Gute Lobby für Hermannstadt

Öffentliche Debatte über Regionalisierungs- und Dezentralisierungsprozess

Bürgermeister Klaus Johannis begrüßte die Teilnehmer an der Debatte. Foto Ovidiu Dancu

Moderiert hat die Regionalisierungsdebatte der Soziologe Vasile Dâncu (r.), zu den Rednern gehörte auch der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ. Foto: Hannelore Baier

Hermannstadt - Im geschichtsträchtigen Gebäude der ASTRA fand am Donnerstag die öffentliche Debatte zum Regionalisierungs- und Dezentralisierungsprozess in Rumänien statt. Für die Verwaltungskreise Hermannstadt/Sibiu und Alba veranstaltet, fehlten die höchsten Repräsentanten aus Alba, gekommen waren nur Vertreter von lokalen Gemeinschaften aus diesem Kreis. Dementsprechend, aber auch dank der guten Argumente der zahlreichen Redner, verwandelte sich die Debatte in eine Lobby zu Gunsten von Hermannstadt.

Nach Hermannstadt sei er nicht gekommen, um es als Verwaltungssitz der Region zu unterstützen, sagte Vizepremier Liviu Dragnea, der Minister für regionale Entwicklung und öffentliche Verwaltung und Initiator des Regionalisierungsvorhabens. Die Entscheidung, wo die Residenz – und nicht Hauptstadt – der künftigen Verwaltungsregion Zentrum sein wird, sei noch nicht gefallen, doch stelle Hermannstadt eine sehr ernste Option dar. Untersucht werden weiterhin Kommunikationswege, Verwaltungsmöglichkeiten und deren lokale Ressourcen usw., um einen Beschluss fassen zu können. Selbst wenn der Regionssitz in Hermannstadt sein sollte, werde dies nicht bedeuten, dass alle Institutionen und Möglichkeiten der künftigen Entwicklung hierher verlagert werden, so Dragnea auf der der Debatte folgenden Pressekonferenz.

Die vom Soziologen Vasile Dâncu moderierte Debatte war für die in der Verwaltung tätigen Fachleute bestimmt, dem Bürger aber müsse klargemacht werden, dass die derzeitige Verwaltungsstruktur des Landes ein Ankurbeln der Entwicklung in den Landgebieten sehr schwer ermögliche, sagte Hermannstadts Bürgermeister Klaus Johannis, der erste stellvertretende Vorsitzende der PNL. Ein zentralisierter Staat hat große Probleme, das gesamte Land zu entwickeln und die große Zahl der Kreise sei ein Hemmnis in der Wirtschaftsentwicklung. Hier bedürfe es der Regionen als Motoren, welche Investitionen und besser bezahlte Arbeitsplätze sichern können, so dass sich die Regionalisierung im Geldsäckel des Bürgers widerspiegeln wird, erklärte Johannis auf der Pressekonferenz. In der Begrüßung der Teilnehmer hatte er Vizepremier Dragnea für die Entschlossenheit, mit der er die Verwaltungsreform vorantreibt, beglückwünscht. Zumal bislang keine der Nach-Wende-Regierungen den Mut gehabt hat, die Administration zu modernisieren, die in der Zeit des Kommunismus und nach dessen Fall mehr schlecht als recht funktioniert hat.

Vizepremier Dragnea stellte das Projekt der Regionalisierung und Dezentralisierung vor und unterstrich dabei, dass die derzeitigen Verwaltungskreise oder gar Gemeinden nicht aufgelöst und auch der Bukarester Zentralismus nicht in die Regionen verlagert werden soll. Geplant sei, dass die derzeitigen Kreishauptstädte Sitze von regionalen Institutionen beherbergen. Die Region soll von einem „Regionsrat“ geleitet werden, in dem jeder Kreis durch gleiche Anzahl von gewählten Repräsentanten vertreten ist und die Regions-Vororte Mittel erhalten, um eine ausgeglichene Entwicklung der gesamten Region zu fördern. Er warnte davor, die Regionalisierung als Allheilmittel für die Probleme in der Verwaltung zu betrachten. Rumänien könne jedoch mit dem derzeitigen Verwaltungssystem jedoch die Entwicklungsunterschiede zwischen den einzelnen Kreisen und innerhalb dieser zwischen Städten und Landgemeinden nicht vermindern, sagte er. Zu den Vorteilen sollen desgleichen die Verminderung des bürokratischen Apparates und eine Vereinfachung in der Verwaltung zählen.

Zu den Rednern der fast vierstündigen Veranstaltung gehörte auch der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ. Er wollte vom Vizepremier wissen, wieviel Prozent der künftigen Struktur- und Kohäsionsfonds die Ministerien und wieviel Prozent die Regionen verwalten werden und sodann welche Maßnahmen zwecks Anwendung des Subsidiaritätsprinzips man zu treffen bereit ist, beispielsweise im Bereich der Verlagerung der Finanzabgaben großer Investoren an die lokalen Behörden. Er teilte Dragnea mit, dass Kabinettskollegen die von ihm geplante Dezentralisierung unglaubwürdig machen und gab als Beispiele das Vorhaben von Energieminister Niţă, die Sitze der Erdgasunternehmen von Mediasch nach Bukarest zu verlagern oder das teilweise Scheitern seiner Gesetzesinitiative, Beschlüsse über das Umwidmen von Immobilien im Erziehungsbereich nicht weiterhin vom Ministerium absegnen lassen zu müssen. Protestiert hat er gegen die Entscheidung der USL-Mehrheit in der Kommission für Verfassungsnovellierung, die Karlsburger Erklärung von 1918 in die neue Verfassung nicht aufnehmen zu wollen.