Malagamba-Hosen und Bubikopf-Frisuren

Auch Männern wurden im Banat die Zöpfe abgeschnitten

„Schön brav“, aber schon Richtung Minirock: 1972 bei der „Vorkerwei“ in Rekasch. | Foto: Sammlung Stefan Lehretter

Über verschiedenartige Spannungen in den Großfamilien, Dorf- und Vereinsgemeinschaften sowie in der „Gemeinschaft“ der Banater Deutschen gibt es eine lange, belegbare „Tradition“. Ebenso für den fast ständigen und aus heutiger Sicht selbstverständlichen Generationenkonflikt. Allzu oft dürfte es jedoch kein großes und erfolgreiches Aufbegehren gegen die väterlichen Patriarchen und strengen Großmütter gegeben haben. Forschungsthema waren diese familiären oder sozialen Gegensätze jedoch noch nicht, obschon die Literatur zur Geschichte und Landeskunde der Region – auch die Belletristik – viele Ansatzpunkte liefert. Ein spannendes und interessantes Thema wäre der Forschungsbereich allemal.

Zu frühen lokalen Spannungen in deutschen Banater Gemeinschaften könnte es beispielsweise beim Aus- und Angleich der Kleidung gekommen sein, sicherlich beim Durchsetzen der modischeren und ans „Herrische“ angelehnten Bekleidung für Männer – bereits beim Ablegen des Dreispitz, bei lokalen „ethnischen“ Interferenzen bei der Feldarbeitskleidung, und etwas später heftiger in Verbindung mit Änderung der Bekleidung der Frauen. Stoff für Disput lieferte das Ablegen von Uniformen bei Vereinen, das eine politische, ungarisch-patriotische Note hatte. Neben Kleidung und Schuhen war die Haartracht mehrfach Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen in den Familien. Nicht nur bei Frauen, was manchen Zeitzeuginnen noch in guter Erinnerung ist, sondern auch bei Männern, die ja über ein erstes Jahrhundert im Banat lange Haare bzw. auch Zöpfe trugen. Im dramatischen Werk des Schriftstellers Ludwig Schwarz wird daran erinnert, wie im Dorf Neupetsch (rumänisch Peciu Nou) der angeblich letzte Männerzopf fiel. 

Ein Jahrhundert später „flogen“ die Zöpfe dann bei den Frauen: Die Dauerwellen wurden Mode und hielten lange an, bis zum Aufkommen der Bubikopf-Frisuren. Gerade bei letzteren gab es unzählige „Aufstände“ und Skandale in Familien. Heute noch lebende Friseurinnen könnten darüber viele Geschichten erzählen – oder auch dazu, wann im stadtnahen Jahrmarkt/Giarmata die letzten „Ficke“ (Zöpfe, Besonderheit der Ortsmundart) bei Mädchen abgeschnitten wurden und die ersten „Breton“-Schnitte von Freundinnen kreiert wurden. Im Banat bestimmten viele junge Frauen erst nach der Heirat selbst über ihre Frisur, nachdem die Mütter nicht mehr die Entscheidungshoheit über den „Tochterkopf“ (nicht nur Frisur gemeint) hatten. Das war in Jahrmarkt noch Ende der 1950er und Anfang der 60er-Jahre so. Es gab dabei allgemein im Banat viele seelische Verletzungen und bis heute Verschwiegenes.

Änderungen boten Stoff für Disput

Ging es bei Kleidung und Haarpracht um äußerlich sichtbare Modeerscheinungen, handelte es sich bei anderen Änderungen sozialer oder wirtschaftlicher Art um grundlegende und tiefer greifende Auseinandersetzungen. Sie reichten vom Bereich der Wirtschaftsausstattung, der Anschaffung neuer Geräte und Maschinen, Anbau neuer Kulturen (Zuckerrüben oder Sonnenblumen), der Wirtschaftsübergabe, zu den Verträgen der Knechte und Mägde mit ihren Arbeitgebern wie auch zum „Vorbehalt“, den Eheschließungen und bis hin zum Wandel in Vereinen, zu Satzungsanpassungen und bis ins Kirchliche (Beispiel Lieder). Sogar ein Wandel im Kochtopf und den Kuchenrezepten war bemerkbar. Ungebrochen halten konnte sich dabei doch relativ viel, wieder beispielsweise und erfreu-licherweise die heute noch so beliebten „Salzkipple“, „Krammlpogatschle“ oder „Faschierte“. Im Banater Kochtopf haben sich die Spuren der Völker der Monarchie am besten erhalten und „vermischt“.

