Randbemerkungen: Der „unversenkbare Flugzeugträger“

Ob als Abhörstationen oder Abschussrampen, seit längerer Zeit schon wird die öffentliche Meinung auf eine Tendenz zur Schaffung „unversenkbarer Flugzeugträger“ im Mittelmeer als Teil von dessen offensichtlicher Militarisierung aufmerksam gemacht. Inseln im Mittelmeer, ob bewohnt oder nicht, werden militärisch „vereinnahmt“, der Zugang zu ihnen eingeschränkt.

Weniger Aufmerksamkeit wird der beschleunigten Militarisierung der Krim seit 2014 geschenkt, was auch seine guten Gründe hat: Russland, der neozaristische Staat nach Putin´scher Façon, vermeint, seine Willkür und Expansionslust unbestraft ausleben zu dürfen: Es baut die Krim zum „unversenkbaren Flugzeugträger“ aus. 

Die Beobachter der Entwicklungen im Ukrainekrieg – soweit man Einblick über Entwicklungen in einem Krieg gewinnen kann – neigen zunehmend zur Annahme, dass alles, was wir bis heute als „ukrainische Offensive“ mitbekommen durften, eher Gefechte sind, die von den wahren Zielen der Ukraine, von ihrer wahren Durchbruchsabsicht, ablenken sollen. Einerseits, weil die Ukraine bei ihrer „Offensive“ die Tiefenstaffelung und Schwachstellen der russischen Befestigungslinien in den seit Februar 2022 eroberten Gebieten vor Ort (nicht nur über Satellitenbilder) testen will – was den Eindruck eines Stellungskriegs à la Verdun vermittelt, wo die „Fortschritte“ in Metern, nicht in Kilometern bemessen werden. Andrerseits, weil es einer gewissen Logik nicht entbehrt, wenn zunehmend davon ausgegangen wird, dass die einzige Chance zu einer Wende in diesem Krieg ein Durchbruch der Ukraine irgendwo zwischen Mariupol und Sapor wäre, der die russischen Stellungen westlich der vermutlichen Durchbruchlinie – und vor allem den Nachschub Richtung Krim – entscheidend schwächen würde. Erst ein solcher Durchbruch würde die wie im 20. Jahrhundert ausgestatteten und kämpfenden Russen in die Defensive drängen – vielleicht auch an den Verhandlungstisch zwingen.

Aber das scheinen auch die Russen kapiert zu haben. Die Sprengung des Staudamms am Dnipro und die gezielten Überschwemmungen Richtung Süden können als Reaktion des russischen Generalstabs aufgrund obiger Erkenntnis gesehen werden: Die Optionen der Kiewer Militärführung unter General Walerij Saluschnyj (Befehlshaber der Streitkräfte) und Generalleutnant Serhij Schaptala (Generalstabschef) wurden durch Überschwemmung eingeschränkt. Was ohnehin vermutet wurde, scheint sich zu bestätigen – das Hauptinteresse der Ukraine ist nicht (so sehr) die Rückeroberung von Donezk und/oder Luhansk im Osten, sondern die Befreiung der Nordküste des Asow´schen Meeres, des Isthmus von Kertsch und der gesamten Südflanke, der ukrainischen Schwarzmeerküste, über Odessa hinaus. 

Wie die Russen sich in den besetzten Gebieten benehmen, ist aufgrund der Erinnerungen aus dem zweiten Weltkrieg hinreichend dokumentarisch belegt. Und die „Wasserträger“ der Russen – Sibirier, Tschetschenen, bis vor Kurzem die Wagner-Soldateska u.a. – sind es ohnehin gewohnt, sich in eroberten Gebieten selbst zu „versorgen“. 

Die umgerüsteten Armeen Saluschnyjs müssen im Süden den Durchbruch und die Trennung der (süd-)westlich des Durchbruchs liegenden Gebiete bis zur Krim vom kompakt an Russland/Belarus angrenzenden Osten erzwingen. Und damit als Ziel auch die Rückeroberung des „unversenkbaren Flugzeugträgers“ Krim und des Militärhafens Sewastopol haben. Die wenigen Nachrichten, die von der gepanzerten Krim nach außen dringen, besagen, dass dort in höchster Eile viele militärische Befestigungsanlagen entstehen, parallel zu einer zunehmend willkürlichen Einschränkung der Rechte der Bevölkerung.

Wenn Putin die Krim verliert, rumpelt sein seit 2007 errichtetes Illusionsgebäude zusammen, das seine Herrschaft stützt. Es wäre sein (nicht nur) politisches Ende.

Wär´s aber auch ein Neubeginn für die Ukraine?