Nach dem Eröffnungskonzert der Ausgabe Nr. 39 des Musikfestivals „Musikalisches Temeswar” stiegen zuerst die Nachwuchskräfte der Stadt ins Musikgeschehen ein, als Erste die Jungmusiker vom Ion-Vidu-Nationalkollegium. Sie brachten ein abwechslungsreiches Programm zu Gehör, mit vielen Instrumentalstücken, und gestalteten letztendlich eine gelungene schulische Musikanhörung, die den Stand ihrer Ausbildung nachwies. Eine Stufe höher – vor allem eine Altersstufe höher – stellte sich das Ensemble Percutissimo vor, das dem in- und ausländischen Publikum bereits ein Begriff ist, vor allem durch die gelungene Mentorenarbeit von Doru Roman. Es präsentierte sich diesmal mit „Pianissimo Summer Dream“, einem Eintauchen der Hörer in die Gegenwartsmusik. Dabei fehlten auch ein paar einheimische Spitzenproduktionen nicht, von Valentin Timaru und Ion Bogdan Ştefănescu.
Es folgte das sogenannte „wöchentliche sinfonische Konzert“, diesmal am Gründonnerstag (nicht am üblichen Freitag), immerhin auch im außerordentlichen Rahmen des Musikfestivals ein Pflicht-Programmpunkt. Das Repertoire umfasste diesmal romantische Stücke, repräsentative Werke von Verdi, Schumann und Brahms, gespielt von Temeswarer Spitzenmusikern. Der Klaviersolist der Philharmonie, Dragoş Mihăilescu, schien mir diesmal allerdings zurückhaltender als gewöhnlich, während Radu Popa am Dirigentenpult seinerseits weniger überzeugend als sonst war.
Der Schweizer Musiker mit rumänischen Wurzeln Nicolae Moldoveanu (er stammt aus dem Raum von Hunedoara, wo er auch seine musikalische Grundausbildung genossen hat, um sie im Ausland zu vervollständigen) dominierte souverän die musikalischen Ereignisse von Temeswar in der Karwoche. Diesmal hatten wir Gelegenheit, ihn auch anders denn als Dirigenten kennenzulernen: als Organist. Man wusste zwar, dass er auch das Orgelspiel studiert hat (und nicht irgendwo, sondern ausgerechnet in der Orgelhochburg Leipzig). Aber sooft er in Temeswar war – nie hat er diese Seite seines Könnens bisher offenbart.
In der Karwoche 2014 spielte er aber an der imponierenden Wegenstein-Orgel der Millenniumskirche in der Fabrikstadt. Das Programm, das er bestritt, machte eine Reverenz vor der französischen Orgelmusik. Er begann mit der Suite du Premier Ton des hierzulange wenig gespielten Pariser Barockkomponisten Luis Nicolas Clerambault. Darauf ließ er den bekannten Choral in a-Moll von César Franck folgen und eine Komposition, die unseren Tagen nähersteht, „Drei Tänze” von Jehan Alain, einem Komponisten und Instrumentalisten, der sich vor dem Zweiten Weltkrieg international durchsetzen konnte. Persönlich fand ich, dass bei diesem Orgelkonzert einige der figurativen Elemente und manche Rhythmen etwas durch die Sicht des Organisten verkünstelt waren oder dass es ihm nicht ganz gelungen ist, das Imponierende dieses Chorals herauszuarbeiten, wohingegen die Variabilität des Timbres und der Harmonie aus den „Drei Tänzen“ hervorragend gestaltet waren.
Zwischen den einzelnen Stücken des Auftritts bemühte sich ein Geistlicher der Millenniumskirche, mit einigen Worten die Bedeutung der Karwoche für die Christen zu unterstreichen, sprach ein Gebet, zitierte ein paar Daten über den Künstler. Eigentlich hätte man erwartet, dass bei diesen Erklärungen auch etwas gesagt wird über die Beziehungen zwischen der Musik und der Karwoche und dem Auferstehungsfest, über die Bedeutung der kirchlichen Musik im Jahreslauf der christlichen Feiern, über Christen und christliche Musik.
Beim sinfonischen Konzert vom Gründonnerstag hatte Konzertmeister Nicolae Manoleanu – diesmal in seiner gewöhnlichen Rolle – für den ersten Teil ebenfalls französische Musik vorgeschlagen: die „Suite pastorale” von Emmanuel Chabrier, einem Komponisten, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt wurde, vor allem durch seine Kompositionen für die Oper – daher auch die leichter zugängliche Musik, die vom Dirigenten Moldoveanu mit viel Saft und Kraft herübergebracht wurde. Hier schien mir Sektion 3 „Sois Bois” am wenigsten interessant. Maurice Ravels Konzert in G-Dur für Klavier und Orchester war der Anlass zur Entfaltung der wahren Dirigentenfähigkeiten des Gastes aus der Schweiz, der alle Tiefen der Bedeutungen der Komposition des französischen Impressionisten auslotete und dabei in der japanischen Klaviersolistin Naoko Anzai eine ebenbürtige Partnerin fand, die erfolgreich den Geist der Komposition mit herausschälte. In Naoko Anzai durfte Temeswar eine Pianistin erleben, deren Klaviertechnik an Vollkommenheit grenzt.
Wolfgang Amadeus Mozarts „Große Messe in c-Moll“ war im zweiten Teil des Konzerts zu hören, wo neben den 50 Orchestermitgliedern auch 60 Choristen der Philharmonie (hervorragend vorbereitet von Iosif Todea) und ein Vokalquartett (Nicoleta Colceiar – nicht in ihrer Höchstform
–, Mihaela Işfan – aus der Hauptstadt angereist –, Remus Alăzăroaie und Lucian Oniţă) auftraten. Dirigent Nicolae Moldoveanu bewies einmal mehr glasklare und souverän-temperamentvolle Übersicht über das vielfältige Großensemble, das er scheinbar mühelos durch alle Klippen steuerte. Er hatte sich für eine Aufführungsvariante entschieden, bei der einige Teile übersprungen wurden, was aber dem Gesamteindruck der Mozartmesse letztendlich kaum geschadet hat.