Die Umgestaltung der Häuser, Modernisierungen vom Giebel bis zum Fußbodenparkett, die Innenausstattung, die Anschaffung neuer Möbel und moderner Haushaltsgeräte (wie Fernseher) verliefen nicht immer reibungslos.

Malagambisten, Golans, Hippies

Die jüngste Generation Aussiedler aus dem Banat kennt kaum noch den Begriff „Malagamba“ als Mode- und Männerfrisurtrend in Rumänien, der auch bis in die schwäbischen Gemeinden reichte. Schnell waren diese Jugendlichen „abgestempelt“, gelegentlich verspottet und marginalisiert. Oft vor allem deshalb, weil sie den traditionellen Unterhaltungen im Dorf fern blieben, in die Stadt fuhren oder in Gruppen ihre eigene Musik mit Gitarre machten, Radiomusik hörten oder Musik vom Plattenspieler. Es war eigentlich mehr als nur Mode, vor allem in den Großstädten und an der Schwarzmeerküste, denn Sergiu Malagamba war landesweit ein beliebter Bukarester Jazz-Perkussionist, Orchesterleiter und Komponist. In Großkomlosch (Comloșu Mare) beispielsweise blieb einem jungen Mann ein Leben lang der Spottname „Malagamba“ erhalten. Es waren nicht nur längere Haare bei den jungen Männern und die unten breiten Hosen, auch die Musik und Tänze waren andersartig, gegen die Mode der Zeit bei Unterhaltungen landesweit. 

In Zeugnissen zur Zeitgeschichte, wie beispielsweise das Lied „Hei tramvai…“ (Hallo Straßenbahn) ist noch zu hören von den Langhaarigen („pletoși“ ) mit den engen Hosen („pantaloni strâmți“) sowie dem kurzen, engen „minijup“. Diese „Auffälligkeiten“ gab es praktisch in fast allen Banater Ortschaften unter Jugendlichen, von Marienfeld quer bis Rekasch, häufiger bei Mittel-, Berufsschüler und Studenten, die über die Dorfgrenzen hinaus gekommen waren. Bei den Mädchen zeigte sich die „Opposition“ durch körperbetontere Kleider, etwas kürzere Röcke – noch vor der richtigen Minirock-Zeit –, selbst an Schuluniformen der größeren Mädchen wurde der „Mut“ sichtbar. Nylonstrümpfe waren sehr gefragt und teuer, durchsichtige Nylonblusen ebenso – und viele wurden von den Omas kaputtgebügelt. Manche „Agit-Brigaden“ zeigten recht viel Bein, ebenso traten Jugendliche in Stücken der Laienspielbühnen anders ins Konfliktfeld. Hinzu kamen Änderungen in der Sprache: Kein richtiges Aufbegehren gegen die Partei- oder Staatsmacht, nur eine „eigene“ Jugendsprache gegen die „hölzernen“ Reglementierungen in Medien und Lehrbüchern sowie ein unerschöpflicher Reichtum an politischen und zweideutigen politischen und erotischen Witzen.

Von rumänischer Seite wird heute zu „Malagambism“ das Autochthone hervorgestrichen, der französische Geist unterschlagen: Die unvergessene Pariser Bewegung der 1950er Jahre. Es ging um die Anlehnung und Nachahmung der französischen „Zazous“-Bewegung, der Jazzfanatiker und die Jugendströmung „je m’en foutiste“ (es kümmert/interessiert mich nicht/ nu-mi pasă). Von staatlicher Seite wurde auf unterschiedlichen Ebenen gegengesteuert: So durften beispiels-weise Banater Handballspieler mit langen Haaren beim Endturnier der „Cupa Satelor“ in Craiova (Anfang der 60er Jahre) nicht antreten, bis sich ein Schiedsrichter erbarmte und die Kopfhaare kürzte. Auch sonst wurde von Schiedsrichtern bei Sportveranstaltungen der Männer in den Spielberichten festgehalten, dass in den Mannschaften Aktive mit zu langen Haaren spielten. Dabei war in diesen Modetrends keine ideologische oder politische Opposition vordergründig zu spüren. Die Jugend wollte „nur“ ausbrechen aus rigiden, überholten moralischen Normen und auch Gesetzen, eine Bewegung für mehr persönliche Freiheit und Selbstbestimmung. Aber im offiziellen Duktus der staatlichen Wächter wurden aus den „Malagambisten“ häufig und schnell „suspekte Elemente“, die beobachtet werden mussten und leichtfertig als „Golani“ (Taugenichtse, Nichtstuer, siehe auch rumänische Literatur) und gefährlich, umstürzlerisch etikettiert wurden. 

