Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren nicht immer glücklich, wenn er nach drei Korrekturgängen immer noch ein fehlendes Komma entdeckte oder eine Umformulierung haben wollte. Die an Großzügigkeit (um nicht zu sagen Schlamperei) gewöhnten Leutchen im Kreisrat schimpften oder guckten (je nach Charakter) beschämt zu Boden, wenn sie wieder einmal ertappt worden waren, die geforderte Arbeit verspätet oder nicht getan zu haben. Dennoch: so respektvoll, wie über Martin Bottesch, wird über sehr wenige Persönlichkeiten sowohl unter ehemaligen wie auch unter gegenwärtigen Mitarbeitern, ganz zu schweigen in den rumänischen Medien in Hermannstadt/Sibiu gesprochen. Denn eine so gewissenhafte, vielseitig einsatzbereite, aber bescheidene und effiziente Person sucht ihresgleichen. Wenn diese Tage die Annahme eines Schmiergeldes in Höhe von 1,25 Millionen Lei durch den steinreichen Kreisratsvorsitzenden des ärmsten Landeskreises in Rumänien Schlagzeilen macht, steht er für das Gegenteil: Nach zwei Mandaten als Kreisratspräsident in einem der reichsten Kreise, fährt er eine Dacia und besitzt nur sein Elternhaus.
Martin Bottesch wurde am 27. September 1953 in Großpold/Apoldu de Sus geboren. Nach dem Studium der Mathematik an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca war er zunächst 14 Jahre lang Mathelehrer am Gymnasium in Mühlbach/Sebeș und seit 1992 bis zum Schuljahresende 2023 am Brukenthalgymnasium in Hermannstadt/Sibiu. Ein Mathelehrer mit Leib und Seele, der eigene Beiträge aus dem Bereich der Didaktik des Faches veröffentlichte, dessen Schüler im Landesvergleich brillierten und der ungehalten war, wenn die Fachzeitschrift „Gazeta Matematic²“ nicht zeitgerecht eintraf, der sich also fortwährend auf dem Laufenden hielt. Martin Bottesch ist mehr denn sonst jemandem die heutige Lage des deutschsprachigen Schulunterrichts zu verdanken: Er war viele Jahre der Vorsitzende der Schulkommission des DFDR, setzte sich in den 1990er-Jahren für die Gründung des Zentrums für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache in Mediasch ein, arbeitete die Unterlagen aus, dank derer in deutscher Sprache unterrichtende Lehrkräfte Fördermittel aus dem Bundeshaushalt bekommen, um nicht in besser bezahlte Jobs abzuwandern, er initiierte die Stelle einer Schulbuchbeauftragten beim DFDR, die die Kontakte zum Bildungsministerium, zu Verlagen, Schulbuchautoren, Übersetzern usw. hält und die Übersetzung und Herausgabe der Schulbücher in deutscher Sprache koordiniert.
Vor der Wende im Dezember 1989 lebte Familie Bottesch in Mühlbach. Wie in anderen Ortschaften auch, so wurde auch dort ein Deutsches Forum gegründet. Martin Bottesch gehörte zu den Gründungsmitgliedern und war zwei Jahre lang der Vorsitzende des Kreisverbands Alba. Bis zur Übersiedlung nach Hermannstadt, nachdem die Familie beschlossen hatte, zu bleiben. Hier wurde er der Vorsitzende des Hermannstädter Ortsverbands und ist seit 2013 der Vorsitzende des Siebenbürgenforums.
In Großpold wurde Martin Bottesch in einer Landler-Familie geboren. Als die Landler und Sachsen in den 1980er-Jahren verstärkt auszureisen begannen, fing er mit seiner Gattin Johanna an, deren Traditionen und Mundarten festzuhalten. Neben dem Engagement in Beruf und Gemeinschaft fand er Zeit, die Dokumentation seiner Heimatgemeinde fortzusetzen und auszuweiten. Zusammen mit Dr. Ulrich Andreas Wien verfasste er die 496 Seiten starke Ortsmonografie „Großpold. Ein Dorf in Siebenbürgen“. Das 2011 erschienene Buch wurde kürzlich auch in rumänischer Übersetzung vorgestellt. Es war nicht die erste Veröffentlichung im Bereich Heimatkunde: 1992 war in Wien „Die bairisch-österreichische Mundart der Landler von Großpold (Apoldu de sus) in Siebenbürgen/Rumänien“ (mit Gattin Johanna verfasst) und 2002 im Böhlau-Verlag 2002 „Die Siebenbürgischen Landler. Eine Spurensicherung“ (mit Franz Grieshofer und Wilfried Schabus als Mitherausgebern) erschienen. Nebst mehreren Büchlein über die Landler war er maßgeblich an der Herausgabe des Schulbuchs „Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien“ beteiligt, das er auch selbst gelayoutet hat.
Die für ihn und seine Umgebung wohl überraschendste Aufgabe war die Übernahme des sehr schwierigen Amtes als Kreisratsvorsitzender im Jahr 2004. Das Deutsche Forum hatte unerwartete Erfolge bei den Kommunalwahlen erzielt und stellte neben Bürgermeister und Stadtratsmehrheit auch die Mehrheit im Kreisrat, so dass der Kreisratsvorsitzende aus seinen Reihen gewählt werden konnte. Nach dem erfolgreichen ersten Mandat wurde Martin Bottesch 2008 in Direktwahl wiedergewählt. Dank seiner Fähigkeit, neue Dinge zu lernen, arbeitete er sich schnell in der Verwaltung und Kommunalpolitik ein. Während seiner beiden Mandate erfolgte u.a. der Ausbau des Flughafens, die Fertigstellung des neuen Gebäudes der „Astra“-Bibliothek, der Bau des Sozialzentrums in S²li{te und eines Sitzes für das Folkloreensemble „Junii Sibiului“, die Modernisierung des „Gong“-Theaters, der Beginn der Sanierung der Straße Hermannstadt – Schäßburg/Sighi{oara über Agnetheln, aber auch zahlreicher Straßen im Landeskreis, insbesondere dank Heranziehen von EU-Mitteln. Er habe jede Schwierigkeit als eine Herausforderung betrachtet und war überzeugt, dass es keine unüberwindbaren Hürden gibt, sagte er, als er nach acht Jahren Bilanz zog. (Die Wiederwahl war an der USL, d.h. PSD-PNL-Wahlallianz, gescheitert.)
Engagiert, gründlich, vielseitig, bescheiden. Es sind Eigenschaften, die jedem sofort einfallen, wenn von Martin Bottesch die Rede ist. Man kann gespannt sein, welcher Aufgabe(n) er sich als Rentner annimmt!