Hermannstadt – Von der Wiege bis zum Grab gehör(t)en die Siebenbürger Sachsen der Gemeinschaft an, in die sie hineingeboren werden (wurden). Im Sinne der herkömmlichen Tradition, derzufolge ein Vertreter der Gemeinschaft (vormals der Nachbarvater oder Kurator) den Sarg mit dem Verstorbenen von der Familie heraus- oder abbittet, um ihn von Mitgliedern der Gemeinschaft auf den Gottesacker zu führen und dem Allmächtigen anzuvertrauen, richtete Prof. Dr. Hermann Pitters die Abbitte an die trauernde Familie Philippi, den geliebten Toten der Gemeinschaft zu übergeben. Paul Philippi hat sich stets der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen zugehörig gefühlt, sich für ihre Traditionen, ihr Erbe und ihre Zukunft eingesetzt. Von ihm nahm am Freitagmittag, den 3. August, eine sehr zahlreiche Gemeinschaft in der Johanniskirche Abschied. Die schöne Aussegnungsfeier wurde musikalisch von Ursula Philippi (Orgel) und Melinda Samson (Sopran) und von Dechant Hans Georg Junesch liturgisch gestaltet mit einer Schriftlesung von Gerhild Rudolf.
Abschied genommen wurde von einer Persönlichkeit, dessen „reich erfüllte Zeit“, so Pfarrer Junesch in der Predigt, nach 94 Jahren zu Ende gegangen ist. Abschied genommen haben von Paul Philippi Freunde und Weggefährten, Kollegen und ehemalige Studenten, Mitarbeiter am Theologischen Institut oder im Deutschen Forum, Mitstreiter und Anzweifler seiner Haltung in Fragen der Politik und der Zukunftsstrategien der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien oder der deutschen Minderheit, aber auch Menschen, die ihn persönlich nicht gekannt haben, die ihn aber schätzen und ehren. Gewürdigt wurde durch Pfarrer Junesch der Einsatz des Verstorbenen für die Gemeinschaft in den „neuen Zeiten“, die anders angebrochen waren, als er sie erhofft hatte, da nach der Grenzöffnung die Mehrzahl der Mitglieder auswanderte. Paul Philippi stellte sich den neuen Herausforderungen, war unermüdlich, wissbegierig, aufnahmebereit und dialogfähig und bis ins hohe Alter bei jeder wichtigen Veranstaltung dabei.
Den Nachruf auf Paul Philippi sprach Prof. Dr. Hans Klein. Von 1. Kor., Kap.12,7 ausgehend ging er auf drei „besondere Gaben“ ein, die Paul Philippi „in die Wiege gelegt“ worden waren: die Begabung für Musik, ein erhöhtes Interesse an den Geisteswissenschaften und eine starke Bindung zur Gemeinschaft bis hin zur Politik für sie. Die musikalische Begabung kam in der Schulzeit zum Ausdruck und wurde nach dem Krieg als Hobby weitergeführt. Seine zweite Gabe entfaltete sich in der Nachkriegszeit, als er in der Tradition der siebenbürgischen Studenten begann, Theologie, Geschichte und Deutsch zu studieren, um in Siebenbürgen Gymnasiallehrer und Pfarrer zu werden, wie das viele Generationen vor ihm getan hatten. Er wurde jedoch zunächst Assistent an den Universitäten in Erlangen und nachher Heidelberg. 1955 promovierte er über „Abendmahl und Wirklichkeit der Gemeinde“ auf dem für ihn charakteristischen Interessengebiet: Liturgie und Gemeinschaft. Im selben Jahr ließ er sich von Bischof Friedrich Müller, der bei einer Tagung im Ausland weilte, in Wien zum Geistlichen der Evangelischen Kirche in Rumänien ordinieren. Er wollte heimkehren und in der siebenbürgischen Kirche zum „allgemeinen Nutzen“, wie das Bibelwort sagt, wirksam werden – und das mit seiner Frau Irmentraut, geborene Waadt, Pfarrerstochter aus Deutsch-Weißkirch, die er 1956 geheiratet hatte. Bischof Müller riet damals ab, die Zeit sei nicht geeignet.
Paul Philippi wurde habilitiert, übernahm eine Professur und die Leitung des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg, doch schöpften diese Aufgaben seine Gabe für die Geisteswissenschaften nicht aus. 1962 initiierte er den Arbeitskreis junger Siebenbürger Sachsen, aus dem heraus die Wiedergründung des Arbeitskreises für siebenbürgische Landeskunde erfolgte, und wurde Herausgeber der Schriftenreihen Studia Transilvanica und Siebenbürgisches Archiv. „Hier schlug sein Herz in ganz besonderer Weise“, so Dr. Klein. Paul Philippi koordinierte die Erforschung der siebenbürgischen Geschichte von verschiedenen Gesichtspunkten aus, förderte junge Forscher und das Interesse an dieser Geschichte.
Weil seine Bindung zur Gemeinschaft und sein Wunsch, ihr zu dienen, so stark waren, baute er in Deutschland Freundschaften mit Gleichgesinnten auf und suchte die Nähe zu rumänischen Intellektuellen und Politikern. Der Kreis jener, „die eine Perspektive für die Siebenbürger“ sahen, war begrenzt, in ihm war Paul Philippi „nicht das führende Sprachrohr“ ..., „wahrscheinlich aber das lauteste.“ „Er hatte nicht den Drang, als erster dazustehen, wiewohl ihm das immer wieder nachgesagt wurde, er war immer auch Oppositioneller, Querdenker, auch als späterer Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Rumänien“, sagte Dr. Klein. Paul Philippi war fest davon überzeugt, dass man sehr viel mehr für die Gemeinschaft in Siebenbürgen selbst tun könnte, wenn man die Richtung des Denkens ändern würde, dass nämlich das Leben der Gemeinschaft in Siebenbürgen weitergeht. In dieser Überzeugung kehrte er 1983 heim und wurde Professor für Praktische Theologie am Theologischen Institut. Dass es dazu kam, sei einer Sternstunde zu verdanken, denn keiner der Teilnehmer an der Professorensitzung in Klausenburg, wo das Thema seiner Berufung verhandelt worden war, hatte Hoffnung, dass das Ansinnen Erfolg haben werde, da der Vorschlag bis dahin am Widerstand des Regierungsvertreters gescheitert war. „Aber diesmal, und nur diesmal, war ein anderer Regierungsvertreter bei der Sitzung, und der war für die Sache offen. So konnte Paul Philippi in seine Heimat zurückkehren“, berichtete Dr. Klein.
Seine Bindung zur Gemeinschaft brachte Paul Philippi erst recht nach der politischen Wende 1989/90 zum Ausdruck, als er sich aktiv bei der Gründung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien einsetzte und 1992 dessen Vorsitzender wurde. Ihm ist es u. a. zu verdanken, dass eingesehen wurde, „nicht über Menschen (zu) reden, wenn sie selbst nicht dabei sind, auch nicht für-sorgend für andere entscheiden, sondern mit-tragend, mit den Betroffenen“, so Dr. Klein. Diese drei Gaben habe der Schöpfer Paul Philippi in die Wiege gelegt, um sie im Dienst der Gemeinschaft einzusetzen. „Dass nicht alles zur Zufriedenheit aller führte, hat er zu spüren bekommen und darunter gelitten.“