Temeswar (ADZ) – Der 2006 als erster türkischer Schriftsteller mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Orhan Pamuk ist Anfang nächster Woche Gast der Temeswarer West-Universität. Der Besuch des international anerkannten Pamuk, dessen Werk in mittlerweile 40 Sprachen übersetzt und in mehr als 100 Ländern veröffentlicht wurde, zählt zu den Highlights des Temeswarer Kulturhauptstadt-Jahres und folgt auf jenen des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk, der Mitte Februar ebenfalls Gast der West-Universität gewesen ist.
Am kommenden Montag um 19.30 Uhr soll Pamuk an einem vom rumänischen Schriftsteller Radu Paraschivescu moderierten Gespräch teilnehmen. Der türkische Literaturstar soll seine Vision über Kultur und Literatur im Grenzraum zwischen Orient und Okzident erläutern, steht in der Pressemitteilung der West-Universität. Der Dialog zwischen Pamuk und Paraschivescu findet in der Aula Magna im Hauptgebäude der Uni statt. Ebenfalls dort soll am da-rauffolgenden Tag dem türkischen Gast die Ehrendoktorwürde der West-Universität verliehen werden. Hierbei handele es sich um eine für den rumänischen Kulturraum einzigartige Feierlichkeit. Der Eintritt erfolgt nur nach vorangegangener Anmeldung und Bestätigung durch die Veranstalter. Pamuks Besuch gehört zur Eventreihe „La UVT, Cultura este Capitală!“, einem von der West-Universität verantworteten Teil-Programm des Kulturhauptstadt-Jahres. Die Finanzierung erfolgt über das Projektezentrum der Stadt Temeswar, den Temescher Kreisrat und mehrere Privatsponsoren.
Pamuks Werke reflektieren das Identitätsproblem der seit osmanischen Zeiten zwischen Orient und Okzident hin- und hergerissenen türkischen Gesellschaft. Er thematisiert dabei insge-samt das Verhältnis zwischen diesen beiden Kulturräumen und behandelt universale Themen wie das Verhältnis von Christentum und Islam oder Moderne und Tradition. Er, so hieß es in der Begründung der 2005 erfolgten Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, gehe wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nach. Er sei einem Begriff von Kultur verpflichtet, der ganz auf Wissen und Respekt vor dem anderen gründe.
Istanbul als Stadt mit einer 2000-jährigen Geschichte genau an der Grenze zwischen den beiden Sphären ist der ideale Kristallisationspunkt für diese Thematik. Räumlich ist die Handlung der meisten Romane Pamuks in Istanbul bzw. der näheren und weiteren Umgebung der Stadt angesiedelt. In den Romanen „Rot ist mein Name“ (1998) und „Die weiße Festung“ (1985) greift Pamuk auf historische Stoffe aus der Zeit des Osmanischen Reichs im 16. Jahrhundert zurück. Die frühen Romane „Cevdet und seine Söhne“ (1982) und „Das stille Haus“ (1983) haben die Entwicklung der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Hintergrund, während die Handlung von „Das schwarze Buch (1990), das Pamuk den internationalen Durchbruch bescherte, und „Das neue Leben“ (1994) in der Gegenwart angesiedelt ist. Unabhängig von der Handlungszeit thematisieren aber alle Romane Pamuks das kontroverse und konfliktreiche Verhältnis von islamischen, osmanischen bzw. persischen Traditionen und den Anforderungen der Gegenwart und modernen Entwicklungen, die meist im europäischen Westen ihren Ursprung haben.
Der 1952 in Istanbul geborene Pamuk bezieht häufig zu kontroversen gesellschaftlichen und politischen Themen in der Türkei und Europa Stellung. Immer wieder wurde er von türkischen Nationalisten für seine Positionen angefeindet, zum Beispiel für die Verurteilung des Massenmords an den Armeniern oder den Verbrechen gegen die Kurden.