„Es gibt nie genug Bücher, Vorträge oder Events über Bukarest“, schwärmt Aurora Fabritius und setzt gleich noch eins obendrauf: die Konferenzdebatte „Bukarest – Gestern. Heute. Morgen“, die im Kulturhaus Friedrich Schiller am 22. Mai stattfand, mit Präsentation und Fotoausstellung über die historische Hauptstadt. Auch die Namen der Vortragenden sind fest mit Bukarest verknüpft: Adrian Majuru, frischgebackener Direktor des Bukarester Stadtmuseums, und die Kunsthistorikerin Oana Marinache. Doch diesmal sind es nicht wissenschaftliche Fakten, die im Vordergrund des Abends stehen, sondern fotografische Impressionen einer paradoxen Weltstadt mit orientalischem Flair, einem Amalgam an Einwohnern aller Ethnien, pulsierendem Leben und geschäftlichem Treiben, aus dem dennoch das Dörfliche aus allen Ecken und Nischen atmete. „Kontraste, die nicht verkomplizieren, sondern den Charme von Bukarest ausmachten“, kommentiert Majuru. Über die Leinwand huschen Bilder. 1890: Vor der Bukarester Uni grast seelenruhig ein Büffel.
Dann die modernen Gebäude aus der Zwischenkriegszeit – beheizt mit Holz. Ein Schild „Cuţitărie, tocilărie mecanică“ (Messerschleiferei) zeugt von der Allgegenwärtigkeit längst verschwundener Berufe. Zwischen Wohnblocks wächst der Mais empor und eine Ziegenherde trappelt wie selbstverständlich durch die Gasse. In der Dâmboviţa baden Männer, Frauen, Kinder – gemeinsam mit Tieren – nackt, ohne Scham und Scheu, direkt nebeneinander. Die Cotroceni Chaussee ist noch nicht asphaltiert; Pferdekutschen wirbeln den Staub auf und hinterlassen würzige, dampfende Rossäpfel. Ochsengespanne schaffen Baumaterialien für die neu entstehenden Blocks herbei. Das Wasser schöpfte man aus Brunnen, Kanalisation sollte noch lange ein Fremdwort bleiben. An allen Ecken prallen archaisches Dorfleben und dekadente Elegance, fliegender Straßenhandel und prachtvolle Bojarenhäuser, durch dicke Mauern vom bunten Treiben abgeschottet, geräuschvoll aufeinander. Das Dorf in der Stadt erstickt die aufkeimende Urbanisation. „Rurbanisation“ spottet Majuru.
Als Kontrast zum dörflichen Bukarest präsentierte Oana Marinache die wechselvolle Baugeschichte des herrschaftlichen Stirbei-Palais auf der Calea Victoriei. Die musikalische Untermalung dieser Zeitreise in die Vergangenheit bestritt der Violinist Cristian Balaş. Erst der Großstadtlärm holt uns langsam aber sicher in eine Gegenwart zurück, in der nur noch der geübte Beobachter Dörfliches ausmachen kann. Kein Büffel mehr vor der Uni – schade, eigentlich.