Paul Sittner, ein gebürtiger Bukarester mit rumäniendeutscher Abstammung, ist Sporttherapeut, -wissenschaftler und Trainer, Mitglied im Lokalforum des DFDR und treuer Leser der ADZ. In der rumänischen Hauptstadt hat er vor acht Jahren das einzige Rehabilitationszentrum durch Sporttherapie landesweit gegründet, das nach einem deutschen Konzept funktioniert. ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu war auf Besuch bei „SportTherapie“ in der Gramont-Str. Nr. 38 und hat sich dort mit dem Inhaber unterhalten.
Herr Sittner, erzählen Sie uns ein wenig über Ihren Werdegang.
Zunächst habe ich 1990 das Studium an der Sporthochschule Bukarest angefangen, aber nicht in der Reha-Abteilung. Ich spielte Fußball auch als Profi und deshalb habe ich mich in diesem Bereich auch als Trainer ausgebildet. Nach dem Uni-Abschluss habe ich weiter Fußball im Rahmen des Vereins „Sportul Studențesc“ gespielt und als Sportlehrer im Sportschulverein gewirkt. 2000 habe ich einen privaten Fußballverein für Jugendliche namens „Constructorul Feroviar“ gegründet, weil ich selbst in einer gleichnamigen Mannschaft gespielt hatte. Das war damals der zweite private Fußballverein in Bukarest. Zu der Zeit war ich auch als Talentsucher in Rumänien für den Fußballverein Hertha Berlin tätig.
2003 wurde ich von drei Sporthochschulen in Deutschland aufgenommen, in Köln, Konstanz und von der Humboldt-Universität in Berlin. Entschieden habe ich mich für die Sportuniversität in Köln, die europaweit größte vom Studienangebot her, die mir auch das Sportstudium in Rumänien anerkannt hat.
Wie haben Sie sich für die Uni-Abteilung Prävention und Rehabilitation entschieden?
Wie gesagt war ich 2003 eher in Richtung Geschäftsmann als Talentsucher für „Herta Berlin“ in Rumänien unterwegs. Daher wollte ich anfangs Sportmarketing und -management in Köln studieren. Aber am ersten Abend überzeugte mich ein Freund, zumal viele Jobangebote im Reha-Bereich an der Anschlagtafel der Sporthochschule waren. Außerdem habe ich schon früher als Fußballer einige Verletzungen erlitten und da ich keine vernünftige Reha-Behandlung in Bukarest bekam, musste ich mit dem Fußballspielen in Rumänien aufhören, um es in Deutschland dann während des Studiums wiederaufzunehmen.
So habe ich mit dem Studiumsbereich für Prävention und Rehabilitation getauscht. Hier war ich richtig, denn ich fand in den Büchern und mit dem, was ich dort lernte genau die Lösungen, wonach ich damals suchte. Das Studium fand ich sehr praktisch, ohne unnötigen theoretischen Ballast, und wir haben auch ganz viel Praktikum gemacht im Krankenhaus, das mit der Uni zusammenarbeitete. Ende meines Studiums habe ich mich für ein neues Praktikum bei Reha-Training in Leverkusen beworben, dem größten Reha-Zentrum in Nordrhein-Westfalen, wo ich danach auch festangestellt wurde. Die haben auch viele Sportler dort behandelt und meine frühere Erfahrung als Sportler war in dieser Hinsicht vorteilhaft.
Was war anders an der Sportuniversität Köln im Vergleich zur Sportuniversität Bukarest?
In Bukarest wurde frontal unterrichtet und man musste viel während der Vorlesungen schreiben. In Köln war ein total anderes System, ausgerichtet auf Selbststudium und -recherche, was eigentlich mehr bringt.
Darüber hinaus wird man hier zum Kinetotherapeuten ausgebildet, während man sich in Deutschland auch als Sporttherapeut spezialisieren kann. Das sind zwei unterschiedliche Konzepte und den Unterschied habe auch ich spät verstanden: Kinetotherapeuten arbeiten eins zu eins und bieten Massage, manuelle Therapie, Sporttherapeuten arbeiten dagegen mit Gruppen im Kraftraum. Kintetotherapie kommt aus dem griechischen „kinesis“, das heißt „Bewegung“. Sporttherapie ist Training in der Therapie, was mehr als Bewegung bedeutet. In der Kinetotherapie wird die körperliche Mobilität, die Flexibilität verbessert, aber nicht so gezielt wie im Training. In der Sporttherapie begleitet der Therapeut den Patienten Schritt für Schritt durch die Etappen, bis er sein Ziel erreicht, sei es die Wiederaufnahme seiner früheren Tätigkeit oder eines Sports nach einer Verletzung oder Operation. Das ist eigentlich auch der Unterschied zwischen der Therapie, die in Rumänien ausgeübt wird und jener in Deutschland.
