Vegetarisch essen für den Planeten?

Was wäre, wenn die gesamte Menschheit auf Fleisch verzichten würde – ein ernstzunehmendes Gedankenexperiment

Ein Steak – Luxus auf Kosten der Umwelt? Rindfleisch hat von allen tierischen Produkten den höchsten CO2-Fußabdruck.

„Haben Sie auch etwas Vegetarisches auf der Speisekarte?“ Der Bukarester Kellner blickt mich an, als hätte ich Chinesisch gesprochen. Fortan ändere ich meine Taktik. „Ich hätte gerne ein fleischloses Gericht.“ „Haben wir nicht!“, bellt der Ober in einem Siebenbürgischen Dorfgasthauses – und klingt so entrüstet, als hätte ich gebratenen Hund verlangt. „Haben Sie nicht vielleicht Maisbrei mit Käse und Ei?“ „Natürlich!“, kommt es dann wie selbstverständlich. Na, geht doch! Als ich als Jugendliche beschloss, auf Fleisch zu verzichten, waren Vegetarier auch in Deutschland noch selten, mitunter gar verpönt. Doch inzwischen hat längst ein Bewusstseinswandel eingesetzt, heute leben dort rund 6,1 Millionen Menschen vegetarisch. Eine rein persönliche Entscheidung – oder ein wertvoller Beitrag gegen Tierleid, Welthunger und...? Den Klimawandel!

Zugegeben, von Verzicht kann in meinem Fall keine Rede sein: Seit frühester Kindheit hege ich eine Abneigung gegen Fleisch, jede Mahlzeit war ein Albtraum in einer Zeit, in der Eltern noch meinten, ein Kind könne ohne tägliche Fleischportion nicht gedeihen… Doch aus der persönlichen Essensvorliebe ist mit der Zeit eine Lebensphilosophie geworden: Denn wer Fleisch meidet, leistet einen entscheidenden Beitrag für die Umwelt, von der Rettung des Regenwalds bis hin zur Eindämmung der Gefahren von weiteren Pandemien, Antibiotikaresistenzen und, und, und... Hier ein paar handfeste Argumente für jene, die sich ebenfalls dazu berufen fühlen, Fleisch – zumindest immer öfter – vom Teller zu verbannen.

Zu wenig Ackerland für die Weltbevölkerung

Laut UN-ESA wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 die Zehnmilliardenmarke sprengen. Jedem Erdenbürger stünden dann rein rechnerisch 1400 Quadratmeter Ackerfläche für die Ernährung zur Verfügung. Aktuell braucht der Durchschnittsdeutsche bei Beibehaltung seiner jetzigen Essgewohnheiten 1800 Quadratmeter, wobei 40 Prozent auf die Ernährung von Tieren für einen Fleischkonsum von rund 60 Kilogramm pro Jahr entfallen. In Rumänien sind es laut roaliment.ro sogar 77 Kilo! Für 60 Kilo Fleisch werden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 600.329 Liter Wasser verbraucht, 34 Antibiotika-Dosen vergeben und 412,72 kg CO2 ausgestoßen. 

Wie sieht dies in anderen Ländern aus? „Our World in Data“ verdeutlicht die Unterschiede im jährlichen Fleischkonsum pro Kopf – die Zahlen stammen von 2017, nicht eingerechnet sind Fisch und Meeresfrüchte: Weniger als zehn Kilogramm werden in Bangladesch (4), Afghanistan (8,6) und einigen afrikanischen Ländern wie Äthiopien (5,4) oder Gambia (7,8) verbraucht. Über 100 Kilogramm konsumiert ein Mensch in Hongkong (137 kg), Australien (129), den USA (124), Argentinien (109), Ozeanien (108), Macao und Polynesien (103), den Niederländischen Antillen (102). Auch Neuseeland und Spanien liegen knapp über 100 Kilo. Fast alle Länder auf der Liste zeigten von 1961 bis 2017 einen stark zunehmenden Trend im Fleischkonsum. Rumänien figuriert dort für 2017 noch mit knappen 64 kg im Vergleich zu den heutigen 77 kg. In Deutschland hingegen betrug 2017 der Fleischkonsum 87 kg, heute sind es „nur“ noch 60 kg. 

Was passiert bei globalem Fleischverzicht?

Eine Lösung für den Mangel an Ackerland wäre, weniger Getreide und Hülsenfrüchte an Tiere zu verfüttern, sondern diese direkt für die menschliche Ernährung zu nutzen. 

Um einen Vegetarier, der auch Milchprodukte und Eier konsumiert, zu versorgen, braucht es 2,9 mal weniger Wasser, 2,5 mal weniger primäre Energie, 13 mal weniger Düngemittel und 1,4 mal weniger Pestizide, stellten amerikanische Forscher fest, die am Beispiel des Staates Kalifornien prüften, welche Auswirkungen Ernährungsvorlieben auf die Umwelt haben. 

Was aber würde passieren, wenn die gesamte Menschheit auf Fleisch verzichten würde? Laut der jüngsten Studie des WWF vom April 2021 würden sich die Kohlenstoffemissionen weltweit halbieren! Würde man zusätzlich auf Milchprodukte und Eier verzichten, also vegan leben, könnten bis zu 75 Prozent landwirtschaftliche Flächen eingespart werden, zitiert utopia.de eine Oxford-Studie von 2018. Ein gewaltiger Flecken Land, so groß wie die USA, China, die EU und Australien zusammen.

