Bukarest - Bebt die Erde, steigt das Risiko: In Bukarest gelten momentan 183 Gebäude für diesen Fall als einsturzgefährdet. Allerdings wurde dieser Bedrohung in den vergangenen Jahren nur unzureichend begegnet – gerade einmal 18 Gebäude sind seit 2001 gesichert worden. In der Altstadt wird im Augenblick die Sanierung von insgesamt sechs Häusern anvisiert, während viele Besucher weiterhin einem Einsturzrisiko ausgesetzt werden. Einfache Schuldzuweisungen sind jedoch nicht möglich: Die betroffenen Gebäude können erst nach der Klärung aller Eigentumsfragen saniert werden. Dennoch greift nun der Gesetzgeber durch: Am 17. November hat Staatspräsident Klaus Johannis ein für das kulturelle und geschäftliche Leben folgenreiches Gesetz unterzeichnet: Gilt ein Haus im Falle eines Erdbebens als einsturzgefährdet, sind Veranstaltungen und kommerzielle Aktivitäten hier ab sofort untersagt. Erst nach einer entsprechenden Sanierung haben Gäste oder Zuschauer wieder Zutritt. Allmählich zeigt sich die Tragweite dieser Maßnahme – zahlreiche Bars, Kinos und Theater in der Hauptstadt sind betroffen.
So erlebte nun auch das Publikum des Nottara-Theaters am 19. November ohne Vorahnung den sprichwörtlich letzten Akt – die Bühne auf dem Bukarester Magheru-Boulevard schließt bis auf Weiteres ihre Pforten. Marinela Ţepuş, Managerin des von der Schließung betroffenen Theaters: „Wenn das Gesetz wirklich so konsequent angewendet werden soll, müsste eigentlich der gesamte Magheru-Boulevard gesperrt werden: eine Barriere an der Universität, eine andere an der Piaţa Romana, und niemand wird gefährdet. Dasselbe gilt für die Altstadt. Nur noch Anwohner hätten Zugang zu ihren gefährdeten Gebäuden, in denen sie auf eigene Gefahr wohnen.“ Zum Glück ist das nur eine Zuspitzung, doch die Folgen für das kulturelle Leben der Hauptstadt sind schon jetzt schwer einzuschätzen. Der Grund: die unheilvolle Kombination aus bislang strittigen Rückerstattungen der betroffenen Gebäude an die Alteigentümer und die in vielen Fällen unklare Erdbebensicherheit. Ţepuş ist sich sicher: „Viele der roten Warnmarkierungen wurden einfach am Schreibtisch vergeben.“ Der Bauherr Liviu Ciuley habe sich ab Mitte der 1930er Jahre an dieselben Sicherheitsstandards gehalten wie einst die Konstrukteure des Palastes der staatlichen Eisenbahngesellschaft oder der Rumänischen Nationalbank. In dem Gebäude auf dem Magheru-Boulevard hatte dieser auch Wohnungen für seine Familienangehörigen vorgesehen. So gibt denn auch die besorgte Managerin zu bedenken: „Wäre er mit dem künftigen Wohnsitz seiner eigenen Familie etwa nachlässiger umgegangen?“
Letzte Hoffnung für das Theater sind nun die Stadtverwaltung und die Bühnenbegeisterten. Die Kommune befindet sich jedoch in einem Rechtsstreit um die Übertragung des Gebäudes an die Nachfahren Ciuleys, weshalb diese wegen der unklaren Rechtslage von einer Sanierung des Hauses absieht. Eine Presseerklärung soll jedoch Mut machen: Demnach untersteht das Theater der Stadt Bukarest, weshalb diese ein Ausweichquartier bereitstellen müsse. Zudem appelliert Ţepuş, die selbst an der Einsturzgefährdung des Theaters zweifelt, an die Theaterliebhaber. Um die Kosten für eine neue Expertise bewältigen zu können, sollten diese ausnahmsweise auf Theaterkarten verzichten und „ihre“ Bühne mit demselben Betrag unterstützen. „Sollten die Kosten hierfür tragbar sein, können wir das schaffen.“ Werde nach 1997 nun eine weitere, den aktuellen Standards entsprechende Expertise angefertigt und stelle diese die Sicherheit des Hauses fest, dann stehe einer Wiederaufnahme des Betriebs nichts mehr im Wege – das Ensemble braucht also einen langen Atem. Ţepuş gibt sich bereits kämpferisch: Das Theater habe lediglich das Programm vorübergehend eingestellt. Die Stadt sei aufgefordert, ein angemessenes Ausweichquartier zu finden und bereitzustellen. „Glauben Sie uns, wir werden spielen – zur Not in einem angemieteten Quartier.“