„Ich bin schon ein Pflänzchen von hier“

Interview mit Angelika Sara Beer, Pfarrerin in Malmkrog

Angelika Sara Beer vor der Malmkroger Kirche Fotos: Veronika Zwing

Das alte Schulgebäude von Malmkrog ist auf der Suche nach Presonen, die das leerstehende Gebäude wieder beleben.

Das alte Schulgebäude von Malmkrog ist auf der Suche nach Presonen, die das leerstehende Gebäude wieder beleben.

Ein Detail der Fresken, die Decke und Wände der Kirche schmücken: Das Jesuskind wird bereits auf die Erde geschickt, während unten der Erzengel Gabriel Maria über ihre Empfängnis unterrichtet.

Angelika Sara Beer ist Pfarrerin in Malmkrog/M˛lâncrav im Kreis Hermannstadt/Sibiu. 1982 in eine Landlerfamilie in Hermannstadt hineingeboren, ist sie als Kind mit ihrer Familie zu Beginn der 90er Jahre nach Deutschland ausgewandert, um für ihr Vikariat wieder zurück nach Rumänien zu kommen – und zu bleiben: Im April 2022 wurde sie in der Kirche von Malmkrog als Pfarrerin ordiniert und betreut nun elf Gemeinden in der Region. Im Juni erzählte sie ADZ-Redakteurin Veronika Zwing im idyllischen Kirchhof von Malmkrog von ihrer Arbeit. 

Frau Beer, wie sind Sie nach Malmkrog gekommen?

Die Kirchenleitung hat mich geschickt! (lacht) Also, nicht gegen meinen Willen: Ich habe vorher „Ja“ gesagt, ich wollte ja Pfarrerin in Rumänien sein. Ich bin 1982 in Hermannstadt geboren und in einer Landlerfamilie in Rumänien aufgewachsen. Eine sächsische Großmutter hatte ich auch – aber ich bin mit mit dem Landlerischen aufgewachsen, Sächsisch kannte ich nur vom Hören. Meine Vorfahren wurden vor knapp 300 Jahren aus Österreich hierher verpflanzt, weil sie nicht „rekatholisierbar“ waren. Und so bin ich hier aufgewachsen, bis ich neun Jahre alt war. Dann, im Juli 1991, jetzt um die Zeit vor 32 Jahren, sind wir nach Deutschland gezogen: Ich, meine Eltern, meine jüngeren Geschwister – und die sächsische Großmutter, die haben wir auch mitgenommen. Bis zum Abitur war ich dann in Augsburg, und danach war ich in der Nähe von Berlin und in Berlin. Da habe ich studiert, zuerst Theologie und danach noch Religions- und Kulturwissenschaften. 

Wie kam’s, dass Sie Theologie studiert haben?

Eigentlich, um Journalistin zu werden. Ich wollte zuerst in Bamberg Germanistik mit Schwerpunkt Journalistik studieren. Dafür musste man vorher ein halbes Jahr Praktikum machen, und dabei haben mir die Leute gesagt: Du musst nicht Germanistik studieren, um Journalistin zu werden – es ist besser, dass du in einem Bereich eine Fachkompetenz hast. Studier doch irgendein Fach, das dich interessiert!

Da dachte ich mir, mich interessiert Theologie von der Bandbreite her am ehesten. Der Plan war, danach eine Journalistenschule zu machen, aber stattdessen habe ich noch einen zweiten Master gemacht, Religions- und Kulturwissenschaften, und dann in verschiedenen Projekten gearbeitet, wo es um Kirche und Kultur ging. Ich habe auch gerne Gottesdienste mitgestaltet, aber das Pfarramt war nichts für mich, dachte ich – da ist man doch immer nur in seinem Kircheneinheitsbrei.

Aber dann haben Sie Ihre Meinung geändert?

Ich bin seit 2012 jedes Jahr mindestens einmal in Siebenbürgen gewesen. Manchmal habe ich auch hier bei Gottesdiensten mitgewirkt und fand das schön. Und ich hab dann gedacht: Vielleicht versuch ich es doch mit der Kirche. Wenn ich dann merke, das ist nichts für mich, dann hab ich es wenigstens versucht. 

