Wellness-Stress

In Frauenzeitschriften liest sich das immer so schön: Nach getaner Arbeit ein entspannendes Bad einlassen, mit Duftöl und sanfter Musik, einem guten Buch und einer Tasse aromatischem Tee genussvoll in den Schaumbergen schwelgen! Danach fühlt man sich angeblich wie neugeboren.

 

Was für eine gute Idee, denn heute bin ich allein. Also schnell Wasser einlassen, Tee aufbrühen, hier und da noch etwas wegräumen... Sicher dauert es ewig, bis die Wanne voll ist. Den Artikel in „Formula AS” kann ich auch noch rasch anlesen. Aus dem Badezimmer strömt schon paradiesischer Duft, Lavendel und Orange. Huuuch – das Wasser! Gerade noch rechtzeitig. Voll Vorfreude steige ich in den wabernden Schaumberg...

AUTSCH!! Darin kann man ja Krebse kochen! So war das nicht geplant. Doch ein kleiner Regiefehler ist schnell korrigiert – bloß, dass ich hierfür den mit einem Sektkorken improvisierten Stoppel rausziehen muss, also wieder in die siedende Brühe langen. Beleidigt betrachte ich meinen gesottenen Arm nach dem todesmutigen Blitzmanöver. Ist die Verbrühung noch ersten oder schon zweiten Grades? Bibbernd hocke ich am klammen Wannenrand und drehe am Kaltwasserknopf. Will ich überhaupt noch baden?

 

Es dauert eine Ewigkeit, bis das – diesmal streng observierte –  Gemisch erneut betretbar wird. Der schöne Schaum hat sich längst mit dem Orangen-Lavendelduft durch den Ausguss verflüchtigt. Endlich kann ich es wagen – diesmal gaaaanz vorsichtig – wieder ins Wasser zu gleiten. Herrlich! Na, das hat sich doch gelohnt.

Da kommt ein leichtes Frösteln auf. Mist, nun ist das Wasser zu kühl! Aus dem Hahn strömt nur noch laues Pischwasser. Dann muss eben der Wasserkocher herhalten. Nach zwei Ladungen und zwei Küchengängen – bald kann man auf meiner Spur dorthin schwimmen – stimmt die Temperatur endlich. Inzwischen hat der Teebeutel in der Tasse bittere, schwarze Plörre hinterlassen. Ich liege im faden Wasser und denke: „Jetzt hast du Depp auch noch die entspannende Musik vergessen!“ So ein Stress: wieder raus, Vangelis-CD in den Player, angelesene Zeitung geschnappt und zurück ins Wasser, Platsch! Der Tee? Bäh, ab ins Klo! Ein Glas Sekt wäre jetzt das Richtige. So, nun kann es endlich, endlich gemütlich werden!

Lüdlüdlüdlüüü...lüdlüdl..lüüü. Das ist Sabotage!!! Mein Handy, wo mag es nur geblieben sein? In der Küche vielleicht? Also nochmal mit blanken Füßen über die zuvor angelegte Wasserspur gleiten. Der blöde Display-Schieber geht mit nassen Händen natürlich nicht auf. Kaum hab ich es geschafft, hört das ungeduldige Klingeln auf. Ich rufe zurück und – ach, hätte ich mir doch wenigstens ein Handtuch umgeschlungen.Hier zieht es ja wie Hechtsuppe!


Aus dem Hörer flötet die vertraute Stimme meiner besseren Hälfte: „Hallo mein Schatz, wie geht es dir?” „Wunderbar!” lüge ich fröstelnd. „Ich nehme gerade ein schönes, entspannendes Wannenbad!” Insgeheim aber gestehe ich mir ein: Ich bin einfach zu blöd zum Baden.