Für mich war es auch von Vorteil, dass ich in Rumänien Trainingswissenschaft studiert hatte. Im Reha-Bereich muss man mit den Patienten systematisiertes Training machen, um ihre Muskulatur wieder anzupassen, und nicht nur Bewegung.
Irgendwann haben Sie sich entschieden, nach Rumänien zurückzukehren. Was hat Sie dazu bewogen?
Während eines Winterurlaubs in Rumänien kam mir die Idee. Ich habe einen Freund gefragt „Kennst du Besitzer von Kliniken, die etwas im Reha-Bereich aufbauen wollen?“ 2014 bot sich eine Gelegenheit, ich hatte damals zwar eine schlechte Erfahrung gemacht, aber 2017 habe ich es ein zweites Mal versucht und mein eigenes Reha-Zentrum „SportTherapie“ zusammen mit einem Partner in Bukarest gegründet.
Mit welchen Herausforderungen wurden Sie als Unternehmer konfrontiert?
Es war und ist weiterhin nicht einfach, gute Arbeitskräfte zu finden, die den Unterschied zwischen Kinetotherapie und Sporttherapie verstehen und dazu geneigt sind, über Sporttherapie zu lernen und sich unser Konzept anzueignen. Ich bin mit einer Mitarbeiterin gestartet, irgendwann hatten wir sechs Therapeuten, jetzt haben wir vier. Die Qualität hat hier bei uns zwar immer gestimmt, aber geschäftlich und vom Profit her... nicht wirklich (lächelt).
Außerdem, weil wir nicht mit einer Klinik zusammengearbeitet haben, wurden uns auch die Patienten nicht gleich von Ärzten geliefert. Wir mussten um jeden Patienten kämpfen, aber wir hatten schon genug Kunden. Im Bereich Marketing verfügen wir über das Allernötigste: eine Website (www.sporttherapie.ro), eine Facebook-Seite (www.facebook.com/sporttherapie.ro) und ein Instagram-Konto (www.instagram.com/sport.therapie). Aber die haben uns nicht so viele Patienten gebracht, ehrlich gesagt. Wir wurden immer wieder von Patienten empfohlen, die bereits hier behandelt wurden und jene Kunden, die auf Empfehlung zu uns kamen, wussten genau, welche Art von Therapie wir anbieten und was zu erwarten.
Unser Reha-Zentrum ist das einzige in Rumänien, das nach einem deutschen Konzept arbeitet. Alles ist 100-prozentig deutsch hier, die Therapiemethoden, die Geräte usw. Man wird natürlich rumänisch angesprochen, doch mit mir können sich die Kunden auch auf Deutsch unterhalten. Ansonsten funktioniert alles wie in Deutschland.
Wie erklären Sie den Kunden Ihr deutsches Konzept und was Sie als Dienstleistungen zusätzlich oder unterschiedlich zu anderen Reha-Zentren in Rumänien anbieten?
Hier im Büro beim ersten Besuch suchen wir erst mal nach der Ursache eines Schmerzes oder einer Verletzung. Wir behandeln nicht direkt die schmerzvolle Stelle, sondern fragen uns „Was funktioniert eigentlich nicht im System?“, denn das Problem liegt nie, da wo es weh tut, sondern in der Regel weiter oben oder unten. Dazu haben wir eine Reihe von Tests erstellt, die wir in unserem Kraftraum auf den Patienten anwenden. Zum Beispiel, wenn das Knie weh tut, kann es sein, dass man geringe Mobilität im Sprunggelenk hat oder die Hüftmuskulatur betroffen ist und all das wirkt sich auf das Knie aus. Meistens wird in diesem Fall das Knie behandelt. Wir identifizieren die Ursache, behandeln diese und entlasten das Knie. Wir haben einen Vorgang in diesem Sinne entwickelt, verfolgen die Alltagsaktivität und Fortschritte des Patienten, begleiten ihn Schritt für Schritt, bis er sein Ziel erreicht. Das machen wir anders, wo wir jeden Schritt planen, prüfen und es ist uns und dem Patienten von Anfang an klar, wo wir hinwollen und was wir schaffen. Ich finde es ganz wichtig, die Patienten über ihre Verletzung und die entsprechenden Behandlungsmethoden aufzuklären. Hier bei uns bekommen sie auch viele Informationen und dafür sind sie uns dankbar. All das zu protokollieren und dieses System aufzubauen bedeutete für mich viel Arbeit, aber ich denke, so kann man das Wissen übertragen.
