Randbemerkungen: Beschwörer der „Wahrheiten“


„Der Ur-Faschismus spicht die ‘neue Sprache‘.“ So Umberto Eco („Il fascismo eterno“, 1995), als die Keime des heutigen Rechtsextremismus die Öffentlichkeit noch tunlichst mieden. Im Essay „14 Sichtweisen, ein Schwarzhemd zu betrachten“ hebt Eco die Armut des Wortschatzes aller Grundtexte des Faschismus, die Rudimentarität ihrer Syntax hervor – also die spröde Einfachheit des Denkens, das faktisch kritisches Denken und logische Argumentation nicht kennt. Dem faschistischen Duktus fehlen dafür die Instrumente.

In den wenigen, schlecht inszenierten, grob missbrauchten oder ausgeuferten politischen Talkshows – „TV-Konfrontationen“ - der jüngsten Präsidentschafts-Wahlperioden fiel auf, dass die intellektuelleren unter den Bewerbern mit abstraktem Wortschatz herumfuchtelten und viel über Werte der Demokratie faselten (oder derb aufeinander losdroschen), während der Krypto-Faschist Simion (wenn er nicht untertänig die Bunraku-Theaterpuppe des C²lin Georgescu gab) schwitzend und holprig ein identitäres Register zog, das eindeutig aus der Legionärsbewegung über den Nationalkommunismus Ceau{escus (ausgegoren auf der Partei„hoch“schule „[tefan Gheorghiu“) auf den heutigen globalen Faschismus hinwies.

Die lokale Form des globalen Faschismus kann kaum mit logischen Argumenten bekämpft werden – dass die EU-Integration Rumäniens ein klarer Erfolg war, dass die europäischen Werte eindeutig den souveränistischen überlegen sind, dass kritisches Denken der Menschheit Fortschritt und Wohlstand bringt, etc. In einer derart gespaltenen Gesellschaft  wie in Rumänien, ist das identitäre Denken mit seinen obenerwähnten Wurzeln gegenüber rationellen Argumentationen immun. Ist ihr propagandistisch überlegen. Es überzieht alles. Beweis: das Wahlverhalten der Auslandsrumänen…

Mit Sicherheit trug auch die Toleranz post 1989 gegenüber legionären und pro-faschistischen Nostalgien und Kultansätzen zu dieser folgenschweren Realität bei. Nach der Wende suchte man verzweifelt Ansätze von Widerstand gegen die kommunistische Vertierung durch den Nationalkommunismus und seine Institutionen. Und ließ zu, dass in Rumänien Faschismussympathien offen zur Schau getragen wurden. Intellektuelle registrierten sie nachsichtig, auch mit ironischer Überlegenheit. Damalige Machthaber meinten, im Legionarismus bestätigt zu finden, dass sich das Volk Rumäniens nicht wie Schafe verhalten hatte, die man zur Schlachtbank trieb. Aber Faschismus und Souveränismus haben eine Grundeigenschaft: sie wachsen.

Der jetzige rumänische Rechtsextremismus – wie auch der globale Faschismus – sollte nicht nur, wie gängig, durchs Prisma einer „Volksrevolte“ gegen die Pro-Westlichen und die liberalen demokratischen Regelwerke gesehen werden – ohne die es ihn gar nicht geben könnte... Er ist, unterm Siegel AUR, zum Schmelztiegel eines Anti-System-Frustes geworden – der sich ohne die liberale demokratische Ordnung gar nicht manifestieren könnte.

Sämtliche Aussagen des George Simion über Souveränität, traditionelle Familie, Krieg in der Ukraine, Geschichtsfrustrationen, über (unbedingt orthodoxe!) Religion werden als Gewissheiten, als Axiome gestreut. Simion will nicht überzeugen – den Wortschatz dazu hat er gar nicht! – er reiht „Wahrheiten“ an Sprechschnüren auf. Sämtliche Stereotypien, mit denen der jongliert und manipuliert, sind in den Gehirnen seiner Gefolgschaft längst tief verankert, müssen nur verbal angetickt werden. Sofort klingen sie.

Ab dem 19. Mai hat Rumänien drei Möglichkeiten. Siegt N. Dan, könnte die fragile rumänische Demokratie allmählich gesunden; siegt G. Simion, und a) duldet er eine sich neu formierende Opposition, gibt´s vielleicht einen wabbrigen Liberalismus; oder b) er „vertrumpisiert“ das gesamte politische und Institutionsgefüge. Dann weh uns!

Ob der Aufstieg dieses Arturo Ui noch aufhaltbar ist?