Rumänen lieben Österreich – nicht zuletzt dank ihr. Hoch im Kurs stehen bizarre Berggipfel, endlose Skipisten mit Schneegarantie, Vier-Sterne Hotels mit Wellness-Verwöhnprogramm, rauschende Apres-Ski Events, eine saubere Natur und Apfelstrudel mit Vanillesoße, aber auch die schillernde Hauptstadt mit immer noch kaiserlichem Flair, einer facettenreichen Kulturszene, lässiger Heurigen-Gemütlichkeit und dem berühmten Wiener Chic. In den letzten Jahren explodierte die Besucherzahl rumänischer Touristen in der kleinen Alpenrepublik um 40 bis 60 Prozent, freut sich Gabriele Lenger, Vertreterin des nationalen österreichischen Tourismusbüros in Bukarest, das in den fürstlichen Räumen der Villa der österreichischen Handelskammer residiert.
Die Sterne standen günstig, als die aparte Reiseexpertin 2009 der rumänischen Hauptstadt vor den alternativen Einsatzorten London oder Wien den Vorzug gab. „Hier kann man noch etwas aufbauen, der Markt ist noch nicht gesättigt“ motiviert die Österreicherin, die frisch aus Toronto kam, ihre Wahl. Auch privat hat sie Bukarest mit seiner schönen Architektur und den schmucken Boulevards „irrsinnig positiv überrascht“. Dies hat sich bis heute nicht ins Negative verkehrt. Auch wenn sie bisher noch nicht allzuviel von ihrem Gastland besichtigen konnte, ist eines wohl sicher: Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit.
Was Rumänen an Österreich schätzen
Erstaunlich ist es nicht, denn Österreich und Rumänien verbinden viele Gemeinsamkeiten. Zauberhafte Bergpanoramen, authentische Natur, deftige kulinarische Köstlichkeiten und süffiger Wein. Doch was reizt den rumänischen Touristen an einem Urlaub im fernen Alpenland? „In erster Linie das Skifahren“, erklärt die Reiseexpertin. „Da hat Österreich vor der Schweiz klar den Vorteil, dass es geografisch einfach günstiger liegt. Denn 63 Prozent der Rumänen reisen mit dem Auto an“, beobachtet Gabriele Lenger.
Ein Vorteil, weil man dann tüchtig einkaufen kann, eine der Lieblingsbeschäftigungen der Touristen aus dem Karpatenland. Obwohl beim Buchen Schnäppchenjäger aus Passion, sind sie bei Ausgaben vor Ort Meister, verrät die Tourismusmanagerin. Etwa 125 Euro lässt der Rumäne täglich über die Klinge springen, im Vergleich zum Rest der Urlauber mit 96 Euro.
Was uns außerdem vom zentraleuropäischen Durchschnittsgast unterscheidet, ist die Vorliebe für luxuriöse Unterkünfte. 32 Prozent der Rumänen logieren in Vier- bis Fünf-Sterne-Hotels, im Vergleich zu den Ungarn, Tschechen und Polen mit nur 20 Prozent. Langsam spricht es sich jedoch herum, dass Urlaub auf dem Bauernhof trotz wesentlich günstigerer Preise fast dasselbe Niveau und dazu jede Menge familienfreundlicher Aktivitäten bietet. Beliebt ist aber auch das gute Essen, exzellenter Service und eine Vielzahl an Freizeitangeboten neben dem Sport, dem rumänische Gäste eher oberflächlich frönen. „Sie lieben zwar die Berge, doch fahren sie mit der Seilbahn hoch“ schmunzelt Gabriele Lenger. „Skifahren, Wandern, Klettern, Radfahren oder Wassersport wird alles noch recht gemütlich betrieben.“
Die erste Österreich-Reisewelle aus Rumänien begann mit Städtereisen nach Wien. Erst dann folgte der Run auf Wintersportgebiete wie Kaprun, Ötztal oder Ischgl, letzteres dank einer ausführlichen Werbekampagne des österreichischen Tourismusbüros. Potenzial sieht Lenger noch für den Sommertourismus, wo Hotels um ein Drittel günstiger sind. „Immerhin haben unsere Badeseen Trinkwasserqualität“, schwärmt sie und erzählt von einer Kampagne mit rumänischen Prominenten, die ihren Sommerurlaub in Österreich verbracht haben.
Gezielte Werbung und ein nachhaltiges Konzept
Wer das Interessensprofil seiner Kunden so genau kennt, kann sich optimal auf deren Bedürfnisse einstellen. Obwohl wenig Direktkontakte zu den Reisenden bestehen – das Nationale Tourismusbüro ist schließlich kein Reisebüro – hat die Vertreterin Zugang zu statistischen Daten über Wirtschaftsforscher, Meldeblätter und dem österreichischen Statistikinstitut.
Ihre Hauptaufgaben liegen im Marketing, in der Pressearbeit und der Weitergabe von Informationen über Österreich an hiesige Reiseveranstalter. Fachveranstaltungen, Studien- und Pressereisen, Broschüren und eine ausführliche Webseite (www.austria.info/ro) stellen sicher, dass Informationen über die attraktivsten Ferienziele effizient an den Mann gebracht werden. „Die Rumänen sind unheimlich internet-affin“, erkannte Gabriele Lenger. „Sie suchen sich am liebsten alles selbst zusammen und buchen zu 32 Prozent Online, im Vergleich zu nur 16 Prozent der übrigen Touristen.“ Auch auf Facebook hat „Descoperă Austria“ schon über 20.000 rumänische Freunde.
