Die Ukraine nähert sich dem dritten Kriegswinter. Der Husarenritt der Ukrainer nach Russland stockt. Die Russen robben in der südöstlichen Ukraine und im Donbass vorwärts. Selenskij bettelt immer noch (vergeblich) um Erlaubnis, seine geschenkten Raketen in russische Kriegsnester zu versenken.
Der 7. Oktober? Am Bilanztag von einem Jahr Krieg, den die Hamas (provoziert oder unprovovoziert – wem soll man glauben?) angezettelt hat, müsste von rund 50.000 („Kollateral-„)Opfern der High-Tech-Armee Israels, von Proportionalität und Rationalität von Rache, von der Irrationalität wahlloser Zerstörung von Siedlungsräumen, aber auch von der endlichen Freilassung unschuldiger Geiseln gesprochen werden (wenn es Unschuld in einem auf- und abwallenden, friedensfeindlichen Ewigkonflikt wie im Nahen Osten geben sollte…), auf alle Fälle aber von der Spirale von Gewalt, die (wieder mal) zum Wirbelsturm zu werden droht – und zum totalen Orientkrieg.
Während Selenskij um Erlaubnis bettelt, seinen Waffenbesitz voll ausschöpfen zu dürfen, kümmert sich Bibi Netanjahu nicht das Schwarze unterm Nagel um Erlaubnisse. Demütigt durch seine treuesten und standhaftesten Alliierten, die USA durch alleingängige Vorstöße und Militärschläge - mit Waffen desselben Ursprungs, um deren Nutzung Selenskij betteln muss.
Andrerseits ist es schier unvorstellbar, was geschähe, wenn Selenskij so vorgehen würde wie Netanjahu, einfach mal so seine Mittel- und Langstreckenraketen auf russische Ballungszentren abzufeuern, weil er dort russische Waffenlager oder Kommandozentralen von Putin-Marionetten vermutet. Oder weil ihm seine Geheimdienste das zugeflüstert haben. Selenskij würde wohl im Nu sämtliche internationale Sympathieboni verlieren.
Diese Gefahr droht Bibi Netanjahu nur in Maßen, obwohl er genau das tut, was die Kriegswaffenspender Selenskij verbieten. Mehr noch: er spielt ungeniert seine Rüstungsüberlegenheit aus. Man bedenke: Israel mit seinem rund 9,6 Millionen Einwohnern gibt allein für seinen Rüstungsetat jährlich das Dreifache aus wie sein Hauptgegner in der Region, der Iran, mit rund 89 Millionen Einwohnern – während die anderen regionalen Gegner oder Beherberger von Gegnern (etwa Palästina, Libanon) bevölkerungszahlen- und rüstungsetatmäßig überhaupt keinem Vergleich standhalten – auch wenn die Fruchtbarkeitsrate (ein Zukunftsindikator) in den kleineren Israel-Gegnerländern mit Israel vergleichbar (um die drei Kinder pro Frau) ist, während sie im Iran bei „nur“ 1,7 lag (Türkei nur noch 1,9 – von um 1960 fast 6 Kindern pro Frau -, Irak 3,5 und Jordanien 2,9 – das einzige Land in Israels Nähe, das eine vergleichsweise große Einwohnerzahl wie Israel hat, 11,3 Millionen Einwohner). Diese Zahlen sollen ein Sorgezeichen setzen: in der Region wachsen „Rächer“ nach, Konfliktpotenzial wird vererbt, der Rachebaum gedeiht.
Abgesehen vom enormen Flächenunterschied beim Bevölkerungsvergleich Russland – Ukraine sprechen auch die Bevölkerungszahlen für Russland, mit seinen 144,5 Millionen Einwohnern (1990 waren es 148 Millionen) und einer Fruchtbarkeitsrate von 1,49 Kindern pro Frau. Dagegen hat die Ukraine nur 38 Millionen Bewohner (1990 waren es 52 Millionen) und eine Fruchtbarkeitsrate von knapp über einem Kind pro Frau (2022: 1,16). Um also in der Region und im Verteidigungskrieg gegen den Aggressor Russland standzuhalten, bräuchte die Ukraine „israelische Verhältnisse“ im Rüstungsbereich, in der Verfügungsfreiheit über die Waffen.
Das Waffennutzungs-Dilemma, von Israels Bibi souverän ignoriert, vom Westen selektiv umgesetzt, steht weiterhin im Ukraine-Russland-Kon-flikt. Wird Putin, trotz gegenteiliger Vermutungen, seinen Killerinstinkt nicht beherrschen können und Atomwaffen einsetzen, wenn’s für Wladimir „Wissarjonowitsch“ P. & Cliquen brenzlig wird? Wer kann das verantworten? Wer stoppt ihn (noch)?