Dann überlegt man – in welcher Landeskirche mach ich das? Und mein Eindruck war, dass ich nur in einen geistlichen Dienst gehen kann – der ja nicht so ein 9-to-5-Job ist –, wenn ich wo weiß, ich habe auch wirklich Kraftquellen für mich. Und ich wusste, hier sind das einfach das Land und die Leute. Und das gibt mir was. Zum Beispiel: Vor drei Tagen bin ich in der Früh von Hermannstadt hergefahren und hab noch getankt. Ich war noch nicht so ganz wach und bin also rein in die Tankstelle und hab gesagt – Na, die 1 bitte. Aber die Frau hat mich angeschaut und erstmal ganz ruhig gesagt: Bun˛ diminea]a. Und ich dachte – stimmt, sie hat recht! Guten Morgen erstmal!

Und für solche Kleinigkeiten liebe ich die Menschen hier einfach. Wenn man selber so ein bisschen neben der Spur steht, dass die einen dann wieder sehr freundlich und höflich einordnen. Der Umgang miteinander, finde ich, tut meiner Seele gut. Natürlich gibt es auch hier Herausforderungen, dies und das, keine Frage. Aber es gibt eben auch vieles, was mir was gibt. Und dann habe ich gesagt, na gut, dann klopfe ich mal hier an und schaue mal, was möglich ist. 

Und es war dann was möglich, oder?

Ja – der Bischof hatte zwei Ideen, wo ich das Vikariat machen könnte, und der Pfarrer von Neppendorf (der kannte mich eben schon, wir hatten auch schon gemeinsam Gottesdienste gemacht), der hat gesagt – Ja, ich könne bei ihnen Vikariat machen. Und dann habe ich das da gemacht. Es war wirklich ein Experiment, es hätte auch nach hinten losgehen können. 
Aber ich dachte wirklich nach ein paar Monaten schon: Hier bleibe ich. Und dann kam Corona und ich musste sowieso bleiben, und habe auch relativ schnell gemerkt: Ich vermisse irgendwie gar nichts. Wenn ich in Berlin war, habe ich was von hier vermisst – aber umgekehrt nicht.

Hat von Anfang an alles geklappt, oder gab es Probleme? 

Also, zuerst hatte ich schon den Eindruck, es wartet hier keiner auf mich. Weil auch das Verhältnis der Hiergebliebenen zu den Ausgewanderten nicht immer ein einfaches ist, oder zum Teil auch wirklich belastet. Es ist nicht mehr so schlimm wie es mal war, aber subkutan schon noch ein bisschen. 

Man bewegt sich zum Teil auf dünnem Eis. Wenn ich Deutsch rede, rede ich so ein furchtbar langweiliges Hochdeutsch, weil ich mich assimiliert habe in Deutschland, weil ich im Schulbus „Ausländerin“ genannt wurde und das nicht mehr hören wollte – also habe ich kein Landlerisch mehr gesprochen. Und eben deshalb wurde ich wiederum hier als „Fremde“ wahrgenommen. Klar, ich war 28 Jahre lang in Deutschland und das prägt ja auch, und ich bin auch froh über alle Erfahrungen und alles, was ich dort gelernt und mitgenommen habe – aber ich bin schon, sagen wir, ein Pflänzchen von hier. 

Und das merken die Leuten, wenn sie mich Rumänisch reden hören. Când eu vorbesc român˛, dann rollt das R! Ein Kollege sagte mal zu mir – Sag doch mal ro{ii proaspete! Weil der glaubte mir nicht. Also sagte ich „ro{ii proaspete“, und er sagte – Ah ja, du bist von hier. Das ist eine von uns, die spricht dasselbe Rumänisch wie wir!

Und so sind Sie dann hier geblieben? 

Ja – dann kam das Ende meines Vikariats, und dann ist es so üblich, auch in deutschen Landeskirchen, dass man an die erste Stelle entsendet wird. Also, die Kirchenleitung sagt: Pass auf, die oder die Stelle könnten wir uns vorstellen, kannst du dir das auch vorstellen? Und ich habe gesagt – gut, dann probiere ich es mal in Malmkrog. 

Ich bin hergekommen, habe mich hier vorgestellt, auch dem Kirchenrat, und die hatten auch keine Einwände. Und dann wurde ich hier am 2. April im letzten Jahr ordiniert und der Gemeinde präsentiert. Oder den Gemeinden, weil ich habe ja neben Malmkrog noch zehn Orte. Nicht in jedem ist regelmäßig Gottesdienst, manchmal gibt es auch Gottesdienste, wo Leute aus mehreren Orten hinkommen, aber ich habe doch jeden Sonntag zwei oder drei Gottesdienste. Und, naja, das ist schon was! Ich fahre viel, also ich sage immer, ich bin eigentlich ordinierte Fahrerin!

Was gefällt Ihnen an Malmkrog?

