Erstes Hermannstädter Gespräch im neuen Jahr

Ein Bürgermeisterkandidat muss eine Geschichte erzählen und Straßen bauen

Zwischen 2004 und 2012 war Raimar Wagner selbst Stadtrat in Hermannstadt. Heute entwickelt er Wahlkampfstrategien und gibt Kurse in politischer Bildung.
Foto: Michael Mundt

Hermannstadt – Die „Kommunalwahlen 2016 in Rumänien und in Hermannstadt“ bildeten am Dienstag den Auftakt zu den diesjährigen „Hermannstädter Gesprächen“. Zu Gast im Spiegelsaal des Forumshauses war Raimar Wagner, ehemaliger Stadtrat und derzeit Projektkoordinator für Rumänien und die Republik Moldau der Friedrich-Naumann-Stiftung. Im vergangenen Sommer begleitete er den Bürgermeister-Wahlkampf von Dorin Chirtoacă um das höchste Amt der moldauischen Hauptstadt Chişinău und zum Ende des Jahres erarbeitete er im Auftrag der Naumann-Stiftung eine Meinungsumfrage mit Blick auf die anstehenden rumänischen Kommunalwahlen im Juni.

Noch wird auf höchster Ebene zwischen den Vertretern der Sozialdemokraten und den Liberalen sowie Premierminister und Staatspräsidenten um eine Änderung des Wahlgesetzes gestritten. Ein oder zwei Wahlgänge ist die entscheidende Frage. Während nur ein Durchgang eher der PSD zugutekommen würde, – sie stellt bereits die Mehrzahl der Bürgermeister und das ungeschriebene Gesetz der Kommunalwahl lautet, sollte sich der Amtsträger keine großen Verfehlungen geleistet haben, dann wird er wiedergewählt – kommt ein zweiter Wahlgang eher der PNL zugute. In einer Stichwahl ist es wahrscheinlich, dass sich die Oppositionsparteien auf den Gegenkandidaten zur PSD einigen, der dann die volle Unterstützung erfährt und so die Chance hat im zweiten Wahlgang den Amtsinhaber zu schlagen. Gewiss unterlegen die Liberalen ihre Forderung mit dem Argument der größeren demokratischen Legitimation eines Siegers aus zwei Durchgängen. Damit haben sie auch nicht ganz Unrecht. Denn in Bukarest könnte schon ein knappes Drittel der Stimmen ausreichen, um Gabriela Vrânceanu-Firea zur Bürgermeisterin zu küren. Doch haben die Liberalen das aktuelle Wahlgesetz noch in Zeiten der USL-Allianz mitgeschrieben und auch sie wissen, dass Wahlgesetzänderungen spätestens ein Jahr vor dem Urnengang erlassen sein müssen. Doch wie Raimar Wagner aufklärte, verfolgen die Liberalen ein ganz anderes Ziel. Mit ihrer Forderung stiften sie Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber den Sozialdemokraten und rücken sich selbst in ein besseres Licht. Das ist kein ehrendes Ziel, doch in den Hinterzimmern der Parteien hat der Wahlkampf schon längst begonnen.

Sollte der 5. Juni als Termin der Kommunalwahl bestätigt werden, dann würde der Wahlkampf offiziell am 5. Mai beginnen. Dieser unterliegt in diesem Jahr größeren Restriktionen. Geschenke wie Kugelschreiber sind verboten, ebenso Riesenplakate. Dies kommt insbesondere den kleinen Parteien entgegen, die nicht über umfassende finanzielle Mittel verfügen. Zwar werden die Kosten nach der Wahl vom Staat übernommen, doch müssen sie trotzdem vorfinanziert und muss ein Ergebnis von mindestens drei Prozent der Wählerstimmen erreicht werden. Wie die Wahl am Ende sogar gewonnen werden kann, wusste Raimar Wagner auch zu berichten. Zum einen muss der Kandidat eine Geschichte erzählen und zum anderen muss er Straßen, Straßen und noch mehr Straßen bauen. Denn die bisher noch nicht veröffentlichte Umfrage hat ergeben, dass der Zustand der Straßen und der gesamten Verkehrsinfrastruktur den Bürgern ihr wichtigstes kommunalpolitisches Anliegen ist, sogar deutlich vor einer korruptionsfreien Verwaltung. Das soll heißen: Auch wenn von fünf Straßen nur drei gebaut wurden und das Geld für die beiden nicht realisierten in den Taschen der Lokalbarone versinkt, in der Gunst der Wähler sammeln sie trotzdem Pluspunkte.