Von der Gefährlichkeit einer Personalunion

Die älteste und, durch Zweigstellen und Territorialvertretungen (nach der „linken“ PSD), zweitstärkste der Parteien Rumäniens, die vorgeblich „rechte“ PNL, hat sich selber für den Herbst einen Kongress vorgeschrieben, auf dem sie sich einen neuen Chef geben möchte. Bloß zwei Kandidaten haben sich ins Rennen begeben, der amtierende PNL-Vorsitzende und Präsident der Abgeordnetenkammer, Ludovic Orban, und Premierminister Florin Cîţu, dem nachgesagt wird, den Staatschef Johannis (als dessen Werkzeug Cîţu viele Kommentatoren betrachten) und die „opportunische Equipe“ Siebenbürgens hinter sich zu haben. Da dem Premierminister auch nachgesagt wird, dass sich die „Funktionenzuweiser“ der Partei aus der Provinz (diejenigen, die den Karrieristen der Partei den Weg nach Oben freischaufeln) ebenfalls auf die Seite von Cîţu geschlagen haben, muss wohl einer der jüngst öffentlich gemachten Vorwürfe Orbans so verstanden werden, dass sich um ihn herum schon jetzt die Reihen stark gelichtet haben.
Wenn die beiden von „parteiinterner Demokratie“ und „Konkurrenz der Projekte“ reden, sollte man die Gedanken beherzigen, die einem im Hinterkopf herumspuken: Die beiden wollen doch bloß die Macht! Bleibt nur die Frage, ob nur für sich allein oder um sie zu teilen. Teilen mit wem? Unvermittelt muss man da an die wiederholten Aussagen des Staatspräsidenten von „meiner Partei“ denken, und an die Art, wie Premier Cîţu es versteht, Sentenzen nach vorheriger Absprache auf Schloss Cotroceni von sich zu geben...

Abgesehen von solchen Spekulationen (die allerdings sowohl auf den tradierten rumänischen Untertanengewohnheiten, als auch auf kaum umzudeutenden Indizien und Fakten beruhen) scheint die Lösung mit einem Parteichef Cîţu auf den ersten Blick die bessere zu sein, zumal sie einerseits die Personalunion des Chefs der führenden Regierungspartei mit dem Chef der zweitwichtigsten Partei Rumäniens garantiert, andererseits das nicht unbedeutende Wohlwollen des Staatschefs zu genießen scheint – obwohl der sich bislang mit keinem (beeinflussenden) Wörtchen zur Führungsfrage „seiner Partei“ öffentlich geäußert hat.

Weiter gedacht und vorausgesetzt, dass die amtierende Regierungskoalition sich bis zu den Präsidentschaftswahlen hält, ändert sich die Perspektive: Die Personalunion ergäbe nämlich den Präsidentschaftskandidaten der Rechten – aber ob der Finanzfachmann Florin Cîţu dafür der rechte Mann ist? In Rumänien muss dieser diplomatisches Geschick mit geschicktem Umgang („kurze Leine“ und „divide et impera“) mit den Sicherheitsdiensten auf sich vereinen, ein (auch physisch) überzeugendes Auftreten auf dem Auslandsparkett hinlegen können, einen Hauch von Allvater verbreiten und genügend Schlitzohrigkeit vorweisen, um die Schlitzohrigkeit seiner Ansprechpartner, Kontaktleute und Zuträger leicht parieren zu können.

Mit Verlaub: Cîţu dürften einige dieser „Qualitäten“ fehlen. Außerdem kann man schon beim genialen Franzosen Charles de Montesquieu in seinem 1748 veröffentlichten Buch „Vom Geist der Gesetze“  nachlesen: „Sobald in ein und derselben Person oder derselben Beamtenschaft die legislative Befugnis mit der exekutiven verbunden ist, gibt es keine Freiheit.“ Aber von wo kommt denn der Name der National-Liberalen Partei, wenn nicht von „Freiheit“? Außerdem sollte die Episode des Fliehens Cîţus vor der Regierungsverantwortung vor knapp einem Jahr und drei Monaten nicht zu rasch vergessen werden...

Die PNL ist so alt wie das moderne Rumänien und sie hat alle Zeiten überlebt, auch viele „Mitglieder“ mit viel Dreck am Stecken. Wie jede andere Partei auch ist die PNL ein Instrument der Demokratie, ohne welches weder Freiheit, noch Fortschritt, noch Grundrechte und ein Rechtssystem denkbar wären. Gerade deshalb verdiente diese Partei einen herausragenden Führer.