Ich finde das super spannend, die Mischung von lebendigem Dorf und wie Touristen aus der ganzen Welt hierher kommen. Hier verlerne mein Englisch sicher nicht! Und auch sonst lerne ich viel von diesen Leuten aus der ganzen Welt – wie ich zum Beispiel an Ostern mit irgendeinem Engländer „Tochter Zion, freue dich“ gesungen habe, weil er gesagt hat, in England sei das kein Weihnachtslied, sondern ein Osterlied?! Ich habe gesagt – Okay, das ist etwas verrückt, aber ich begleite euch auf der Orgel. 

Man versumpft hier also wirklich nicht, es gibt auch keine Langeweile. Gerade genieße ich es echt, dass Sommerferien sind – ich hatte das ganze Schuljahr Religionsunterricht, am Haltrich-Gymnasium in Schäßburg und hier in der Grundschule.

Wie sieht dieser Religionsunterricht aus?

Ich mache im Unterricht nicht Martin Luther von A bis Z, sondern viel im Vergleich: An welchen Tagen geht man auf den Friedhof und gedenkt der Toten, oder, was habt ihr zu Ostern gemacht? Wie ist das in der orthodoxen Tradition, wie in der evangelischen oder katholischen? Was gibt es für Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Es sind ja auch viele orthodoxe Kinder im Unterricht, aber weil sie zum Beispiel sächsische Vorfahren haben, ist es den Eltern wichtig, dass sie Deutsch lernen. Ich muss also immer auf dem Schirm haben, dass Deutsch für die meisten nicht die Alltagssprache ist – deshalb geht es auch darum, sie zu ermutigen, Worte zu finden und sich auszudrücken. Oder wir singen Lieder gemeinsam, dafür habe ich eine kleine Kofferorgel „to go“. 

Und das ist halt das Schöne hier, also durch diese Vielfalt, durch die ich auch herausgefordert bin – zu gucken, wie kann ich was vermitteln, und wie kann ich mit Touristen, Touristinnen sprechen, mit Kindern, mit Leuten im Ort, auch mit Leuten, die ausgewandert sind – wir haben hier morgen eine Gedenkandacht für jemanden, der nach Deutschland ausgewandert ist, aber sich lange Jahre hier engagiert hat, und jetzt in Deutschland verstorben ist, und wir treffen uns hier, um seiner zu gedenken und an der Beerdigung über die Ferne Anteil zu nehmen. Das ist wirklich schön, also eben nicht langweilig.

Kommt das öfter vor, so eine Gedenkandacht? 

Für für mich ist es das erste Mal, dass ich das mache, aber das kommt durchaus vor. Je nachdem, wie sich das die Familie wünscht: Einige wollen lieber für sich sein und Ruhe haben, wenn jemand stirbt, aber dann formuliere ich zumindest im darauffolgenden Sonntagsgottesdienst ein Gebet, wo man dann für das Leben der verstorbenen Person dankt und nochmal kurz ein paar Eckdaten nennt; und eben auch für die Trauernden bittet. Das bekommen dann die Angehörigen in Deutschland und hier als Text. Aber es ist von Fall zu Fall unterschiedlich ist, wie es den Leuten eben gut tut. 

Sie haben gesagt, die deutschsprachige Gemeinde hier im Dorf bestehe aus etwa 120 Leuten – wie ist Ihr Verhältnis zu den übrigen Leuten im Dorf? 

Also, ich habe mit manchen Rumänen genauso viel Kontakt wie mit manchen Gemeindemitgliedern. Entweder privat, oder sie machen in der Kirche was, oder ich treffe sie auf der Straße treffe und wir reden eben. Es gibt auch viele „Kasualchristen“ – die kommen, wenn in der Familie eine Trauung, eine Taufe, eine Beerdigung ist, aber jetzt nicht zum Sonntagsgottesdienst. Wenn ich durchs Dorf gehe, dann reden wir manchmal ein bisschen – genauso begegne ich eben auch den rumänischen Nachbarn, Nachbarinnen. 

Und zu Beerdigungen, da kommt gefühlt das halbe Dorf. Letztens war ich auch bei der Totenwache für einen verstorbenen rumänischen Jungen, und einmal habe ich auch auf Wunsch der Familie bei einer orthodoxen Beerdigung mitgewirkt. Wenn das der Wunsch der Familie ist, das guckt man, was man machen kann. Auch mit dem orthodoxen Kollegen ist das ein gutes Miteinander. 

Ist das ein ganz normales Angestelltenverhältnis, als Pfarrerin?