Auch bewusster Konsum hilft 

Freilich ist es nicht jedermanns Sache, sein Leben so radikal umzukrempeln. Doch lohnt es sich, zumindest das Konsumverhalten zu überdenken. Welche tierischen Produkte haben die negativsten Auswirkungen? Die größten Treibhausgasemissionen, ausgedrückt in CO2-Äquivalent, fallen bei der Produktion von Rindfleisch an: 99,48 kg CO2 pro kg Fleisch. An zweiter Stelle stehen Lamm- und Schaffleisch mit 39,72 kg CO2. Mit 33,3 kg CO2 schlägt die Produktion von Kuhmilchprodukten zu Buche. An vierter Stelle steht Krabbenfleisch aus Farmen mit 26,67 kg, gefolgt von Käse mit 23,88 kg. Erst dann kommen Schweinefleisch mit 12,31 kg, Geflügel mit 9,87 kg und Eier mit 4,67 kg. Zum Vergleich: die Produktion von einem kg Kartoffeln verursacht nur 0,64 kg CO2 Emission („Our World in Data“).
Die schlimmsten Treibhausgasschleudern sind Wiederkäuer. Fleischesser könnten einen Umweltbeitrag leisten, indem sie auf Geflügel umsteigen, Ovo-Lacto-Vegetarier, indem sie statt Milchprodukten eher Eier verzehren. In die Treibhausgasbilanz nicht eingerechnet sind die Transporte der jeweiligen Produkte: Vergeblich essen wir Bananen mit einem geringen CO2-Fußabdruck von 0,89 kg, wenn sie über Kontinente hinweg eingeflogen werden. Extra abzuwägen sind auch die vielfältigen Argumente gegen die Massenzucht von Hühnern, vom Vergasen von Hahnenküken hin bis zum Einsatz von Antibiotika, oder zu enger Haltung in unnatürlich großen Gruppen, wovor mit-unter auch Hühner in Bio-Eier-Farmen nicht gefeit sind. Was Geflügel und Eier betrifft, ist die Haltung am eigenen Hof oder der Kauf von lokalen Kleinbauern wohl die beste Variante. 

Leider bleibt der CO2-Abdruck für Bio-Fleisch derselbe, ebenso die Schäden durch mit Tierhaltung verbundenen Abfällen wie die Nitratbelastung von Böden und Grundwasser oder der hohe Wasserverbrauch. 

Weitere Vorteile des Fleischverzichts

Der Verzicht auf Fleisch könnte einen substanziellen Beitrag zur Lösung weiterer Probleme leisten:

  • Schutz des Regenwalds: Fast 75 Prozent der weltweiten Sojaernte werden als Viehfutter verwendet. Die hohe Nachfrage führt dazu, dass in Ländern wie Brasilien Regenwald massiv abgeholzt wird, um Platz für neue Soja-Plantagen zu schaffen. 
  • Artenvielfalt: Viehzucht ist einer der Hauptgründe, warum etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Sie nimmt ihnen Lebensraum und Nahrungsgrundlagen weg.
  • Wasserverbrauch und -qualität: Für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch werden rund 15.000 Liter Wasser verbraucht, für ein Kilo Obst nur 900. Durch das Ausbringen von Gülle aus Massentierhaltungen werden die Böden stark überdüngt und das Grundwasser mit Nitrat belastet.
  • Antibiotika-Resistenzen: Laut einer Studie von 2019, zitiert auf utopia.de, werden in der globalen Tierzucht rund dreimal so viel Antibiotika eingesetzt wie in der Humanmedizin. Die Folge: In den Tieren entwickeln sich resistente Bakterien, gegen die immer mehr Antibiotika wirkungslos sind. Infiziert sich damit ein Mensch, kann dies im Extremfall tödlich enden. Antibiotikaresistenz gilt als eine der größten Bedrohungen der nahen Zukunft!
  • Pandemiegefahr: Tierzuchten in frisch gerodeten Gebieten sind besonders anfällig für von Wildtieren übertragene neue Viren. Diese verbreiten sich in Massentierzuchten leicht und können dort rasch auf den Menschen überspringen.
  • Krebs: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt seit 2015 verarbeitetes Fleisch – gesalzen, gepökelt, geräuchert, fermentiert – also Salami, Schinken oder Würstchen, unter Gefahrengruppe 1 als „krebserregend“. Unverarbeitetes rotes Fleisch wie Muskelfleisch von Rind, Schwein, Schaf, Pferd oder Ziege ist in Gruppe 2 A als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. 
  • Erspartes Tierleid: Kannibalismus in zu engen Käfigen, „Dunkelhaft“ ohne Tageslicht, Massentransporte unter Bedingungen, gegen die Tierschutzorganisationen immer wieder protestieren… Kann man davor die Augen verschließen? Hier muss jeder selbst sein Gewissen befragen. 


Meine vegetarische Vergangenheit lässt sich als Umweltbeitrag durchaus quantifizieren: Der durchschnittliche Deutsche hätte in diesen 40 Jahren 19 Schweine, 2,2 Rinder und 466 Hühner gegessen. Laut Blitzrechner Fleisch (www.blitzrech-ner.de/fleisch/) wären bei der Aufzucht dieser von mir nicht verzehrten Tiere 23.138 Kilogramm CO2 ausgestoßen worden und sie hätten 851 Tagesdosen Antibiotika erhalten. Kein Grund, sich deswegen selbstzufrieden zurückzulehnen. Aber doch ein schönes Gefühl.