Als Skigebiet oder Luxuswinterferienort im Prahova-Tal bekannt, wird Sinaia – die rumänische Stadt mit den meisten historischen Baudenkmälern im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte – auch durch ihre einhundert architektonischen Juwelen ihrem Spitznamen „Perle der Karpaten“ gerecht. Das unbestreitbar schönste: das königliche Anwesen Pelesch/Peleș mit seinen drei Schlössern Pelesch, Pelișor und Foișor.
Im August 1866 begab sich der nur vier Monate davor zum Herrscher der Vereinigten Rumänischen Fürstentümer gekürte Fürst und spätere König Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen in Begleitung des Fürsten Dimitrie Sturdza und des Arztes Carol Davila zum ersten Mal in die damals Podul Neagului (Neagului-Brücke) heißende Ortschaft. Der Legende nach soll an der königlichen Kutsche plötzlich im Flusstal Pelesch ein Rad gebrochen sein, was den Fürsten Karl I. auf die bezaubernde Landschaft aufmerksam machte und ihn zum Übernachten im benachbarten Sinaia-Kloster zwang. Nach diesem hat er die Ortschaft später umbenannt.
Baugeschichte
1971 kaufte er dort mit Geldern aus seinem Privatvermögen ein 1000 Hektar großes Grundstück von der Krankenhäuserverwaltung für eine Sommerresidenz. Darauf ließ Fürst Karl I. die drei Schlösser – Pelesch, die Sommerresidenz des späteren Königspaares, Pelișor, die Residenz des Kronprinzen Ferdinand und seiner Ehefrau Prinzessin Maria und das Jagdschloss Foișor im Zeitraum 1873-1914 bauen.
Soweit wie möglich stammten die Baustoffe aus der Region. In nur wenigen Monaten entstand ein regelrechtes Dorf mit Hunderten Arbeitskräften.
An der Errichtung des Pelesch-Schlosses arbeiteten die Architekten Wilhelm von Doderer, Johannes Schultz, der die Pläne für das zweistöckige Schloss im Schweizer Chalet-Stil und Fachwerkfassaden im deutschen Renaissancestil entwarf, Émile André Lecomte du Noüy, Karel Liman, sowie Jean Ernest, Unternehmer, Erbauer und Eigentümer von Baustofflagern, sowie Maurer, Schmiede und Designer aus über 30 Ländern, darunter J. D. Heymann aus Hamburg, August Bembé aus Mainz und Bernhard Ludwig aus Wien. Im Herbst 1883 wurden das Schloss und seine Nebengebäude fertiggestellt und feierlich eröffnet.
Den heutigen Zustand erreichte der Bau 1914, im Todesjahr von König Karl I. Schloss Pelesch verfügt über eine Fläche von 3220 Quadratmetern, 160 Zimmer, 30 Badezimmer, 2330 Beleuchtungskörper und ist von sieben Terrassen umgeben, die mit Statuen des italienischen Bildhauers Raffaello Romanelli, in Stein gehauenen Brunnen, Ziervasen und Carara-Marmor geschmückt sind.
Modernstes Schloss Europas seiner Zeit
Pelesch gilt als europaweit erstes Schloss, das vollständig elektrifiziert war. Es verfügt über ein eigenes Kraftwerk – das erste Wasserkraftwerk, das auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens gebaut wurde und eines der ersten in Europa. 1903 wurden zwei elektrische Aufzüge installiert, eine Neuheit für die Zeit.
Schloss Pelesch verfügt seit seiner Eröffnung über Abwasser und fließendes Wasser – ebenfalls neu in Europa. Unter den großzügigen Terrassen und Zugangsrampen befinden sich eine Reihe von Aquädukten zum Sammeln und Ableiten von Wasser. Es ist zudem das erste Bauwerk Rumäniens mit einem Betonfundament.
Das Schloss ist mit Zentralheizung, Heizkörpern und Boilern ausgestattet, obwohl fast jeder Raum über einen Ofen oder Kamin verfügt – nur zur Dekoration.
Der Staubsauger (Baujahr 1900) ist an sich schon eine erstaunliche Neuerung: Die gesamte Maschine steht im Keller, im sogenannten Staubsaugerraum, und in den Ecken der Flure gibt es Steckdosen, an die sehr lange Schläuche angeschlossen sind, die auf Knopfdruck saugen.
Die Glasdecke der Ehrenhalle ist beweglich und kann elektrisch bedient werden, um bei Bedarf die frische Luft zu genießen oder den sommerlichen Sternenhimmel zu bewundern. Viele Systeme sind heute noch betriebsfähig.
Königliche Sommerresidenz wird Museum
Obwohl es sich um das persönliche Eigentum von König Karl I. handelte, diente das Anwesen Pelesch als offizieller Wohnsitz mit repräsentativer und Protokoll-Funktion. Unmittelbar nach der Zwangsabdankung von König Michael I. und seiner Abreise ins Exil am 3. Januar 1948 wurde das Pelesch-Anwesen vom sozialistischen Regime beschlagnahmt und verstaatlicht. Sowohl die kommunistische Nomenklatur als auch die sowjetischen Offiziere, die die Besatzungstruppen koordinierten, wählten sich aus der Beute Kunstgegenstände, Teppiche und teure Möbelstücke aus. Die Inventarisierung der Gegenstände erfolgte einige Jahre später durch das sogenannte Levente-Gremium, das die Integrität der Vermögenswerte der drei Schlösser nicht garantierte.