Finanziert werden diese Aktivitäten zu 60 Prozent vom österreichischen Wirtschaftsministerium, zu 20 Prozent von der Handelskammer und der Rest wird durch Leistungen an die Tourismusorganisationen der neun Bundesländer selbst generiert. Hier ist Kreativität gefragt, was für die rührige Managerin jedoch kein Problem zu sein scheint.
Ob Weinprobe für die Presse mit einem Wiener Bio-Winzer und Präsentation der festlichen Hauptstadt, die auch nach erfolgreich abgeschlossenem Klimt-Jubiläumsjahr 2012 als Dauerbrenner-Reiseziel gilt, ob feierliche Eröffnung einer weihnachtlichen Lüsterstrecke aus Wien im Bukarester Altstadtviertel, ihre Aktionen sind gut besucht und generieren sogar Fans.
Gerührt berichtet sie von einem Facebook-Kontakt zu einem rumänischen Mädchen, das extra wegen der Weihnachtsdekoration nach Bukarest gefahren war. Enttäuscht musste sie feststellen, dass die Lüster zwei Tage früher als angekündigt abgebaut worden waren, auf Ersuchen des Rathauses wegen einer Baumaßnahme, wie Gabriele Lenger erklärte. Als Entschädigung lud sie das Mädchen zur Weihnachtsfeier der Tourismusvertretung ein. Bei Christkindlmarkt-Atmosphäre mit Glühweinstand, Würstelbude, Mehlspeisen und gebratenen Maroni war die Enttäuschung schnell vergessen. Dies alles stilecht im ersten dichten Schneegestöber der Saison! Selbst der Herrgott scheint den Österreichern wohlgesonnen zu sein...
Touristische Nischen schmackhaft präsentieren
Wie wichtig ist eigentlich Werbung für ein touristisches Ziel? Ist ein so bekanntes Urlaubsland wie Österreich nicht längst ein Selbstläufer? Gabriele Lenger schüttelt vehement den Kopf. Neben Skifahren gibt es viele Nischen, die gar nicht ausreichend bekannt sind. Genau hier ist Kreaitivität gefragt.
2013 will sie vor allem auf Werbung für Familienurlaub setzten. „Österreich hat da sehr viel zu bieten“, schwärmt Gabriele Lenger. Kinder- und Babyhotels zum Beispiel, wo Wickeltische, Windeln, Kleinkindermenüs oder spezielle Freizeitangebote wie Babyschwimmen ganz selbstverständlich zum Repertoire gehören. Während die Kleinen in betreuten Gruppen bei Sport und Spiel Spaß haben oder auf einer urigen Hütte übernachten dürfen, können Eltern in Ruhe wandern oder radfahren.
Auch an familienfreundlichen Ausflugszielen mangelt es nicht: Die Eisriesen-Höhle in Salzburg mit speziellen Kinderführungen, das Salzbergwerk in Hallein mit seinen meterlangen Rutschen und Wägelchen, auf denen die wie Astronauten verkleideten Besucher ins Innere des Berges fahren, und nicht zuletzt der Prater in Wien.
Wie wichtig passende Werbung auch in Rumänien wäre, illustriert sie am Beispiel ihres Urlaubs im Donaudelta. Mit dem Hausboot, Naturführer und Köchin an Board, ging es von Tulcea bis Maliuc, Birdwatching mit Kormoranen und Pelikanen, Besuche bei lokalen Fischern und Bauern inbegriffen. „Traumhaft!“, fasst Gabriele Lenger ihren Eindruck zusammen.
Auch ihre Freunde aus Österreich konnten nicht fassen, dass es so etwas in Europa noch gibt. Trotzdem wird dieses einzigartige Naturparadies mangels zielgerichteter Werbemaßnahmen von ausländischen Touristen als Urlaubsziel kaum wahrgenommen, kritisiert Gabriele Lenger.
Freilich gehört hierzu auch ein nachhaltiges touristisches Konzept. Eine Pension im Stil eines Tirolerhauses, ausgerechnet im Fischerdorf Mila 23, oder ein lautes Partyschiff, das abends durch die Kanäle zog, während sie mit einem Glas Wein an Deck den Fröschen lauschte, fanden bei ihr wenig Anklang. Natur- und Massentourismus verträgt sich nicht.
Im österreichischen Burgenland wird die Entwicklung und Vermarktung einer Region zum Beispiel auf der Basis einer Tourismustaxe finanziert. „Jeder Betrieb, sei es Bäcker, Mechaniker oder Schmuckladen, muss eine prozentuale Abgabe vom Gewinn leisten, weil er indirekt vom Tourismus profitiert“, erklärt Lenger. In Wien hingegen muss für den Aufenthalt in einem Beherbergungsbetrieb eine Ortstaxe bezahlt werden.
Noch hat Gabriele Lenger jede Menge Ideen, wie man die verschiedenen Regionen ihres Heimatlandes als Urlaubsziele schmackhaft machen kann. Witzige Aktionen wie das Bekleben einer Bukarester Straßenbahn mit Tiroler Berglandschaften oder einem Public-Gardening Event schweben ihr vor.
Zwei Jahre möchte die rührige Österreicherin noch in Bukarest bleiben, dann soll es wieder in ein anderes Land gehen. „Vier bis sechs Jahre, das ist so meine persönliche Zeit, danach brauche ich eine neue Herausforderung“, meint die alleinstehende Karrierefrau über ihr Reiseleben. In dieser Zeit möchte sie noch unbedingt die Maramuresch und die Bukowina besuchen. Paradox, dass ausgerechnet Reiseexperten zum Reisen zu wenig Zeit haben...