Hermannstadt - Wie kam der Strom nach Hermannstadt und Siebenbürgen? Mit dieser Frage befasst sich Marcel Stancu in seinem Buch „Hermannstadt und die Elektrifizierung Rumäniens/Sibiul şi electrificarea României“, das kürzlich in rumänischer Sprache im Honterus-Verlag erschien. Das umfangreiche Kompendium zeichnet die Entwicklung der Elektrifizierung in Südsiebenbürgen in chronologischer Folge dar und wartet mit einer Fülle an gut recherchierten Informationen zum Thema auf.
In zwölf Kapiteln auf beachtlichen 389 Seiten geht Stancu das Thema an. Der gebürtige Hermannstädter ist Ingenieur für Elektrotechnik und arbeitete mehrere Jahrzehnte in Hermannstädter Elektrizitätswerken. Die ersten zwei Abschnitte sind der Elektrizität im Allgemeinen und in Rumänien gewidmet. Dann aber wird Stancu konkret und kommt auf Hermannstadt zu sprechen. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Elektrifzierung Südsiebenbürgens in Hermannstadt, so Stancu. Maßgeblicher Treiber für diese Entwicklung sei Carl Wolff gewesen, so Stancu. Der damalige Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa tat sich als Förderer zahlreicher Investitionen in die regionale Infrastruktur hervor. Die Einführung der Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden elektrischen Energie trieb er bewusst voran, als ein Mittel, um die Hermannstädter Gegend aus der damaligen wirtschaftlichen Depression zu befreien.
Wolff überzeugte den deutschen Ingenieur Oskar von Miller, sich der Elektrifizierung Hermannstadts anzunehmen. Bereits 1892 begann die Ausarbeitung eines entsprechenden Projektes. Geplant wurde der Bau eines Wasserkraftwerkes, als Standort schlug der Hermannstädter Stadtingenieur den Zoodtfluss/Râul Sadu vor. Gleichzeitig wurde mit der Planung einer elektrischen Straßenbahn durch Hermannstadt begonnen. Gegen Widerstände wurde 1895 die Hermannstädter Elektrizitätswerk Aktiengesellschaft (HEW) gegründet. Bereits nach anderthalb Jahren Bauzeit ging das Kraftwerk im Dezember 1896 ans Netz, mit dem neben Hermannstadt auch Heltau mit günstigem Strom versorgt werden konnte. Innerhalb kurzer Zeit wurde die Hermannstädter Stadtbeleuchtung mit elektrischen Lampen ersetzt, Handwerker und Fabrikbesitzer begannen, elektrisch betriebene Maschinen zu installieren.
Stancu zeichnet in weiteren Kapiteln die Geschichte des Elektrizitätswerkes weiter, das nach 1918 als Uzina Electrică Sibiu firmiert. Er beschreibt die Gründung der SETA, der Siebenbürgischen Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, die die Elektrifizierung in verschiedenen Ortschaften Südsiebenbürgens ab 1929 voranbringt. Stancu widmet sich der Nationalisierung nach dem Zweiten Weltkrieg, den später gegründeten „Întreprinderi de reţele electrice“, sowie der Situation in Hermannstadt nach 1989. Schlaglichter wirft er auf die Entwicklung der Hermannstädter Straßenbahn. Immer wieder werden ausgewählte Persönlichkeiten und ihr Beitrag zur Elektrifizierung ausführlich dargestellt. Stancu greift auf umfangreich recherchiertes Material, wie Auszüge aus Reden, Briefen und zahlreiche Fotografien, zurück.
Das Buch „Sibiul şi electrificarea României“ (ISBN: 978-9731725925) ist ein umfangreiches und lesenswertes Nachschlagewerk zu einem sehr speziellen Thema der siebenbürgischen Geschichte. Verlegt wurde es im Hermannstädter Honterus-Verlag. Gefördert wurde der Druck mit Unterstützung des Hermannstädter Forums, wo das Buch auch erhältlich ist.