Mit meinem Fahrrad, einem Fotoapparat, einem belegten Brot, einem Apfel und einer Wasserflasche machte ich mich Anfang Oktober mitten unter der Woche auf den Weg, den neuen Wander- und Fahrradweg, der im Hermannstädter Viertel Hammersdorf/Guşteriţa beginnt, zu erforschen. Die Route, an deren Einrichtung sich die Evangelische Kirchengemeinde A.B. in Hermannstadt, der Siebenbürgische Karpatenverein sowie die Vereine „PeDale“ und „Tură în Natură“ beteiligt hatten, war am Samstag davor eingeweiht worden. Nun wollte ich sehen, wie es einem Radfahrer ergehen könnte, der mit der Route nicht vertraut und alleine unterwegs ist.
Das Wetter hätte für das Vorhaben nicht besser sein können: klarer blauer Himmel, nicht zu kühl und nicht zu warm, leichte Brise zur Abkühlung. Ich startete meine Radtour in der Altstadt von Hermannstadt gegen 13 Uhr und bald war ich schon bei der Evangelischen Kirche in Hammersdorf, dem Ausgangspunkt des Fahrradweges, angekommen. Nicht klein war meine Verwunderung, an der Informationstafel, die vor der Kirche angebracht ist, nachzulesen, dass gleich sechs Routen zur Verfügung stehen und nicht nur eine, wie ich anfangs verstanden hatte. Nun hatte ich mit der Qual der Wahl zu kämpfen.
Kurze Strecken durch das historische Hammersdorf oder solche mit einer Länge von weniger als zehn Kilometern waren ausgeschlossen, wenn ich mir ein Bild über die Umgebung sowie Land und Leute machen wollte. So entschied ich mich für die Route Nummer 5, scannte den QR-Code an der Infotafel mit meinem Mobiltelefon und machte mich kurz mit dem Internetauftritt des Lehrpfades unter der Adresse www.bikemap.net vertraut. Viel Zeit nahm das nicht in Anspruch. Ich erfuhr, dass die 20 Kilometer lange Route aus Hammerdorf auf die Thalheimer Höhe/Dealul Dăii, dann nach Baumgarten/Bungard, Schellenberg/Şelimbăr und wieder nach Hammersdorf führen würde und eine Steigung von 200 Höhenmetern zu bewältigen sei. So weit – so gut. Ich sah mich um, plante anhand der Karte meine ungefähre Route und radelte los.
Landschaftsgenuss mit kleinen Schwächen
Die erwähnte Steigung kam unverhofft früh und unerbittlich, ließ sich aber letztendlich bezwingen und die Belohnung war dementsprechend zufriedenstellend: der erste panoramische Ausblick über Hermannstadt und die umliegenden Ortschaften von der 1918 erbauten Aussichtswarte. Hier war auch eine Infotafel angebracht, auf der man in rumänischer und deutscher Sprache Informationen über das Bauwerk, sowie die Tiere und Pflanzen in der Umgebung erfahren kann. Leider hatten sich Vandalen an der Tafel bereits vergriffen, so dass sie nun zerschlagen und mit Graffitti beschmiert dastand - selbst die Aussichtswarte war ihren „künstlerischen“ Bemühungen nicht entkommen. Überhaupt ist vom imposanten Baudenkmal im Laufe der Jahre immer weniger stehengeblieben. Von außen scheint es zwar einigermaßen intakt, innen ist es jedoch ausgehöhlt, der Treppenaufgang und die Balkenstruktur sind seit Jahren zerstört und abgetragen, sodass der Besucher in eine meterhohe Leere starrt und vom Ausblick aus der Vogelperspektive leider nur noch träumen kann.
