Wort zum Sonntag: „Mitwirken bewahrt Gemeinschaft”

Festpredigt anlässlich des Heimattags der Banater Schwaben an Pfingsten in Ulm

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Wir feiern, dass Gott uns Kraft schickt, Mut macht und uns auf unserem Weg zur Seite steht. Deshalb wird der Heilige Geist auch Mutmacher-Geist genannt. Genau den brauchen wir in einer Zeit, in der der Kirche in der Gesellschaft ein eisiger Wind entgegenweht. An den Heiligen Geist glauben bedeutet, nicht nur mit den eigenen Kräften und Fähigkeiten rechnen. Gott hat mehr Möglichkeiten als uns in unserem grauen Alltag bewusst ist. 

Wenn ich einen Blick in die Vergangenheit werfe, fühle ich mich in dieser Überzeugung bestärkt. In den 80er Jahren herrschte bei uns eine weitgehende Lähmung, Resignation und Perspektivlosigkeit. Mit einer Revolution in Osteuropa, die alle kommunistischen Regime in Osteuropa zum Einsturz bringen wird, rechnete damals niemand. Wie Sie wissen, wurde Ceau{escu am 22. Dezember 1989 gestürzt, nur sechs Tage, nachdem der Aufstand gegen sein Regime in Temeswar begonnen hat. Ich erinnere mich noch daran, wie Menschen auf der Straße vor Freude mit Tränen in den Augen einander umarmten und ausriefen: „Dumnezeu e cu noi – Gott ist mit uns!“ Was mir erst später aufgefallen ist: In der katholischen Liturgie ist für den 22. Dezember als Tagesevangelium das „Magnifikat“ vorgesehen. Und so lesen wir in der hl. Messe jedes Jahr ausgerechnet am 22. Dezember: „Er (d.h. Gott) stürzt die Mächtigen vom Thron“. Für mich ist der 22. Dezember 1989 einer jener Glücksmomente im Leben, in denen wir deutlich spüren konnten: Hier hatte Gott seine Hand im Spiel. 
Eine wichtige Botschaft von Pfingsten lautet: Du bist begabt! Dein Leben ist dir gegeben als ein großes Geschenk – mit den Talenten, den „Gnadengaben“, griechisch: „Charismen“, die du mitbekommen hast.“ Die ersten Jünger Jesu, die am Pfingsttag aufbrachen, engagierten sich ganz für die „Sache Jesu“. Manche ließen ihre Familien zurück. Andere unternahmen unglaublich strapaziöse Reisen. Wieder andere teilten ihren Besitz mit den Notleidenden. Jeder setzte die eigenen Fähigkeiten ein. Dabei spürten sie, dass sie nicht nur mit ihrer einfachen menschlichen Kraft am Werk waren, sondern dass sie letztlich den „langen Atem“ des Gottesgeistes in sich trugen.

Erfreulicherweise gibt es auch in unserer Zeit Menschen, die ihre Gaben und Fähigkeiten für eine gute Sache und für andere einsetzen. Es sind Menschen, die sich engagieren in Politik, in der Kirche, in Vereinen, die sich einsetzen für die Bewahrung der Schöpfung, für Notleidende, für Frieden und Gerechtigkeit. Mit dem Stichwort „Sich engagieren“ sind wir beim Motto des Heimattages angelangt: „Mitwirken bewahrt Gemeinschaft“. 

Warum das Mitwirken für unsere Landsmannschaft wichtig ist? Ich antworte mit dem Hinweis auf das Stichwort „bewahren“. Bewahren hat viel mit Glaube, Tradition und mit Heimat zu tun. 

Heimat ist mehr als Folklore, mehr als Erinnerung an unsere Kindheit und Jugendzeit; Heimat ist ein Stück unseres Lebens. Darum ist es richtig und wichtig, immer wieder Heimattage zu organisieren. Wir wollen dabei nicht nur Erinnerungen austauschen, sondern uns auch auf das besinnen, was wertvoll ist von dem, was wir aus unserer alten Heimat mitgebracht haben. Wir wollen diese Werte bewahren und sie als kostbares Erbe unserer Ahnen an künftige Generationen weitergeben. Die Zeit, die wir im Banat verbracht haben, war – selbst, wenn sie schwer war – keine vergeudete Zeit. Wir haben einen reichen Schatz an Erfahrungen gesammelt; Erfahrungen, die sehr wertvoll sind, die uns eine große Hilfe sein können, um uns in den Verhältnissen hier in Deutschland zurechtzufinden. 

Menschen, die nach Deutschland kommen und hier bleiben möchten, sollen sich integrieren. Aber Integration ist nicht Anpassung um jeden Preis. Das, was wir als gut und wertvoll erlebt haben, das wollen wir auch bewahren und in die Gesellschaft einbringen.

Zu den Werten, die wir bewahren und weitergeben wollen, gehört auch der Sinn für Gemeinschaft, für das Gemeinwohl. Wir leben in einer Gesellschaft, die von einem extremen Individualismus geprägt ist. Nicht nur die Kirchen, auch die Parteien, Verbände und Vereine leiden unter Mitgliederschwund und haben Probleme, Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren.

Die Menschen aber, die den Mut haben, sich für eine gute Sache einzusetzen, machen die Erfahrung: Solche Arbeit trägt auch einen Lohn in sich, ein gutes Gefühl entsteht, wenn Arbeit Früchte trägt, wenn unser Bemühen erfolgreich ist. Ich wünsche uns diesen Mut, die Kraft, die wir brauchen, um die Aufgaben zu erfüllen, die sich uns stellen und mit den Herausforderungen fertig zu werden, die das Leben in einer immer komplizierter werdenden Welt mit sich bringt.

Zum Schluss nehme ich noch einmal Bezug auf den Heiligen Geist: Mit ihm ist es wie mit dem elektrischen Strom. Damit unsere Geräte funktionieren, müssen sie an das Stromnetz angeschlossen werden. Das ungeheure Potential des Heiligen Geistes ist uns zugesagt. Wir müssen aber immer wieder den Anschluss an diese Kraftquelle suchen und die Verbindung herstellen. Dann kann der Heilige Geist auch heute noch wahre Wunder wirken. Amen!