Kurz nach Mitternacht setzt die Maschine auf kalifornischem Boden nahe der Pazifikküste auf. Eine angenehme Brise empfängt uns in der lauen Sommernacht. Palmen und Kakteen, umsäumt von viel Grün, beleben die um diese Stunde immer noch blütenweiß strahlende Ankunftshalle. Shuttlebusse brausen vorbei, halten an. Auf einem in einer Fahrtrichtung sechsspurigen Autobahnlabyrinth, dem Freeway, geht es zügig dahin. Rückstrahlende Katzenaugen begrenzen die Fahrspur. Wedelnde, vom erfrischenden Nachtwind ermunterte Palmen säumen die überbreiten Straßen.
Los Angeles, oder einfach nur L. A., wächst im Gegenteil zu New York nicht in die Höhe, sondern in die Breite. Die drei Millionen-Metropole ist keine Stadt im europäischen Sinne, sondern ein Konglomerat von über 80 eigenständigen Städten und Vororten: Santa Monica, Long Beach, Pasadena, Glendale, Anaheim... In einem Umkreis von 100 Kilometern um Downtown, dem Finanz- und Bankenzentrum, drängt sich einer der wohl größten Ballungsräume der Welt, die zweitgrößte Stadt der USA. Rasche Zuwächse an Gebäuden und Straßen führen zu enormen Verkehrsproblemen, denn die bestehenden Entfernungen können nur per Pkw bewältigt werden.
Unser Hotel Figueroa, in mexikanischem Stil gehalten, liegt in Downtown-Nähe. Vorsichtig erkunden wir die nähere Umgebung. Auf den Straßen begegnen wir kaum Menschen, alles spielt sich im Auto ab: Essen, Trinken, Schlafen, Fahren, Lesen, Schreiben, Schmusen. Lediglich einige unverkennbare Touristen schlendern durch die sonntagsschläfrigen Straßen. In den Stoßzeiten (Rush hours) ersticken endlose kilometerlange Autolawinen die Freeways. Auf der sogenannten Diamant-Spur dürfen nur Pkws mit mindestens zwei Insassen fahren. Regelwidrigkeiten werden mit 550 US-Dollar geahndet. Dieselbe Summe erfordert auch ein achtlos durchs Autofenster geworfener Zigarettenstummel oder sonstiges.
Eine Ministadtrundfahrt bringt uns in einige Stadtviertel: Santa Monica bietet mit seinem fünf Kilometer langen Sandstrand, den zahlreichen Piers und den Rettungsschwimmerhäuschen die Kulissen für viele Filmserien. In Venice Beach tauchen wir im bunten Treiben der Straßenkünstler und Bodybuilder unter. Hat man Austria hier bisher häufig mit Australia verwechselt, so weiß man seit Schwarzenegger Bescheid. Stolz erzählt uns der Fahrer, dass in Venice Beach „Schwoarzenegger“ das erste Freilichtbodybuildnerzentrum eingerichtet hatte... Der Wilshire Boulevard - eine der längsten Straßen der Stadt - hat das Prädikat „teuerste Einkaufsstraße der Welt“. Ob bei Giorgio, Bally, Valentino - man muss erst einen Termin vereinbaren und dann für die Mindestsumme von 8000 Dollar einkaufen, denn das Geschäft öffnet nur für diese Kunden.
Wir gelangen nach Hollywood. Auf der La Bera-Str. steht das Charlie Chaplin-Studio. Weitere Studios reihen sich perlengleich aneinander. Auf dem Hollywood-Boulevard sind Pflastersteine sternförmig mit den Namen der Stars versehen. Die Schickeria logiert längst nicht mehr in diesem Stadtteil. Sie ist in Beverly Hills zuhause. Man zeigt uns Villen von Stars wie Jimmy Stewart, Tom Jones, Peter Falk, Zsa Zsa Gabor und Robert Wagner. Bel Air ist innerhalb Beverly Hills durch massiv bewachte Tore von seiner Umgebung abgeschirmt. Wir bestaunen die Bleibe von Barbara Streisand, Rod Stewart, die Villen ehemaliger Größen wie Charlie Chaplin, Johnny Weissmüller, Telly Savallas. Diese Bauten wirken regelrecht „bescheiden“, wenn man die 40 Millionen Dollar Nobelkaserne des Kaufhausbesitzers Robinson mit ihren 130 Schlafzimmern und 21 Küchen - „nur“ die Eltern und zwei Kinder bewohnen die Herberge - begaffen durfte.
Frisco - Perle am Pazifik
Steht New York mit Los Angeles in Ost-West-Konkurrenz, so gibt es an der Pazifikküste zwischen San Francisco und Los Angeles eine Nord-Süd-Rivalität. Gebaut auf 40 kleinen und sieben großen Hügeln an der Nordspitze einer schmalen Halbinsel, erstreckt sich Frisco, wie die Stadt liebevoll genannt wird, auf einer Fläche von elf mal elf Kilometern. Die gleichnamige Bucht und das durch die Hügellage wellenhaft erscheinende Straßenbild machen die malerische Schönheit von Frisco aus.
