„Für die Kirche braucht es ein langsameres Blut“

Nächstes Kirchenburgen-Gespräch am 13. Juni wird Theologie, Seelsorge und Denkmalschutz berühren

Hermannstadt – Zweimal musste man auf der Bildschirmfläche blättern, um durch dreimaliges Hinschauen alle gespitzten Ohren zu erfassen, die sich Dienstag, am 28. Februar, online Zeit für das erste Kirchenburgen-Gespräch im Kalenderjahr 2023 genommen hatten. Trotz oder viel mehr genau wegen der Beendigung zweier internationaler Förderperioden seit Rumäniens Beitritt zur EU 2007 war die Zeit überreif geworden, gerade noch rechtzeitig während der Anfangsphase der dritten und bis 2027 gültigen Förderperiode über „Rettung von Kirchenburgen mit europäischem Geld“ sowie „Chancen und Herausforderungen bei EU-Projekten“ zu beraten. Die gute Nachricht: 31,5 Milliarden Euro aus dem Kohäsion-Fonds der Europäischen Union stehen Rumänien für eigene Projekte der aktuellen Förderperiode zur Verfügung, zitiert der Referent der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien für Öffentlichkeitsarbeit und Kirchenburgen-Gespräch-Moderator Stefan Bichler. Und die weniger gute, wenn nicht gar schlechte Teilnachricht? Allen sechs transsylvanischen Landeskreisen, die in das Verantwortungsgebiet der Agentur für Regionalentwicklung mit Sitz in Karlsburg/Alba Iulia (ADR Centru) fallen, können insgesamt nicht mehr als gerade mal nur 13 Millionen Euro Finanzhilfe aus der EU-Kasse berechnet werden, weiß Hauptanwalt Friedrich Gunesch zu informieren. Für Rumäniens Evangelische Kirche (EKR) als Erbin und Hüterin gleich mehrerer UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten eine Ausgangslage, die zu makellosem Haushalten mahnt. Übervorsicht aber dürfte dabei der falsche Ratgeber sein. Johann Schaaser, Kurator der Gemeinde Keisd/Saschiz seit 2015 und bereits um eine nicht unbedeutende Erfahrung in Sachen EU-Projektabwicklung reicher, rät allen, je vor Ort bei sich zuhause endlich auch mal „Hand anzulegen und nicht nur zu plaudern, tratschen oder zu kritisieren“. Stefan Bichler hatte ihn der Teilnehmerrunde des Kirchenburgen-Gesprächs als „Herrn aus der Praxis“ vorgestellt.

„Soll dein Kopf dir nicht mehr brummen, / lass das Amt doch and´ren Dummen.“ Johann Schaaser erinnert sich gerne an die Fahrten nach Hermannstadt zu Sitzungen mit EKR-Hauptanwalt Friedrich Gunesch oder Tagungen in größerer Runde mit Friedrich Philippi, Amtsvorgänger von Landeskirchenkuratorin Carmen Schuster und Vortragender des Gedichts von Wilhelm Busch in sieben Strophen zum Thema „Ehrenamt“. Wie so vieles andere in Siebenbürgen ist auch in Keisd bei Renovierung des Kirchturms nicht alles einfach wie am Schnürchen gelaufen. 

Doch „wenn ich jetzt zurückschaue, waren die Rückschläge klein“, hält Johann Schaaser fest. „Ich habe oft aufhören wollen“, gibt er zu, meint dabei aber auch ergänzend, dass „die Baufirma es trotz Lockdown seriös zu Ende gebracht hat“. Ihn als jungen Kurator habe das von ihm lokal gelenkte EU-Projekt dahin gebracht, zu akzeptieren, dass „die Kirche ein langsameres Blut braucht.“

Die „riesengroße Erwartungshaltung“ war im Landeskonsistorium der EKR zu keinem Zeitpunkt von Beginn der ersten Förderperiode an ein Geheimnis, räumt Friedrich Gunesch ein. Und leider wurde es in der zweiten Förderperiode auch nicht eben einfacher, sondern nochmal eine dicke Spur schwieriger, den eigenen Ansprüchen an sich selbst gerecht zu werden. Die Kulmination der Anhäufung von Nachteilen dürfte in Förderperiode Nummer drei eintreffen, weil die Möglichkeit besteht, dass die Gesamtleitung einschlägiger EU-Projekte auch an Stätten wie Kirchenburgen nur noch den jeweils lokalen Rathäusern zugeschlagen werden darf. „Wir hoffen auf einen Mittelweg, wenn die Rechtslage so bleiben sollte“, hält der Hauptanwalt der EKR beruhigend ein, und „wir versuchen aktuell, das Ministerium zu überzeugen, den Modus anzupassen oder zum alten Modus zurückzukehren“. Vor allem im ländlichen Raum sei damit zu rechnen, dass nicht jedes Rathaus für eine finanzielle und verwaltungstechnische Bewältigung von EU-Projekten ausreichend kompetent besetzt ist.

Vom Kirchenburgen-Gespräch am letzten Februarabend blieb auch die Dachziegel-Frage nicht unbemerkt. „Über denkmalgerechte und alte Ziegeln zu sprechen ist OK, und es zu versuchen auch“, meint Friedrich Gunesch. Letztlich zähle die „Haltbarkeit“ des Resultats, und dass man Hersteller von Ziegeln auch noch „30 Jahre“ danach für Materialschäden einklagen könne. „´War es früher besser?´, hat mein Großvater immer gefragt“, streute Johann Schaaser ohne das Vorwegnehmen einer klaren Antwort in die Runde, alte und neue Techniken an Dach und Mauerwerk in kein bestimmtes Verhältnis zueinander setzend.

„Wir leben in anderen Zeiten als vor 200 Jahren“, sagt der Kurator der EKR in Keisd. Stefan Bichler ergänzte, inklusive Bischof Georg Daniel Teutsch habe seinerzeit das Einstürzen etlicher Kirchtürme nicht gerne wahrhaben wollen. 

Dennoch sieht Johann Schaaser es nicht gegeben, „den Untergang zu verwalten“. Wichtigst dagegen sein „Rat zu guter, vernünftiger und diplomatischer Beziehung zum Bürgermeister und Rathaus“, denn ohne das Einverständnis der jeweils örtlichen Autorität, der bald die ohnehin federführende Aufsicht erteilt werden könnte, hätten auch renovierungsbedürftige oder gefährdete Kirchenburgen das Nachsehen. Nicht mehr nur in der EKR, sondern auch politisch wird Geduld gefragt sein. „Jedoch, wir wissen: Hoff- und Harren / Das machte manchen schon zum Narren. / Sankt Bürokratius, der Heilige, / Verachtet nichts so sehr wie Eilige“, heißt es in den 24 Zeilen „Zur Warnung“  von Eugen Roth.