sollten angedeutet werden.
Das Märchen von der Ziege ist ein Bezugspunkt und die darin beinhalteten Themenkreise um Schuld und Bestrafung bzw. satt werden, sich überfressen, stehen in verschiedenster Weise mit den Themen im Zusammenhang, die im Stück vorkommen, erläuterte Vitouch. Dies geschehe jedoch nicht explizit, sondern dazu soll der Zuschauer Assoziationen herstellen. Dabei machen es ihm Autor und Regisseurin schwer. In den Zuschauerraum kommt leider nicht rüber, dass das Ziegenherz nicht verspeist wird, sondern den Drogentrip symbolisiert, auf den die Figuren sich begeben. In der Welt des Drogentrips, aber auch in der vom Autor geschaffenen stehen Dinge nebeneinander, die einander in der Realität ausschließen. Joseph (Ali Deac) ist erst Tierkardiologe, dann Scheidungsrichter und Admiral. Stalin ist in der Welt von Tom (Valentin Späth) Kinderbuchautor. Um der Figur das Absurde zu lassen, wurde Stalin und nicht Ceau{escu zum Beispiel gewählt, so Braun. Zum Diktator wird der am Ende das Märchen vorlesende Stalin erst, als die Ziege auftritt, in der Tom die Mutter erkennt. Zum Beziehungswirrwarr zwischen Joseph und Berta (Johanna Adam) sowie Tom und Elena (Anca Cipariu) kommt nun auch der Mutterkomplex ins Spiel und Tom/Stalin erschießt die Ziege/Mutter.
„Ziege, bist du satt?“ ist eine schwer verdauliche Vorstellung. Viele Zuschauer gingen hungrig (auf Theatergenuss) nach Hause.