Worin besteht die Dr. Wolff-Methode, die Sie hier anwenden?
Dr. Hartmut Wolff ist Sportwissenschaftler, Therapeut, hat sich auf Rückentherapie spezialisiert und ein Rücken-Kompetenzzentrum in Deutschland eröffnet. Er entwickelt Therapiekonzepte, die wissenschaftlich belegt sind und stellt auch die entsprechenden Geräte dafür her. Er ist seit 30 Jahren tätig. Beispielsweise nachdem Wissenschaftler aus Australien vor einigen Jahren die tiefe Rückemuskulatur erforscht und festgestellt haben, was für eine wichtige Rolle sie spielt, hat Dr. Wolff Geräte für deren Training entwickelt. Auf diesen Geräten, mit denen auch unser Zentrum ausgerüstet ist, wurden Tests und Studien durchgeführt und ihre positive Auswirkung auf Rückenschmerzen wurde wissenschaftlich erwiesen.
Wie würden Sie die Geräte in Ihrem Kraftraum kurz beschreiben?
Die Geräte sind funktionsorientiert, einfach, nicht computergesteuert. Ich habe viele elektronische Geräte auf Messen gesehen, aber in meiner Erfahrung hat Funktion gewonnen. Funktion heißt, in der Kette trainieren. Den Kraftraum habe ich speziell dafür in einer logischen Reihenfolge ausgestattet. Sensomotorisch trainieren wir viel, koordinativ sensomotorisch, damit die Muskeln sich wieder daran anpassen, sich richtig anzuspannen und zu entspannen, also wieder funktionsfähig werden. Außerdem machen wir Cardio-Training und Prävention, damit Leute eine bestimmte Asymetrie in ihrer Körperhaltung korrigieren und sich mit der Zeit nicht verletzen.
Behandeln Sie auch Leistungssportler, die sich nach einem intensiven Training oder Verletzungen erholen wollen?
Wir haben einzelne Leistungssportler behandelt, verfügen auch über das Know-how dafür, nur, dass wir noch nicht dafür bei Sportverbänden geworben haben.
Können wir in der Zukunft mit der Eröffnung einer landesweiten Kette von SportTherapie-Zentren rechnen, so dass man auch außerhalb der Hauptstadt von Ihrem innovativen Ansatz zur Rehabilitation und Erfahrung als Therapeut profitieren kann?
Warum nicht? Ich hatte das nicht unbedingt von Anfang an vor, ich war eher vorsichtig und zurückhaltend, denn ich lege viel Wert auf Qualität, die in unserem Bereich leicht verloren geht. Aber mittlerweile denke ich, wo das System schon konzipiert ist, dass die Therapeuten im Sinne unseres deutschen Konzepts geschult werden müssen und dann können sie dieses auch vor Ort umsetzen. Deshalb bin ich nicht mehr so oft im Kraftraum, denn wenn ich das Konzept entwickle und beispiels-weise fünf Therapeuten beibringe, dann behandelt jeder an die 20 Patienten. Das bedeutet, es profitieren 100 Patienten von der Rehabilitation durch Sporttherapie, statt einer, den ich persönlich behandeln würde. Letztendlich ist unsere Mission, mehr Leute zu erreichen, die das brauchen. Natürlich muss man dabei auch in Räumlichkeiten und Geräte investieren wie in jedem Geschäft und der Einsatz von Investoren ist höchst willkommen. Das System steht schon fest und daher blicke ich zuversichtlich in die Zukunft.
Vielen Dank für das angenehme Gespräch und weiterhin viel Erfolg!