Abenteuerliche Präsidentschaftswahlen


Der Anspruch, von seinem Wahlrecht im Ausland Gebrauch zu machen, kann einem unter Umständen große Entschlossenheit und viel Beharrlichkeit abverlangen. Am 4. Mai dieses Jahres, dem Tag des ersten Wahlgangs für die Präsidentschaftswahl in Rumänien, hielt ich mich gerade in Hamburg auf. Schon Monate davor hatte ich mir die beiden Wahllokale in dieser Stadt von der offiziellen Internetseite des Außenministeriums herausgeschrieben, drei Tage vor der Wahl habe ich noch einmal überprüft, ob diese Angaben noch stimmen. Das war der Fall und trotzdem stand ich am frühen Nachmittag des Wahltags vor einer verschlossenen Tür, kein Mensch weit und breit. Immerhin informierte ein Anschlag, dass das betreffende Lokal bedauerlicherweise geschlossen war, verwies aber auf zwei weitere Wahlmöglichkeiten, in entfernten Stadtteilen gelegen. Während ich noch versuchte, mich per Mobiltelefon kundig zu machen, wie ich ins nächste Wahllokal gelangen könnte, kam zielstrebig eine etwa 35-jährige Frau herbei, die ebenso enttäuscht war wie ich, dass die Türe verschlossen war.
Nach kurzem Überlegen sagte sie, ihre Schwester sei mit dem Wagen in der Nähe und sie könnten mich zum nächsten Wahllokal mitnehmen. Das nahm ich dankend an und die Schwester bot mir freundlicherweise den Beifahrersitz an. Auf der Hinterbank drängten sich ein älteres Ehepaar und meine ursprüngliche Bekanntschaft. Die ältere Frau berichtete, dass sie ihren Mann aus dem Krankenhaus geholt habe, obwohl das eigentlich nicht gestattet sei, er hätte nur eine Hose über seinen Schlafanzug gezogen und sei in Pantoffeln geschlüpft, um nur ja die Wahl nicht zu verpassen.

Ich hätte mich sicherlich schon für einen Präsidentschaftskandidaten entschieden, tastete sich die Fahrerin an das heiße Thema heran, das uns alle beschäftigte. Ich bejahte die Frage. In Rumänien müsse eine Änderung stattfinden, sagte sie, es ginge nicht an, dass die Menschen weiterhin unter der verbreiteten Armut litten, dass die Kinder verhungern, dass die verallgemeinerte Korruption zu diesen Missständen führt. Das Land hätte sich nicht weiterentwickelt, der Beitritt zur EU hätte nichts gebracht. Ich versuchte dagegen zu steuern, es hätte doch viele positive Veränderungen gegeben, die durch die EU-Mitgliedschaft und EU-Gelder ermöglicht wurden, es sei viel gebaut worden, auch die Straßeninfrastruktur und die medizinische Betreuung hätten sich verbessert, Jugendliche hätten eine größere Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten.

Das alles ließen meine Mitfahrer nicht gelten. Ich saß in einem AUR-Nest. Am wortgewaltigsten äußerte sich die Fahrerin. Sie lebte schon 30 Jahre lang in Deutschland und beschäftigte sich nach eigenen Aussagen „mit den Knochen, in der Orthopädie“. Sie war die Einzige im Wagen, die auch etwas Deutsch sprach, wie ich während des rumänisch geführten Gesprächs bemerken konnte, alle anderen konnten nur Rumänisch, obwohl sie auch schon seit gut 15 Jahren in Deutschland waren. Etwas Besonderes war, dass die Fahrerin ein muslimisches Kopftuch trug. Ob das mit ihrer Ehe zusammenhänge, fragte ich. Nein, sie sei ganz selbstständig zu diesem Glauben übergetreten. Der orthodoxe Glaube habe ihr nichts bedeutet, in der Bibel habe sie nie gelesen, aber jetzt fühle sie sich in der islamischen Religion gut aufgehoben.

„Sie sehen, ich trage ein muslimisches Kopftuch, ich darf also keinen Alkohol trinken. Wenn aber George Simion gewinnt, dann kaufe ich zwei Kisten Bier und Mici und ich grille für die ganze Nachbarschaft. Das muss ordentlich gefeiert werden.“

„Aber die bisher und in den vergangenen Jahren an der Regierung waren und das Sagen hatten, die müsste man alle töten“, schlug die ältere Frau auf der Hinterbank vor.

„Nicht töten, sondern zu Tode quälen. Mit Benzin übergießen und anzünden“, bekräftigte die Muslimin. Dieser aufflammende Hass, die Bereitschaft dieser Menschen, zu Mördern zu werden, erfüllte mich mit blankem Entsetzen.

Mir gegenüber haben sie sich entgegenkommend verhalten, obwohl sie wussten, dass ich ihre Ansichten nicht teile. Die Wahl in dem neuen Lokal verlief wie am Schnürchen, in einigen Minuten war alles erledigt.