Dieser Welle folgte mit etwas Zeitverzug und weniger ausgeprägt als im Westen der Einfluss der Hippie-Bewegung, die ihren Ursprung in den 1960ern in den USA hatte. Sie zeigte sich als gegenkulturelle Jugendbewegung, aber essentielle Aspekte, wie etwa Konsumkritik, waren im sogenannten Sozialismus kein Thema. 

Es hatte im Banat der 60er Jahre bei allen Gemeinschaften ein soziologischer und ökonomischer Wandel eingesetzt. Bei den meisten Jugendlichen ging es um Äußerlichkeiten – Frisur, Kleidung, Lässigkeit, Kult des Rauchens – sowie um Musik (mehr Rock und Pop als Jazz und vor allem die Beatles-Musik, die in den 70ern sogar eine Rubrik in der damaligen Neuen Banater Zeitung bekam) und Tanz. Alle Jugendmusik in den Banater größeren deutschen Gemeinschaften, beispielhaft Hatzfeld oder Großsanktnikolaus und Lugosch sowie die Unterhaltungsmusik im Lenau-Lyzeum, sogar die Tanzschulen, erfuhr den westlichen Einfluss besonders über Jugoslawien, Ungarn und die ausländischen Rundfunksender aus dem deutschen Sprachraum. Das Stücke-Repertoire der schwäbischen Dorf-Tanzabende war überholt. 

Insgesamt handelte es sich mehr um ein zeitweiliges Ausscheren – „unsere Sturm- und Drang-Jahre“, erklärte ein Vertreter des Geburtenjahrgangs 1949 – aus den Normen, und um Gehorsamsverweigerung der älteren Generation oder abgeschwächt der Gesellschaft bzw. dem Staat und seinen Institutionen gegenüber. Der Versuch von Temeswarer Filmemacher und Zeitzeugen der 60er Jahre, die Wurzeln des Volksaufstandes vom Dezember 1989 in Temeswar nun 30 Jahre später in dieser Zeit am Bega-Ufer und der Szene bei der Flora-Terrasse zu finden, klingt unglaubwürdig. Diese Jugendlichen kamen damals vorwiegend aus den wohlhabenden oder mittleren und Intellektuellen-Schichten, nicht aus der sozialen Not der vielen jungen Demons-trierenden vom Dezember 1989. Gesellschaftlich wurde gegen verkrustete Moralvorstellungen angegangen, es setzte in Banater deutschen Kreisen in Anlehnung an die 68er-Bewegung in Westdeutschland die Abrechnung mit der Vätergeneration ein, die aktiv im Weltkrieg war. Durch die junge Generation banatdeutscher Autoren ist der Konflikt in die Literatur der Region eingegangen. Der Korea- und der Vietnamkrieg wurden ebenfalls ein Thema, Mao wurde von einigen gelesen und Che Guevara als revolutionäre Gegengestalt zu den alten proletkultistischen Landespolitikern betrachtet. 

Bleiben oder gehen?

Nicht zu vergessen und zum Kontext passend die Spannungen und Konflikte in den Familien, Gemeinden und in der Gemeinschaft in Verbindung mit der existentiellen Frage „Bleiben oder gehen?“, dem letzten einschneidenden Kapitel Banater deutscher Geschichte. Vor lauter „Spannungen“ darf jedoch der letztendlich entscheidende ausgleichende Dialog der Generationen nicht ignoriert werden. In manchen Bereichen waren die Reibungen zwischen den Generationen nachweisbar fruchtbar und erfolgreich. Das vorherrschende, kompromissbereite, gute soziale Füreinander und Miteinander, die soziale Absicherung in der Gemeinschaft oder Großfamilie waren lebenswichtig und gewährten den Fortbestand der Familien und der Gemeinschaften. 

Für die Zeit des sogenannten Kommunismus in Rumänien erschien 2017 ein allgemein interessantes Buch (rumänisch und deutsch) unter dem Titel „Tineret in Comunism/Jugend im Kommunismus“, Schiller Verlag, 326 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-946954-13-2. Zum Einzug von Rock und Beat im Banat ist 2013 ein Buch, 212 Seiten, von Mimo Obradov im Verlag Brumar in Temeswar erschienen. Noch bestellbar unter ISBN 9789736029356. Im Vorjahr ist das Buch dieses Musik-Journalisten über den „Rock’n’Roll im Banat“ auf serbisch erschienen, herausgegeben vom Verband der Serben in Rumänien.