Zwischen Râmnicu Vâlcea und Târgu Jiu liegt der Ort Horezu, berühmt für die lokale Keramikkunst und das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörige, gleichnamige Kloster. Weniger bekannt hingegen sind die nur 4 km entfernt gelegenen Cule – wehrhaft befestigte Wohnhäuser der Bojaren aus dem 18. und 19. Jahrhundert, in die man sich bei Überfällen der Türken oder Raubzügen der Heiducken zurückzog.
Der merkwürdige Begriff Cule leitet sich vom türkischen Wort für Turm („kule”) ab und bezeichnet hierzulande eine befestigte Wohnanlage mit meterdicken Wänden, hohem Erdgeschoß, einer hochklappbaren Treppe zum Obergeschoss und sich nach oben hin leicht verjüngenden Wänden mit schmalen Fenstern und Schießscharten.
Der Brunnen befand sich in der Regel nicht im Hof, sondern im Keller. In den oberen Geschossen findet man Verstecke in Räumen, deren Fenster und Türen von innen mit Querbalken verbarrikadiert werden konnten. Cule gab es jedoch nicht nur in Rumänien, sondern im gesamten balkanischen Raum, vor allem in Serbien und Albanien. Hierzulande findet man sie fast auschließlich in Oltenien, mit wenigen Ausnahmen in Muntenien und im Landkreis Argeş.
Museumskomplex Măldăreşti
Südwestlich von Horezu liegt der Ort Maldareşti mit einem Museumskomplex, der zwei gut erhaltene Cule umfasst. Die von weitläufigen Gärten umgebenen, weiß getünchten Bojarenhäuser im Brâncoveanu-Stil können täglich von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden.
Für die letzte Führung sollte man spätestens bis 17 Uhr vor Ort sein (Führungen in Fremdsprachen nur nach Voranmeldung, Tel. 0250-861510). Die beiden benachbarten Cule – nach ihren letzten Bewohnern Greceanu und Duca benannt – beeindrucken durch ihre massive Bauweise, in der ästhetische Aspekte trotzdem nicht zu kurz kommen. Weißgetünchte Wände bilden einen gelungenen Kontrast zu Treppen und Parkett aus dunklem Holz, spärlich eingesetztem Deckenstuck und edlen geschnitzten Holzmöbeln, welche die Innenarchitektur der Cule auch vor dem heutigen Geschmack bestehen lassen.
An den Wänden prangen alte Ikonen aus der Region, stilvolle Dekorelemente bestimmen das allgemeine Bild. Die ausgedehnten Rasenflächen im Garten zieren uralte Bäume, Blumenbeete und dekorativ ausgelegte Trovanten – seltene natürliche Gesteinsformationen in Kugel- oder Ellipsenform, oft in bizarren Formationen zusammengebacken, die man im nahegelegenen Coste{ti im Trovantenpark finden kann.
Folgt man der Zufahrtsstraße zu dem Museumskomplex bis ans Ende, stößt man auf eine kleine alte Kirche. An der überdachten Eingangswand zeigt sie ein prachtvolles Fresko des jüngsten Gerichtes, das dem gleichnamigen Motiv im Kloster Horezu um nichts nachsteht. Hier liegen die Mitglieder der Bojarenfamilie Măldărescu begraben.
Cula Duca
Die Führung beginnt mit der Cula Duca, einem von Gheorghiţă Măldărescu im Jahre 1812 errichteten Gebäude – die Inschrift 1827 bezieht sich hingegen lediglich auf die Anbringung der Stuckverzierung im Obergeschoss. Anfang des 20. Jahrhunderts kaufte der liberale Bukarester Politiker I. G. Duca – ehemaliger Innenminister, Außenminister, von König Carol II. zum Präsidenten des Ministerrates berufen und 1933 ermordet – zwei Hektar Land, sowie die darauf befindliche Cula Măldărescu.
Der erkorene Liebhaber alter Traditionen restaurierte das Gebäude und richtet es originalgetreu ein, mit Teppichen und alten Ikonen, bäuerlich bemalten Tontellern und silbernen Kerzenleuchtern an den Wänden. Die entsprechende Originalausstattung der Cula war leider mit der Zeit verschwunden, konnte jedoch aufgrund Beschreibungen in alten Dokumenten stilecht nachempfunden werden.
Am anderen Ende des Gartens errichtete Duca zwischen 1910 und 1912 ein Ferienhaus, das ebenfalls im Rahmen der Führung begangen wird. Das architektonisch dem Stil der Cula angepasste Gebäude enthält Möbel und Dekor aus der Zeit Ducas, die vom außergewöhnlich guten Geschmack des Politikers zeugen.
Vor der romantischen Kulisse der Cula Duca wurden drei historische Spielfilme gedreht: 1969 die Filmserie „Neînfricaţii” (Die Furchtlosen), 1980 der Film „Drumul oaselor” (Der Weg der Knochen) und 1981 „Iancu Jianu – Haiducul” (Iancu Jianu - der Heiduck).
Cula Greceanu
Die Führung geht weiter mit der Cula Greceanu, die einer Legende zufolge von einem Hauptmann namens Tudor Măldar aus dem Gefolge Michael des Tapferen (Mihai Viteazul) errichtet worden sein soll. Historische Belege weisen ihr ein jüngeres Entstehungsdatum gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu, wobei das heutige Gebäude aus den Resten eines von Gheorghe Măldărescu errichteten, älteren Bauwerks entstanden sein soll. Kellerfenster, Säulenarkaden und durchgängige Balkenführung in der oberen Etage sind typische Elemente des Brâncoveanu-Stils.
Eine Besonderheit der ansonsten schlicht gehaltenen Cula Greceanu ist ein Zimmer im Obergeschoss, in dem die Mitglieder der Familie Măldărescu überlebensgroß an den Wänden dargestellt sind. Ungewöhnlich ist, dass der Keller des Gebäudes nicht mit den Wohnetagen kommuniziert – vermutlich, um Angreifern den Zugang zu erschweren. Faszinierend ist die Guckloch-Schießscharte neben der Haustüre, die so geschickt angelegt ist, dass man buchstäblich um die Ecke blicken kann, ohne jedoch selbst gesehen zu werden! Wenn einem das Gesicht nicht gefällt, kann man gleich hinausschießen...
Synthese von Zweck und Geschmack
In beiden Culen beeindrucken elegante, weiß gekalkte Öfen in verschiedenen Formen, die alle Wohnräume zieren. Sie wurden mit Holz befeuert und zeichnen sich durch lange, dekorativ verschlunge Rohrführungen aus, in denen der Rauch zirkuliert, um vor dem Weg zum Schornstein möglichst viel Wärme abzugeben. Auch wenn alle Öfen nach dem gleichen Prinzip erbaut wurden, gleicht äußerlich kein Exemplar dem anderen.
Kreative Häuslebauer finden hier bestimmt die ein oder andere Idee, die man auch in einem rustikalen Landhaus ohne Festungscharakter umsetzen kann. Es gibt ihn also auch in Rumänien, den guten Geschmack – er wohnt in Măldăreşti. Vielleicht sollte man ihn mal ein bisschen auf Missionsreise durchs Land schicken – um Plastikwelldächern, quietschbunten Fassaden und protzigen Edelstahlgeländern, die unberührte Natur und idyllische Dörfer bedrohen, den Kampf anzusagen...