Temeswar - Ein Staatschef, der so gefeiert wird, wie es bei Klaus Johannis der Fall ist, steht auch unter einem immensen Druck: Die Erwartungen aus der Bevölkerung sind wohl höher, als dies überhaupt ein Staatsoberhaupt nach der Wende von 1989 erlebt hat. „Lieber die eine Vorlesung schwänzen, als Johannis verpassen“, sagen Studenten, die sich in eine überfüllte Aula Magna an der West-Universität drängen – eine halbe Stunde vor dem Eintreffen des gewählten Staatspräsidenten war kein einziger Sitzplatz mehr frei. Zwei verschiedene und dem jeweiligen Rahmen entsprechende Reden hielt Klaus Johannis bei seinem Besuch in Temeswar: Eine in der West-Universität, eine andere in der Staatsoper. Ein Besuch im Bürgermeisteramt der Stadt Temeswar, eine Kranzniederlegung auf dem Heldenfriedhof und die Präsenz bei der Kerzenanzündung in der orthodoxen Kathedrale vervollständigten am Dienstag das Programm des Mannes, der am kommenden Sonntag seinen Präsidenteneid ablegen wird.
Mit seinem Besuch in Temeswar zum 25. Jahrestag seit Beginn der Revolution von 1989 löste Johannis sein Versprechen aus dem Wahlkampf ein, einen Teil dieses Tages in Temeswar zu verbringen. Der Besuch hat für den Rumäniendeutschen noch weitaus mehr Bedeutung. Es sei nicht nur eine seiner Lieblingsstädte, sondern auch einer der meistbesuchten Orte von Johannis, wie er selbst sagte. Was außer seiner Popularität noch ganz besonders auffiel: Trotz gedrängtem Programm, leistete er sich keine Abweichungen und Verzögerungen vom festgelegten Programm – auch das könnte zum Markenzeichen des neuen Präsidenten werden.
Mit seinen Aussagen sowohl an der West-Universität vor mehr als 600 Lehrkräften und Studenten, aber auch vor vollem Haus im Opernsaal setzte Johannis seine Messlatte selbst besonders hoch an. Zwar habe er als Staatspräsident keine exekutiven Aufgaben in Sachen Bildung, doch er bestehe darauf, dass Bildung „zur nationalen Priorität wird“, sagte Johannis. Das werde er so oft sagen, bis die Bildung nicht nur deklarativ, sondern auch wahrhaftig zu einer Priorität in Rumänien wird. Zu einem funktionierenden Rumänien und einer effizienten Wirtschaft sei unter anderen die Bildung der Schlüssel zum Erfolg. „Wir ignorieren die junge Generation“, so Johannis. Jeder habe schon mal gesagt bekommen, dass er es durch Lernen im Leben zu was bringen kann, so der Präsident. „Ich denke, es ist nun an der Zeit, dieses Konzept auf nationaler Ebene anzuwenden“.
Ein anderes Thema schnitt der Staatschef in seiner Rede in der Oper an. Die Rumänen haben oftmals gezeigt, dass sie nichts aus der Geschichte gelernt haben. Deshalb braucht man stetig die Erinnerungen und um diese immer wieder aufzuzeigen, plädiert Johannis für ein „großes nationales Museum zum Thema Kommunismus“. Es sei auch die Zeit gekommen, sich zu fragen: Was habe ich in 25 Jahren erreicht? Johannis gab auch gleich die Antwort darauf. NATO- und EU-Beitritt, Freiheit, Recht auf Eigentum, zählte Johannis auf. Im Gegensatz dazu stehen aber auch Rückstände, die aufzuholen seien. Johannis erwähnte, dass sich ganze Generationen gezwungen sehen, ins Ausland auf Arbeit zu gehen, dass viele Kinder allein bleiben und viele Rentner mit ganz wenig Geld auskommen müssen. Es habe aus der politischen Klasse zu viele Versprechungen gegeben, die nicht eingehalten wurden. Die Auswirkungen seien überall erkennbar. Nun, im Dezember 2014, sollte man „dieses Kapitel schließen, und ein neues, nationales Projekt beginnen“. Das Erbe der Revolution verpflichte zur gut gemachten Arbeit. „Projekte müssen zu Ende geführt werden: beginnend mit einer neuen Verfassung, bis hin zu den unfertigen Autobahnen.“