Hermannstadt - Der Teppich war dreckig, zerfranst, von Mäusen und Motten angefressen. In seinen erbärmlichen Zustand gelangte er durch nicht fachgerechtes Lagern, so Dr. Iulia Mesea. Er stammt aus dem 18. Jahrhundert, ist im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt/Sibiu und war 1914 bei der großen Teppichausstellung in Budapest.
Dass er jahrhundertealten Dreck gesammelt hat, macht ihn besonders wertvoll: Da er in den rund 300 Jahren seiner Existenz noch nie gewaschen worden ist, kann er wichtige Informationen über die Herstellungsweise und Ursprungsmaterialien liefern, so der in Rom lebende Experte und Forscher im Bereich Orientteppiche Stefan Ionescu. Seines Wissens gibt es in der Welt nur noch fünf Exemplare dieses Zwei-Säulen-Typus, der die Verbindung darstellt zwischen den ottomanischen Palastteppichen und den Gebetsteppichen aus dem Knüpfzentrum Gördes, derer es in Siebenbürgen zahlreiche gibt.
Bei einem Besuch in der Restaurierungswerkstatt des Brukenthalmuseums wurde Medienvertretern und damit der Öffentlichkeit gezeigt, wie der Teppich nach dem Waschen aussieht und nun restauriert werden kann. Den Zustand des Teppichs vor dem Waschen beziehungsweise den Wasch- und Trockenvorgang zeigte Dr. Alexandru Sonoc, der Leiter des Museums im Brukenthalpalais, anhand einer PowerPoint Präsentation. Mit dieser Aktion sollte darauf hingewiesen werden, dass das Museum nicht bloß Objekte aus vergangenen Zeiten aufbewahrt und ausstellt, sondern hier auch die langwierige Arbeit durchgeführt wird, um die Spuren der Zeit zu beheben und den Gegenständen zu einem langen Leben zu verhelfen.
Das fachgerechte Waschen und Trocknen des Teppichs erfolgte unter der Leitung des bekannten Orientteppich-Sammlers und Experten Peter Hoffmeister aus Coburg und dessen Tochter Eva Hoffmeister. Stefan Ionescu holte die deutschen Fachleute nach Hermannstadt, um die von ihnen entwickelte Technik vorzuführen. Peter Hoffmeister erklärte, dass zur Wäsche Mittel benutzt werden müssen, die mit dem Schmutz keine Verbindungen eingehen – wie das üblicherweise bei allen Seifen vorkommt – die dann im Wasser nicht mehr löslich sind. In der Werkstatt musste man eine Wanne improvisieren, da das Museum über keine dergleichen Wascheinrichtung verfügt. Bereits vor der Wäsche sollte man die Ränder des zerfransten Stückes sichern, sodass keine Knoten ausgespült werden, sagte Eva Hoffmeister. Die in Heidelberg tätige Fachfrau für Textilrestaurierung erklärte sodann die Möglichkeiten, das Stück zu konservieren: Entweder werden die Fehlstellen hinterlegt, oder man kann das Grundgewebe wieder einfügen, sodass das ursprüngliche Format des Stückes wieder hergestellt ist. Wie das Stich um Stich geschieht, zeigte sie im Labor. Auf die Frage, ob es schwierig sei, meinte sie, nein, aber man braucht viel Geduld.
Die werden nun die Mitarbeiterinnen der Restaurierungswerkstatt Carmen Sotelecan, Simona Stănculescu und Camelia Dordea in den nächsten Monaten aufbringen müssen. Wenn bei der an und für sich „normalen“ Arbeit keine Überraschungen auftreten, könnte das wertvolle Stück über ein Jahr wiederhergestellt sein. Danach kann der Teppich ausgestellt werden.
Orientteppiche aus Siebenbürgen haben in den vergangenen Jahren Furore bei Expositionen in Rom, Istanbul und Berlin gemacht und Ionescu wird demnächst Fachleute aus den USA hierher begleiten, um sie ihnen zu zeigen. Um die wertvollen Originale zu schützen hat er der Kirchenleitung vorgeschlagen, Attrappen auszuhängen.