Wir erreichen die Stadt von Nordosten her über die 13,5 Kilometer lange San Francisco–Oakland-Bay-Brücke, die während des Erdbebens von 1989 arg in Mitleidenschaft gezogen worden war. Die Straßen werden lediglich von Touristen begangen. Die 260 Meter hohe Transamerika-Pyramide gilt - im Schatten der Golden Gate-Brücke - als das zweite Wahrzeichen der Stadt. Am berühmten Pier 93 – von hier werden jährlich zehn Millionen Menschen befördert - besteigen wir ein Boot, das uns auf einer Rundfahrt zur Golden Gate-Brücke, vorbei an der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz zur San Francisco-Oakland-Bay-Brücke führt. Kaltluft vom Pazifik trifft ständig auf die vom Festland westwärts strömende Warmluft, so dass es hier zu jeder Jahres- und Tageszeit zu Nebelbildung kommen kann.
S. F. weist ähnlich wie New York ein babylonisches Völkergemisch auf. Die 160.000 Chinesen um die Stockton-Str. und Grant Avenue, die größte Chinesenkolonie außerhalb Chinas, sind kaum assimilierbar. Eigene Schulen, Tempel, Kirchen, Banken und sogar ein eigenes Postamt stehen ihnen zur Verfügung. Angepasst haben sich hingegen die 150.000 Italiener.
Vom Chinesen-Viertel erreichen wir den Union Square mit seinen teuren Geschäften. Im Civic-Center um das Rathaus stehen die berühmten Kulturinstitutionen: Theater, Museen, das War Memorial Opera-House, in dem 1945 die Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet wurde. Im Rathauspark wird es abends unheimlich, denn die 5000-10.000 Obdachlosen bringen die Gegend in Verruf. Insassen von ehemaligen, zur Zeit der Regierung Reagans aufgelassen Heimen für Geisteskranke, gehören bettelnd zum Straßenbild San Franciscos. Friedlich ist es hingegen um die Castro-Str. bis hin zur Haigt-Str.: überall Fahnen in Regenbogenfarben als Zeichen, dass hier Homosexuelle wohnen, die sich ob der Freizügigkeit San Fransiscos aus allen Teilen der USA hierher zurückgezogen haben. Es sind um die 150.000, bei 750.000 Einwohnern, die friedlich zum Erscheinungsbild der Stadt gehören.
Vom Aussichtshügel Twin Peak bietet sich ein schöner Überblick über Stadt und Bucht. An der Pazifikküste erreichen wir den Golden Gate-Park, den schönsten Park der USA: 5000 Pflanzenarten, das Steinhart-Aquarium, das Museum für asiatische Kunst und mehr. Sehenswert auch die Blumenstraße, ein Teilstück der Lombard-Str., der kurvenreichsten Straße der Welt; ebenso der Alamo Square mit viktorianischen Häusern.
Sonntagmorgen: 9.30 Uhr. Wir fahren zur nebelumhüllten Golden-Gate-Brücke, denn es ist für jeden Besucher Pflicht, die 2,7 Kilometer, 67 Meter über dem Wasser trotzende Brücke zu Fuß zu überqueren. Alltags, wenn über 200.000 Pkws über die Brücke brausen, würde ein Fußmarsch zur Hölle werden. Eisig bläst der Wind von Westen vom Pazifik her. Wir erreichen das Ufer an der Nordseite, Richtung Sausalito, das, von Hügeln geschützt, ein milderes Klima als San Francisco abbekommt. Künstler und Bohemien haben hier Zuflucht gefunden. Sausalito, bekannt für seine uralten Sequoia-Wälder, bekannt auch als Mammutbäume, wirkt einladend und beruhigend. Die bis zu 80 Meter hohen Rothölzer können über 1000 Jahre alt werden.
Auf der Traumstraße gen Süden
Wir verlassen San Francisco südwärts und gelangen auf eine der schönsten Teilstrecken der Traumstraße Alaska - Feuerland, dem 750 Kilometer langen Abschnitt San Francisco - Los Angeles: traumhafte Buchten, menschenleere Strände, Wassertemperatur um 20 Grad Celsius, häufig Kulisse für die verschiedensten erfolgreichsten Streifen der Filmgeschichte. Das „Silicon-Valley“, eigentlich Santa Clara-Tal, südlich von S.F. beheimatet zahlreiche Standorte der Computer-Industrie: NEC, Apple, Hewlett-Packard u.a. Daher auch der Spitzname. In Castroville, der Artischockenhauptstadt der Welt, hat ein 15-jähriges Mädchen aus Los Angeles, zur Artischockenkönigin gekürt, einst den Weg zu einer Traumkarriere eingeschlagen: Marilyn Monroe. Monterey, ehemalige Hauptstadt des ursprünglich mexikanischen Kaliforniens, ist eine Besichtigung wert. Seine einstmals spanischen Missionen - wie die in Carmel, Santa Barbara und viele andere entlang der Küste - bringen einen Hauch von Geschichte in diesen allzu gegenwartsbezogenen Landstrich.
Wir erreichen Solveng, ein von dänischen Lehrern gegründetes Dorf. Fachwerkhäuser und Windmühlen lassen den Eindruck entstehen, man sei in Dänemark. Allein die Palmen und Zypressen korrigieren ihn. Hier hatten Ronald Reagan und Michael Jackson ihre Ranch: Reagan El Cielo und M. Jackson Neverland in Los Olivos. Bezaubernd wirkt die in spanisch-maurischem Stil nach dem Erdbeben von 1929 wiedererrichtete, heute 80.000 Einwohner zählende Stadt Santa Barbara mit ihrem breiten palmengesäumten Sandstrand. Kalifornien - Wunderland der Sehnsucht und doch erlebte Wirklichkeit...