1953 wurde Schloss Pelesch zum Museum und blieb von 1975 bis zur Wende 1989 angeblich zur Sanierung für die Öffentlichkeit gesperrt. Ab 1990 konnten Pelesch und Pelișor wieder besucht werden und 2007, nach einem langjährigen Gerichtsverfahren gegen den rumänischen Staat, wurde das Anwesen an König Michael I. rückerstattet.
Im Jahr 2010 schlossen der rumänische Staat und die königliche Familie eine Vereinbarung, wonach die Schlösser Pelesch und Pelișor dem touristischen Rundweg angeschlossen und für verschiedene Kulturveranstaltungen gegen eine monatliche Miete genutzt werden dürfen.
Exquisites Innendekor
Obwohl das kostbare Innendekor und die ungefähr 60.000 im Bestand verbliebenen Kunstobjekte überwältigend wirken, mag man sich die Pracht der Inneneinrichtung – von der italienischen Renaissance, Ludwig XV., Neobarock, Neorokoko über Neoklassizismus und Adam-Stil bis hin zum Jugendstil – vor dem kommunistischen Überfall kaum vorstellen. Die Ehrenhalle ist prachtvoll im Stil der deutschen Renaissance mit subtilen barocken Akzenten, mit Walnuss-Holzvertäfelungen sowie Flachreliefs und Statuetten dekoriert. Als Vorbild dafür galt der Fredenhagen-Saal des Handelskammerschlosses in Lübeck.
In der königlichen Bibliothek mit ihren Ledereinbänden und Goldbuchstaben gibt es eine Attraktion auch für jene, die mit der Welt der Bücher nicht so vertraut sind: die Geheimtür hinter einem Bücherregal, durch die der König in verschiedenen Räumen des Schlosses Zuflucht suchen konnte.
Die Waffenkammer beherbergt über 4000 europäische und orientalische Stücke aus dem 14. bis zum 17. Jh. Als besonders wertvoll gelten deutsche Rüstungen aus dem 16. und 17. Jh. sowie eine in Rumänien einzigartige vollständige Rüstung für Pferd und Ritter.
Der Florentiner Saal beeindruckt mit seiner geschnitzten, vergoldeten Lindenholz-Decke, Dekorationen im Stil der italienischen Neorenaissance, zwei großen Kronleuchtern mit 42 Armen, die von Meistern der Insel Murano aus farbigem Glas gefertigt und mit Blumen und Blättern mediterraner Gärten verziert wurden. Die Türrahmen und der imposante Kamin aus Paonazzo-Marmor sind vom Grabdenkmal der Medici-Familie inspiriert.
Der Spiegelsaal erinnert an einen Dogenpalast und ist mit sechs venezianischen Spiegeln mit edlen Formen, Giebeln und Zierleisten, graviert mit Medaillons, die mythologische Szenen darstellen, eingerichtet.
Der Maurische Saal weist spanisch-maurische Elemente auf, darunter ein Brunnen aus Carrara-Marmor und eine Kopie eines Brunnens aus Kairo. Der Türkische Salon beherbergt eine Sammlung türkischer und persischer Messinggefäße.
Der Theatersaal verfügt über 60 Sitzplätze und eine Königsloge im Stil Ludwigs XIV. Der Konzertsaal im ersten Stock beherbergt u. a. ein 1621 in Antwerpen hergestelltes Cembalo, einen senkrechten „giraffenartigen“ Blüthner-Flügel und eine Rieger-Orgel mit zwei Klaviaturen.
Das weitläufige Kaiserappartement, bestehend aus großem und kleinem Salon, Boudoir, Bade- und Dienerzimmer sowie dem Appartement des Kronprinzenpaars Ferdinand und Maria, wurde zwischen 1905 und 1906 anlässlich des Besuchs des Kaisers von Österreich-Ungarn, Franz Josef I., im Stil des Neobarocks eingerichtet, um das 40. Herrschaftsjubiläum von König Karl I. zu feiern.
Weitere Sehenswürdigkeiten sind der Ratsraum, einem der Säle des Rathauses in Luzern, Schweiz, nachgebildet, und der Speisesaal, in dem wertvolle Silberstücke und rustikale bretonische Möbel aus dem 18. Jh. ausgestellt sind.
Königliche Kunstsammlung
In seinem Wunsch, eine eigene Sammlung von Kunstwerken der Altmeister aufzubauen, erwarb Karl I. bedeutende Werke aus dem 15. Jh. von Schulen aus Florenz, Venedig und Rom, spätere Werke aus dem 16. bis 19. Jh. aus der genuesischen, neapolitanischen und sizilianischen und Correggio-Schule sowie der Florentiner Malerin Agnese Dolci. Die königliche Kunstsammlung umfasst 214 Werke wichtiger europäischer Meister, von denen mehr als die Hälfte italienische Gemälde sind. Außerdem beherbergt das Pelesch-Museum die landesweit einzigen Werke von Gustav Klimt: vier Gemälde, die Allegorien von Jahreszeiten darstellen. Teil der Sammlung sind auch Skulpturen, Keramik, Gold- und Silberschmiedekunst, Wandteppiche, Münzen, Medaillen, Orden, Möbelstücke und Glasobjekte von besonderer Raffinesse.
Das Pelesch- und das Pelișor-Schloss sind mittwochs bis sonntags, von 10 bis 17 Uhr, das ganze Jahr über geöffnet.