Hermannstadt – Der vorbildlich gepflegte Biedermeier-Tisch, den Reinhart Guib am späten Vormittag des römisch-katholischen und protestantischen Karsamstags vor dem Rathaus-Südeingang von Hermannstadt/Sibiu für eine halbe Stunde hatte aufstellen lassen, war dem christlichen und weltpolitischen Treiben des Augenblicks zugleich entsprechend geschmückt worden. Weiß das Tischtuch, auf dem ein von zwei brennenden Kerzen flankiertes Kreuz stand, und schwarz das samtene sowie vorne herabhängende Tuch mit aufgenähtem Kreuz in einem silbern erhellenden Farbton. Alles warf seine Schatten auf den Großen Ring/Piața Mare, wo der vom Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) ins Leben gerufene Friedensmarsch mit Gebeten und Bibellesungen in fünf Sprachen ausklang. Unter blauem Himmel und einer beinahe schon sommerlich wärmenden Sonne wehte ein leichter Wind nach Nord, der süße Düfte von dem tags zuvor eröffneten Ostermarkt in das Rezitieren von Psalmen, Evangelien und neutestamentarischen Briefen mischte. Doch weder dem liturgisch schwarzen Tuch noch jenen, die hinter das Tischchen traten und den davor Umstehenden Verse aus der Bibel und Gebete für Frieden in der Ukraine und der Welt vorlasen, konnte er etwas anhaben. Den am Friedensmarsch teilnehmenden Geistlichen lag es daran, das Kriegsgeschehen in der Ukraine zu „kontrastieren“ statt zu „konterkarieren“. Andrei Baici, Priester der griechisch-katholischen Kirchengemeinde im kleinen Ort Thalheim/Daia, rief dazu auf, „die Waffen ruhen zu lassen und den Frieden zu suchen“. Die Armbinde in Blau und Gelb, die einige Demonstrierende trugen, war mit Traurigkeit in ihren Gesichtern gepaart.
Hass war nicht das Gebot des einstündigen Friedensmarsches vom Astra-Park bis auf den Großen Ring. Bischof Reinhart Guib erzählte davon, dass ein ukrainischer Kriegsflüchtling ihm berichtet hätte, es sei zuweilen überhaupt gar „nicht mehr möglich, zu unterscheiden, ob die Ukraine oder der Feind schießt“. Die Gebete in ukrainischer Sprache trug Übersetzer Mihai Graj-dan vor. Für dasselbe Bitten um Gnade und Frieden am Mikrofon der portablen Verstärkungsanlage war Erika Klemm auf Englisch zur Stelle. Stadtpfarrer Sándor Varró von der Reformierten Kirchengemeinde Hermannstadt und Priester Arnold Kelemen als Delegierter der römisch-katholischen Kultstätte am Großen Ring liehen ihre Stimme jeweils dem Ungarischen. Und Farkas Ervin, Dozent am Priesterseminar des römisch-katholischen Erzbistums Karlsburg/Alba Iulia, ergänzte den Kreis des Friedensmarsches um akzentfreies Rumänisch. Das mitgehende Publikum war nicht weniger polyglott besetzt: Dorin Boil˛ von der Lokalfiliale des Vereins der Architekten in Rumänien (UAR), Ruth Istvan vom Team der Stiftung Kirchenburgen der EKR, Religions-Lehrbuchautorin Gunda Wittich, die Studierenden des Ökumene-Gastsemesters an der Lucian-Blaga-Universität, Museums-Leiterin Heidrun König vom Kultur- und Begegnungszentrum „Friedrich Teutsch“ der EKR, Schweizerin und Pädagogin Johanna Reber von der Waldorf-Schule Rothberg/Ro{ia, Facharzt Dr. Holger Lux vom Team des Suchthilfe-Blaukreuzvereins „Dependen]a“ und Friedrich Philippi als Landeskirchenkurator der EKR trugen hörend dazu bei, die Reihen für das Gebet nach alten Vorschriften zu schließen und sie für den Frieden von Morgen zu öffnen.