Waffen und Frieden im Brennpunkt am unabhängigen „Reactor“

Freischaffende laden zu einer Komödie und einer Choreografie ein

Eine Schlüsselszene der Komödie „Oameni și arme“ von Regisseur David Schwartz und mit einem Schauspielteam des Klausenburger „Reactor“ betreffend die Waffen-Fabrik in Cugir. Foto: Roland Váczi

Klausenburg – Sein Zuschauerraum ist klein und fasst nur 60 bis allenfalls 80 Personen, doch thematisch fährt das unabhängige und bald nach seinem Gründungsjahr 2014 fest etablierte Theater „Reactor de Creație și Experiment“ in Klausenburg/Cluj-Napoca einen großen Kurs, der auch heikle Fragen der Europa-Politik vor dem Kontext einer schwierigen Weltlage nicht ausspart. Die neue Komödie „Oameni și arme“ vom freischaffenden Regisseur David Schwartz sowie fünf Akteurinnen und Akteuren des hauseigenen Teams von „Reactor“ über die lange Geschichte und den Alltag der Waffen-Fabrik im südwestsiebenbürgischen Cugir wurde Ende September uraufgeführt und ist erwartungsgemäß bis auf Weiteres aktuell noch nicht wieder aus dem Spielplan der freien Kulturstätte an Nummer 4 in der Petöfi-Sandor-Straße wegzudenken. Samstag, am 25. November, und Sonntag, am 26. November, offerieren Maria Morar, Oana Rotaru, Alexandra Harapu, Tavi Voina und der auch als Co-Manager am unabhängigen Haus mitbeteiligte Schauspieler Doru Taloș um jeweils 20 Uhr zwei weitere Vorstellungen des etwa 90 Minuten Zeit erfordernden Dreh- und Textbuches. Es wirbt nicht für das Streichen der Waffen-Industrie, nimmt aber die Motivation dazu satirisch in die Kritik und macht keinen Hehl aus der politisch linken Orientierung von Autor David Schwartz, der 1985 am Rand des Bukarester Viertels Berceni in eine rumänisch-jüdische Familie hineingeboren wurde und als Theatermacher für seine Vorliebe zu sozial pikanten Fragestellungen bekannt ist. Das Recherchieren für den Stoff von „Oameni și arme“ vor Ort in Cugir hat er gemeinsam mit Tavi Voina (Jahrgang 1995) unternommen, der persönlich auch aus derselben Kleinstadt stammt. Die Verwendung von 80 Prozent der Statements ehemaliger und aktiver Fabrik-Angestellter hat den flüssigen Text, einige Songs und die nicht unschlüssige Regie einer Komödie entstehen lassen, die nicht nur das nationalsozialistische Regime Deutschlands und das tief kommunistische Regime Sowjet-Russlands, sondern gleichermaßen auch die Gewaltbereitschaft der NATO in Verflechtung mit dem nicht weniger streitbaren Konzept deindustrialisierter Volkswirtschaft aufs Korn nimmt. „Oameni și arme“ ist kürzlich auch am Gong-Theater in Hermannstadt/Sibiu aufgeführt worden und Zuschauern ab 15 Jahren vorbehalten. David Schwartz hat damit ein Theaterstück geschaffen, das etliche klassische Tricks einschließlich der Verfremdung nach Muster von Bertolt Brecht berücksichtigt. Ein ausführlicher Artikel zu Stoff und Inszenierung erscheint auf der Jugendseite der ADZ von Mittwoch, dem 29. November.
Oppositionell in den europa- und weltpolitisch führenden Diskurs hinein spielt am Dienstagabend, dem 28. November, um 20 Uhr im Klausenburger „Reactor“ auch die Gastvorstellung des ersten Teils der Trilogie „ENNEMI“ vom Ensemble „ZONE – poème“ aus dem französischen Lille, die der menschlich verständlichen Neigung zu Aufrichtung und Aufrecht-Erhaltung von Feindbildern zwar nicht widerspricht, aber dazu ermutigen möchte, trotz vergangener und aktueller Konflikte auf europäischem Terrain aus kriegsbedingten Traumata herauszufinden. Kulisse des eröffnenden von drei Teilen der choreografisch, tänzerisch und gänzlich wortlos zu spielenden Reihe „ENNEMI“ sind das ehemalige Jugoslawien und der Balkan, auf dessen von Gewalt gezeichnete Vergangenheit der jüngsten 30 Jahre Mélodie Lasselin und Léa Pérat als Tänzerinnen dank Ideen von Simon Capelle mit ihrer Vorstellung „une conférence pour la paix“ reagieren, die eine knappe Stunde dauert und Zuschauern ab 16 Jahren empfohlen ist. Tickets für das politisch freie Theater und Kulturzentrum „Reactor de Creație și Experiment“ in Klausenburg, das internationale Gastvorstellungen tariflich nicht teurer einstuft, stehen auf dem Eintrittskarten-Portal eventbook.ro zur Verfügung. „Von Erfolg als Kriterium hat eine gewissenhafte Untersuchung der Macht völlig abzusehen“, kommentierte Nobel-Literaturpreisträger Elias Canetti (1981) in seinem philosophischen Hauptwerk „Masse und Macht“: „Ihre Eigenschaften wie ihre Auswüchse müssen von überall her sorgfältig zusammengetragen und verglichen werden.“