Ein Botschafter wird zum Mauerblümchen

Wie die EU-Mitglieder Rumänien und die Niederlande die diplomatischen Klingen kreuzen

Symbolfoto: sxc.hu

Die Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern Niederlande und Rumänien werden immer heftiger. Der Grund: Rumänien möchte Mitglied der sogenannten Schengen-Staaten werden, die untereinander die Grenzkontrollen abgeschafft haben. Die Niederlande sprechen sich allerdings bis zum heutigen Tag dagegen aus – und blockieren somit die Aufnahme Rumäniens. In Bukarest revanchieren sich die regierenden Politiker dafür auf ihre Weise: Vor Monaten bereits wurden unter fadenscheinigen Argumenten niederländische Blumentransporter an der rumänisch-ungarischen Grenze festgehalten. Und nun wird bekannt: Rumänien weigert sich, den neuen niederländischen Botschafter zu akkreditieren. Und damit, heißt es suffisant in den rumänischen Medien, seien die Niederlande eigentlich gar nicht mehr diplomatisch in Rumänien vertreten. Über einen bizarren internationalen Streit und einige seiner Ursachen.

Die Strada Protopop George Popovici – Temeswar scheint eine richtige Manie zu haben, Straßen nach Protopopen zu benennen – gilt als ruhige Wohngegend, gleich hinter dem Kinderkrankenhaus „Victor Babeş“ gelegen. Ab und an ein bellender Hund, kaum Autos. Auffällig das Gebäude mit der Hausnummer 12: Eine gelbe Villa mit zwei gelb-goldenen Löwen in der Mitte – das Wappen der Niederlande.

Staatspräsident ist ziemlich beschäftigt

„Das hier ist das niederländische Honorarkonsulat. Es wurde im Jahr 2002 eröffnet. Und der Honorarkonsul und sein Team bringen hier einiges auf den Weg: Wenn niederländische Bürger irgendwelche Probleme haben, wird ihnen hier geholfen. Und sie organisieren Feiern zu nationalen Anlässen, wie dem niederländischen Nationalfeiertag oder dem Tag der niederländischen Königin.“

Der Niederländer Victor van Duesburg, ein stämmiger, selbstbewusster Mittvierziger, arbeitet und lebt als Geschäftsmann seit über 12 Jahren in Rumänien. Für ihn ist das Honorarkonsulat ein Ausdruck guter Zusammenarbeit zwischen seinem Heimatland und Rumänien. Doch wenn er sich an die Ereignisse der vergangenen Tage erinnert, kommen ihm an dieser ‘guten Zusammenarbeit’ Zweifel auf: „Der rumänische Premierminister Mihai Răzvan Ungureanu hat alle Botschafter, die in Bukarest akkreditiert sind, zu einem Empfang geladen. Und stellen Sie sich vor: Ausgerechnet der niederländische Vertreter wurde in seiner Eigenschaft als Botschafter nicht offiziell eingeladen. Der Grund: Sein Akkreditierungsschreiben wurde bislang von der rumänischen Seite nicht entgegengenommen.“

Damit spricht Victor van Duesburg einen Vorgang an, der die Schlagzeilen sowohl in Rumänien als auch in den Niederlanden beherrscht: Ende vergangenen Jahres entsandten die Niederlande mit dem Diplomaten Matthijs van Bonzel turnusgemäß einen neuen Botschafter nach Bukarest. Wie es die diplomatischen Spielregeln verlangen, bat van Bonzel um einen Termin beim rumänischen Staatspräsidenten Traian Băsescu, um sein Akkreditierungsschreiben zu überreichen. Doch das rumänische Staatsoberhaupt ließ bislang mehr als drei Monate verstreichen, ohne den Diplomaten aus den Niederlanden zu empfangen. 

Offizielle Begründung: Der rumänische Präsident sei derzeit ziemlich beschäftigt und habe keine Zeit. Heftiger hätte die Brüskierung des neuen Botschafters kaum ausfallen können. Und dass der Terminkalender des rumänischen Präsidenten derart randvoll ist, glaubt niemand. Hier ist für jedermann offenkundig: Das Ganze ist eine Retourkutsche dafür, dass die Niederlande zum wiederholten Mal ihr Veto gegen den Beitritt Rumäniens zur Schengen-Zone eingelegt haben. Das empfinden wiederum die meisten Bürger Rumäniens als Brüskierung.

