Temeswar - 1969 haben die beiden einschlägigen Institutionen der Stadt, die Philharmonie und die Oper, das „Musikalische Temeswar” als Festival gegründet mit der erklärten Absicht, die interpretativen Fähigkeiten ihrer Ensembles zu offenbaren, aber auch Spitzensolisten und Ensembles der internationalen Elite dem Temeswarer Publikum zu präsentieren. Das Festival wurde nicht nur emblematisch für die Begastadt, sondern allmählich auch zu einer internationalen musikalischen Tribüne höchster Ansprüche. Zwischenzeitlich haben sich den beiden Initiatoren auch das Musiklyzeum und die Musikfakultät angeschlossen, während die Oper begonnen hat, eigene Wege zu gehen. Trotzdem: das am vergangenen Freitag zum 39. Mal eröffnete „Musikalische Temeswar” bringt wieder einen Frühjahrshauch ins Temeswarer Kunstleben, durch das hohe Niveau der Interpretationen, die Vielfalt des Repertoires und ganz einfach durch Attraktivität.
Die diesjährige Ausgabe begann etwas überraschend bereits Anfang April, aber dafür ist sie diesmal über anderthalb Monate, bis Mitte Mai, geplant. Dabei gibt es nur je fünf aufeinanderfolgende konzertfreie Abende, über Ostern und über den 1. Mai. So kommt es, dass das „Musikalische Temeswar” das Bukarester „Enescu”-Festival nun an zeitlicher Ausdehnung übertrifft. Erfreulich – leider von den Organisatoren übersehen – ist, dass die Festivalperiode auch den 27. April einschließt. Das ist der Tag, an dem 1947 die erste Nachkriegsaufführung des Temeswarer Opernhauses, Verdis „Aida”, das erste Konzert des Philharmonischen Orchesters stattfand und offiziell das Temeswarer Konservatorium eingeweiht wurde. Mich erinnerte allein die Tatsache an das Dreifachereignis, dass, wie damals, im Programm des Inauguralkonzerts vom vergangenen Freitag die Ouvertüre zu den „Meistersingern von Nürnberg” von Richard Wagner aufgenommen war.
Dieses Inauguralkonzert wurde von Gheorghe Costin dirigiert, dem gegenwärtigen Chefdirigenten der Philharmonie „Banatul”. Die Jahre, seitdem er sein Künstlerschicksal an das Temeswarer Ensemble geknüpft hat, dürfen als fruchtbar vom interpretativen und Repertoriumsstandpunkt betrachtet werden. Der Dirigent scheint seinen Auftritt an diesem Abend auf frühere Erarbeitungen aufgebaut zu haben, etwa auf die sehr verinnerlichte „Serenade” von Beethoven, die tumulthafte „Manfred”-Sinfonie von Tschaikowsky und bis zum strahlend-befreienden Ausbruch in der Suite aus dem „Rosenkavalier” von Richard Strauss. Das war eine Steigerung, die alle Konzentration und Hingabe des Orchesters fesselte. Das Orchester ließ sich von Gheorghe Costin durch alle Mäander dieses Werks von Richard Strauss leiten und beim Publikum wurden Interesse und Anerkennung gefesselt. 150 Jahre nach seiner Geburt (2014 ist Richard-Strauss-Jahr) ist Richard Strauss ein bedingungslos bewunderter und geschätzter Komponist – was nicht immer so war.
Bleibt nur zu hoffen, dass für uns die Philharmonie „Banatul” dieses Jubiläumsjahr zum Anlass nimmt, uns mehr aus dem Repertoire dieses lange unterschätzten Komponisten zu bieten. Der zudem, mit seinen Gegensätzen und Spannungen, dem Dirigenten Gheorghe Costin nahesteht, der gerade bei solchen Sequenzen aus dem Orchester alles herauszuholen versteht. Auch die „Meistersinger”-Ouvertüre stand dem nicht nach. (2013 war Richard-Wagner-Jahr, 200 Jahre seit seiner Geburt – und Temeswar hat, für meinen Geschmack, zu wenig zu diesem Jubiläumsjahr beigetragen). Irgendwie hatte man beim Inauguralkonzert trotzdem nachträglich das Gefühl, dass Beethoven und Wagner den durchschlagenden Publikumserfolg der Interpretation der Suite von Richard Strauss vorbereiteten. Trotzdem: an die „Meistersinger” zu erinnern passte perfekt zu einem solchen Inauguralkonzert.
Die Musik von Beethoven, mit welcher das Inauguralkonzert eröffnet wurde, hatte mit ihrem betonten Kammermusikcharakter beim dankbaren Publikum die günstige Hörbereitschaft geschaffen für die imposanten musikalischen Entfaltungen nach der Pause. Die drei Solisten des Dreifachkonzerts für Violine, Cello und Klavier zwangen geradezu diesen Kammermusikcharakter auf, durch die Tonalitäten und die gewählte interpretative Faktur. Wir durften zwei Instrumentalsolistinnen wiederhören, die ihre Grundausbildung in Temeswar genossen haben, Corina Belcea (die gegenwärtig in England ein sehr erfolgreiches Quartett leitet) und Atena Carte, die in der Schweiz am Klavier Karriere macht. Sie warb für diesen Abend aus der Schweiz den Cellisten Antoine Lederlin an. Die drei erwiesen sich als ganz leidlich zusammengeschweißtes Trio, das schöne Perspektiven haben dürfte. Wenn es denn weiter zusammen auftreten sollte.
Der Musikologe, Musikpädagoge und -kritiker Prof. em. Dr. Damian Vulpe wurde 1938 in Reschitza in einer musikbegeisterten Familie geboren und gehört zur nächsten Verwandschaft von Alexander Tietz. Nach Abschluss seines Studiums am Konservatorium in Bukarest war er zuerst Musiklehrer in Arad, um 1961 als Musikpädagoge nach Temeswar überzuwechseln. Er unterrichtete an der Temeswarer Musikfakultät, deren Dekan er acht Jahre lang war. Damian Vulpe ist Mitglied des Verbands der Musikologen und Komponisten Rumäniens und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Er wird ab nun für ADZ/BZ gelegentlich Chroniken zum Temeswarer Musikleben schreiben.