Ich bin angestellt beim Evangelischen Kirchenbezirk in Schäßburg, weil ich eben für viele Orte verantwortlich bin. Das hier in Malmkrog ist mein Hauptsitz. Dafür bin ich auch hauptsächlich verantwortlich. Und ansonsten bin ich auch frei, die Schwerpunkte zu setzen, die ich setzen kann.

Es soll sich keiner benachteiligt fühlen – aber ich kann ja auch nicht an allen elf Orten gleichzeitig sein. Aber es gibt Möglichkeiten – die Leute können sich online was angucken, oder nach Neudorf rüberfahren, wenn hier in Malmkrog kein Gottesdienst ist. Sie sind nicht ganz verlassen. Und man kann mit mir reden, wenn etwas wichtig ist. 

Aber ich bin Angestellte und habe auch Anspruch auf Urlaubstage. Ich muss nur Zeit finden, wo ich die auch nehmen kann! Oder freie Tage, nach den Hauptfesten wie Ostern und Weihnachten hat man Anrecht auf drei freie Tage etwa. Das sind nicht Urlaubstage, sondern wirklich nur als Ausgleich. Und die braucht man auch, da macht man genau gar nichts, außer nur die Füße hochlegen. 

Der Dienstgeber in Schäßburg kümmert sich etwa darum, dass ich ein Dienstauto habe und einen Dienstlaptop, um die Telefonrechnung und solche Sachen; der Kirchengemeinde, die als Diasporagemeinde von Bezirk in Schäßburg verwaltet wird, gehört das Pfarrhaus, ich beteilige mich an den Nebenkosten – den Rest bezahlt die Kirchengemeinde. 

Ist es schwierig, in einem kleinen Dorf zu leben, wenn man so eine Sonderstellung hat?

Nein. Ich finde, das hat mehrere Aspekte. Man ist schon in einer herausgehobenen Position, und es wird dann auch geguckt. Ich habe gesagt, wenn ihr jetzt alle wisst, welche Farbe mein Bademantel hat – Anthrazit nämlich –, oder wenn ihr seht, wie ich aufs Plumpsklo gehe, dann ist es halt so. Also man muss damit klarkommen, dass man öffentliche Person ist und dass die Leute natürlich über einen reden und man auch auffällt – war sie jetzt beim Friseur oder nicht? 

Anfangs war immer die Frage, wie sollen wir sie denn nennen? Frau Pfarrer, Frau Pfarrerin – das war früher die Frau des Pfarrers. Ich habe gesagt, das ist mir egal – Hauptsache, sie untereinander wissen, über wen sie reden, wenn sie über mich reden. Mir ist die Anrede relativ wurst, es geht um einen gegenseitigen Respekt. Für die Leute bin ich jetzt die Frau Pfarrerin – wenn jemand mich als „Pfarrerin“ bezeichnet, dann heißt es: Nein, nicht die Frau vom Pfarrer, sie ist die Pfarrerin! Das ist lustig – ein Mechaniker hat mich in seinem Handy eingespeichert als „Popa sa{ilor“ (Pfarrer der Sachsen).

Wir siezen uns auch, die allermeisten sieze ich und sie siezen mich. Ich finde das auch wirklich in Ordnung. Aber ich habe anfangs gemerkt, dass ich dann auch ab und zu mal nach Hermannstadt fahren muss, wo ich dann einfach nur Angelika bin. Aber natürlich bin ich beides, die Angelika und die Frau Pfarrerin.

War die Frage der Anrede die einzige Schwierigkeit dabei, als Frau hier Pfarrerin zu sein?

Ich hatte, als ich ins Vikariat herkam, schon gedacht – na mal gucken, wie das wohl wird. Weil in der rumänischen Gesellschaft ja doch noch so ein klassisches Rollenverständnis vorhanden ist, was die Frau zu tun hat und was der Mann. Und die Mehrheitsbevölkerung ist orthodox geprägt und kennt keine Pfarrerinnen oder Frauen im geistlichen Amt. Die Reformierten, die Ungarn, die Unitarier, die haben auch Pfarrerinnen, aber eben, das ist jetzt nicht so die große Masse. Und man hat noch evangelische Pfarrerinnen, aber die kann man an einer Hand abzählen. Aber ich habe gemerkt: Oft weckt das eher Neugierde. 

Es ist nicht so, dass mir jemand ins Gesicht spuckt oder mir furchtbare E-Mails oder Briefe schreibt. Und zeitgleich gibt es Pfarrerinnen in Deutschland, die regelmäßig Hass-E-Mails mit Klarnamen bekommen. Es gibt noch die Fundamentalisten-Ecke, die nicht totzukriegen ist.

