Mit Klarinette, Gitarre und Kontrabass von der Ostsee bis an das Schwarze Meer gereist

Drei Studentinnen der Lübecker Musikhochschule waren im Balkan und Rumänien unterwegs

Auch in der Johanniskirche Hermannstadt wird nicht alle Tage getanzt. Der Auftritt von „Junaďt“ aus Lübeck schlug vor, es auf serbisch zu versuchen. | Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt - Im fein herausgeputzten Temeswarer Nemesis Art Club mit seiner trotz Backsteingewölbe unangenehm trockenen Akustik, wo sie kur-zerhand Ja zum Verwenden der ortseigenen Verstärkungsanlage sagten, hatten die drei Musikerinnen des Lübecker Ensembles „Junaďt“ anfangs einen merklich hohen Raumwiderstand bei starkem Publikumsmangel zu überwinden, und auch Rumäniens südliches Nachbarland war eine ganze Woche lang zuvor laut ihrem Blog streckenweise nur schwer in der Lage, ihnen gefühlt anders als dem europäischen Ruf nach „extrem unfreundlich“ mitzuspielen. Aber im überfüllten Social Tea House der international beliebten Schwarzmeer-Hafenstadt Varna fanden Lynn Hartfil (Kontrabass), Clara Wigger (Klarinette) und Karoline Kolditz (Gitarre) sich in einer Konzertsituation wieder, die mit der negativ belasteten Reputation Bulgariens, „anscheinend das Berlin des Balkans“ zu sein, deutlich aufräumte, und in der evangelischen Johanniskirche von Hermannstadt/Sibiu am frühen Dienstagabend, dem 21. Mai, dürften sie sich trotz bescheiden kleiner Zuhörerschaft ähnlich wohlgefühlt haben. Ungarisches war zwar nicht dabei, aber dafür trumpfte die östliche Klangreise dreier Studentinnen von der Lübecker Musikhochschule mit Tänzen und Zeilen aus der Türkei, aus Nordmazedonien, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien und gar der Ukraine, wenn man der „Rumeynesher Hora“, die Sommer 2023 in der Hermannstädter Synagoge auch die siebenköpfige Band „Kommuna Lux“ aus Odessa schmissig zum Besten gab, ihren Titel „Odessa Bulgar“ einräumt, wo die wie im Sog mitreißende Melodie kaum andere Zuordnungen verträgt.

Unbedingt zu erwähnen, dass „Junaďt“ weit mehr als nur das laut zu erwartende Schmettern balkanisch-orientalischer Gassenhauer drauf hatte. Die für griffigen Klezmer exzellenten Spaltklänge auf der Klarinette, an denen Clara Wigger ihre helle Freude hatte, das auch in der Lautstärke sehr flexible Gitarre-Begleiten von Karoline Kolditz und die Geschicklichkeit von Kontrabassistin Lynn Hartfil im gelegentlichen Schlagzeug-Nutzen ihres Viersaiters waren zwar nötig für das Konzerterlebnis, jedoch nicht die einzigen Details, mit der die Gäste am vielversprechenden Karriere-Start aus Schleswig-Holstein zu überzeugen wussten. Ihr zauberhaftes Beherrschen der leisesten bis fast gar nicht mehr hörbaren Klänge während Passagen stärkst heruntergefahrener Spielgeschwindigkeit gab nachdrücklich zu denken, dass der gern exzentrisch laut von sich reden machende Balkan nichtsdestotrotz auch eine kulturell beispielhaft tiefgründige Region bedeutet. Gitarristin Karoline Kolditz hatte es nicht schwer, Hermannstadts Zuhörer einige Male zum rhythmischen Klatschen zu animieren, und schaffte es auch, die gut zwei Dutzend Personen von Jung bis Alt für einen serbischen Rundtanz in einfacher Schritt-Folge aufstehen zu machen. Nur zu Konzertbeginn war es „Junaďt“ wichtig gewesen, vom Publikum nicht mit dem klassisch gängigen Applaus begrüßt zu werden, um klanglich stufenlos in den Abend einsteigen zu können. Ihren Johanniskirche-Auftritt beendeten sie mit je einer Improvisation auf das deutsche Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“ und die Takte der vier plattdeutschen Strophen zur norddeutschen Gedichtüberschrift „Dat du min Leevsten büst“. Den vollen Gehalt nämlich ihrer südosteuropäischen und Balkan-Reise schöpften Clara Wigger, Karoline Kolditz und Lynn Harftil Sonntag, am 2. Juni, in der Lübecker Altstadt aus.