Zu ihnen gehört der DFDR-Parlamentsabgeordnete Ovidiu Ganţ: „Ich selbst bin beleidigt durch diese Behandlung seitens der Niederlande, als Vertreter meiner Wählerschaft, weil diese Leute nichts verbrochen haben – ganz im Gegenteil. Und diese ehrlichen, korrekten rumänischen Bürger leiden unter einer zweifelhaften, politischen Entscheidung irgendeiner Partei im fernen Holland. Demgegenüber ist die Frage betreffend des Botschafters eher belanglos.“

Die lange Hand des Geert Wilders

Dabei hegt der Abgeordnete einen bösen Verdacht: Er glaubt, dass dieses Veto aus Den Haag dem Druck der als rechtsextrem geltenden niederländischen Partij vor de Vrijheid und deren umstrittenen Vorsitzenden Geert Wilders geschuldet ist. Die nämlich toleriert die christdemokratisch-liberale Minderheitsregierung und hat damit große politische Macht. Und diese Macht reiche offensichtlich bis zum außenpolitischen Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens. Ovidiu Ganţ: „Meines Erachtens ist das Vorgehen der Niederlande nicht korrekt gegenüber Rumänien. Ich finde, dass wir Gefangene einer rechtsextremen Partei sind. Wenn in einem Mitgliedsstaat eine rechtsextreme Partei in einen Koalitionsvertrag irgendetwas hineinschreibt und das von den Mitgliedstaaten akzeptiert wird, dann steht Europa sehr schlecht da.“

Auch der in Rumänien lebende Niederländer Victor van Duesburg gibt zu, dass die rechtsextreme Partij vor de Vrijheid politischen Druck gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens macht. Nur: Ausschlaggebend sei dies nicht gewesen. „Die kritische Position gegenüber Rumänien haben die Niederlande schon weit vor den letzten Parlamentswahlen eingenommen, nämlich bereits vor dem EU-Beitritt Rumäniens. Schon damals waren wir skeptisch. Unser großer Kritikpunkt: Die immer noch wuchernde Korruption in Rumänien. Und das ist keine Erfindung ausschließlich der Niederlande. Erst vor Kurzem gab es eine große Dokumentation auf dem rumänischen Fernsehsender Antena 3. Und da ging es um die Verbesserungen an den rumänischen Außengrenzen. Aber die schockierende Botschaft der Sendung war: Die Korruption als solche ist keineswegs zurückgegangen. Ok, der einfache Zollbeamte, der immer mal wieder die Hand aufhält, um ein Auge zuzudrücken – den gibt es nicht mehr so häufig. Aber: Nach diesem Bericht spielt sich die Korruption in den oberen Hierarchieebenen von Zoll und Grenzschutz ab, und im Beziehungsgeflecht mit der Justiz.“ 

Unterscheidet sich Wilders von Haider?

Und so lange sich daran nichts ändere, werden die Niederlande dem Schengen-Beitritt Rumäniens nicht zustimmen. Maßgeblich sei das Urteil der EU-Inspektoren, die Rumänien alle sechs Monate auf Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung hin abklopfen. Erst wenn das Urteil zweimal hintereinander positiv ausfalle, werden die Niederlande ihre Blockadehaltung aufgeben – und sich durch die Weigerung, den neuen Botschafter zu akkreditieren, nicht unter Druck setzen lassen.

„Die Niederlande sind sehr, sehr hartnäckig in solchen Fragen. Die Niederlande haben zum Beispiel Serbien über Jahre hinweg blockiert, weil dessen Regierung nicht mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen zusammengearbeitet hat. Wir sind kein Land, das sich so einfach unter Druck setzen lässt.“

Der Parlamentsabgeordnete Ovidiu Ganţ bleibt dagegen bei seiner Meinung: Das niederländische Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens gehe auf den Druck einer rechtsextremen Partei zurück. Und das sei ein Skandal erster Güte, den sich ein vereintes Europa eigentlich nicht leisten könne: „Bringen wir doch in Erinnerung, was mit Jörg Haider passiert ist, mit seinen rechtspopulistischen Thesen damals. Die Reaktion gegen Österreich war sehr prompt. Heutzutage steht sie gegen Holland aus. Ich frage mich, weswegen. Ist das eine andere Situation mit dieser Partei aus Holland als damals mit Haider? Ich glaube nicht!“