Und ich weiß auch hier, dass es unter den Kollegen einige gibt, die keine Fans der Frauenordination sind, aber die schreiben jetzt keine E-Mails oder so und ich gehe mit denen auch nicht von mir aus ins Gespräch. Ich lass ihm seine Meinung und solange er mich in Ruhe lässt, lasse ich ihn auch in Ruhe. 

Also, anfangs hat man mich schon gefragt, was ich hier will als Frau? Alleine in dem Pfarrhaus und mit dem großen Garten und allem? Und ich dachte, na gut, ich traue es mir zu. Keine Ahnung, wie es wird. Und es wurde durchaus abenteuerlich. Aber ich habe es mir anstrengender vorgestellt und bin froh, dass es nicht so ist. 

Und wie ist es geworden mit dem Pfarrhaus und dem Garten?

Man hat eigentlich zum Teil nur mit diesem Haus und diesem Hof zu tun! Überall wo ich hinsehe, sehe ich Arbeit! Und das macht einen dann auch kirre. Ich muss manchmal sagen: Nein, ich setze mich jetzt hin und genieße bewusst den Sommerabend. 

Aber ich begreife es mittler-weile auch als meinen dienstlichen Auftrag zu sagen, wie gehe ich mit dem Gebäude um? Wie gehe ich mit Natur um? Bewahrung der Schöpfung, das ist eine zutiefst theologische Frage. Und auch der Umgang mit baulichem Erbe, wie bespiele ich das oder auch nicht? Also es ist schon ein großes Paket, aber auch ein schönes Paket, wie ich finde. 

Wie sieht das die Kirche hier, wenn jemand aus Deutschland kommt? Eher kritisch, oder ist man froh, dass man Stellen nachbesetzen kann?

Wenn es passt, dann ja. Und es gibt auch immer wieder mal Stellen, die frei sind. Wenn sich da jemand findet, der dahin passen würde – dann ja. Aber darum geht es auch sonst in den Job: Was für Erwartungen hast du? Wo wirst du dich einbringen? Aber: Hier muss man tatsächlich Rumänisch können, auch wenn es sozusagen eine deutschsprachige Kirche ist. Mit der Sekretärin, mit der Schuldirektion musst du ja auch kommunizieren können. 

Und es braucht auch eine Bereitschaft, sich einzufühlen – aber das muss man in jeder neuen Pfarrstelle: Gucken, wie sind die Vibes, die Atmosphäre, wie ticken die Leute? Ich merke das auch in meinen unterschiedlichen Dörfern, jedes funktioniert anders, jede Gemeinde hat eine andere Dynamik – und wenn es nur fünf Leute sind.

Kommunikation ist wahrscheinlich ein wichtiger Teil Ihrer Arbeit?

Ja – aber wichtig ist zu wissen: Wann muss ich Worte finden – und wann muss ich mich zurücknehmen und einfach nur der anderen Person Raum geben, ihrem Thema, ihrer Sache? Wie kann ich es ermöglichen, dass die Leute auf mich zukommen und sich öffnen können? Nach der Konfirmation beim Mittagessen kommt dann vielleicht der Großvater oder die Freundin einer Konfirmandin, setzt sich neben mich und erzählt aus dem Leben. Und das sind für mich so wertvolle Momente, wo ich denke – Wow. Dass Leute da Vertrauen fassen und auch Worte finden für das, was sie wirklich bewegt. Und auch nicht den Eindruck haben, dass sie bei mir an der falschen Stelle sind, dass ich komisch gucke oder so – sondern ich sage: Komm, erzähl mal. Erzähl mal und sag, wie es ist. Wenn es scheiße ist, dann ist es auch scheiße. Es gibt kein Wort, das verboten ist. 

Natürlich macht man da sicher auch nicht alles richtig. Und Leute fühlen sich sicher auch mal auf den Schlips getreten. Aber auch da muss man dann gucken, wie kann ich mit den Leuten sprechen?

Und denen, die sich engagieren, nicht zu vergessen zu danken – und auch das wertzuschätzen, was sie machen. Weil, ohne dieses Engagement der Leute vor Ort könnten wir zumachen. Pfarrer hin, Pfarrerin her: Wir brauchen Leute vor Ort, die sich einbringen, die der Kirche ein Gesicht geben. Die sozusagen die lebendigen Steine sind, aus denen die Kirche besteht. 

Vielen Dank für das Gespräch!