Hundeheim, Müllprojekt, Diakoniezentrum
Nach einer kurzen Pause machte ich mich wieder auf den Weg, einigermaßen ins Ungewisse, denn die Infotafel bot keine weiteren Anweisungen zur Route. Ich entschied mich, auf dem geschotterten Weg weiterzufahren, auf dem ich dort angekommen war und meine Erkundungsfahrt brachte mich nach wiederholtem Auf- und Absteigen wegen des holprigen Terrains zum Hammersdorfer Hundeheim. Die im April 2010 eröffnete Anlage ist rund 3.000 Quadratmeter groß und bietet individuelle Käfige für knapp 200 Hunde, die von der Stadtverwaltung in und um Hermannstadt eingefangen werden und hier kastriert, behandelt und mit Mikrochips sowie Ohrmarken versehen werden. Die Anlage erkennt man von weitem am Gebell ihrer Bewohner. Tritt man näher, ist unschwer zu erkennen, dass die Hunde hier in guten Händen sind. Die Paddocks sind rein, die Hundehütten bieten den notwendigen Schutz gegen Wind und Wetter und die Vierbeiner scheinen wohlgenährt zu sein.
Der Weg führte mich dann zur ehemaligen Mülldeponie der Stadt, die heuer im Rahmen des Projektes „Integriertes Müllmanagementsystem im Kreis Hermannstadt“ durch die Kreisverwaltung geschlossen wurde. Die Anlage wurde saniert und abgedeckt und die bereits mit Gras bewachsene Fläche ist, abgesehen von ihrer Umzäunung und den Belüftungsschächten, bereits Teil der Landschaft. Leider fehlt es jedoch auch hier an einem gewissen Maß an Zivilisation; kaum hat man die Anlage verlassen, begrüßt den Wanderer oder den Fahrradfahrer am Zufahrtsweg liegen gelassener Müll. Dabei handelt es sich vorherrschend um Bauschutt, der aus Umbaumaßnahmen in den Hermannstädter Haushalten stammt und allen Verboten zum Trotz dort abgeladen wird.
Ich setze meinen Weg am Kamm des Hammerdorfer Berges fort und einige Kilometer weiter bot sich mir die nächste malerische Aussicht an, dieses Mal auf den Fogarascher Gebirgszug und herab auf Hermannstadt, Schellenberg sowie Baumgarten und in der Ferne, jenseits von Hermannstadt, konnte auch das Cindrel-Gebirge bewundert werden. Nach einigen Schnappschüssen führte mich mein Weg den Berg hinunter nach Baumgarten. Hier verpassten mir die rund zehn vierbeinigen Hüter einer Schafherde einen ordentlichen Adrenalinschub. Die riesigen Schäferhunde kamen, als sie meiner Anwesenheit gewahr wurden, mit lautem Gebell auf mich zugelaufen.
Die einzige Vorgehensweise, die einem Fahrradfahrer in einem solchen Fall dazu verhelfen kann, mit heilen Hosen und Gliedmaßen davonzukommen, ist vom Fahrrad abzusteigen und die Hunde in einem bestimmten Ton anzuschreien, während man sich langsam aus dem Staub macht. Nachdem sie merken, dass man keine Bedrohung darstellt, lassen die Hunde schließlich nach und kehren wieder zu ihrer Herde zurück. In Baumgarten angekommen, hatte ich die Hälfte meiner Route zurückgelegt und der Rest des Weges sollte deutlich leichter und ereignislos verlaufen.
In der unmittelbaren Nähe des kleinen Dorfes am Fuße der hügeligen Landschaft befindet sich Schellenberg. Hier führt der Lehrpfad zur Evangelischen Kirche und dem Diakoniezentrum, welches die Evangelische Kirchengemeinde A.B. in Hermannstadt 2005 aufgebaut hat. Aufgabe des Projektes ist, ausgebaute und renovierte Räume Bedürftigen zur Verfügung zu stellen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Mitarbeiter der Kirchengemeinde bieten im Zentrum Hilfestellung zur Arbeits- und Wohnungssuche oder zur Beantragung der Rente und weiteres. Die Einrichtung ist als Durchgangsstation gedacht und soll den Bewohnern helfen, sich wieder in die Gesellschaft integrieren zu können.
Rückblick und Resümee
Von Schellenberg führt der Weg wieder zurück in Richtung Baumgarten, biegt jedoch nach links in die Maisfelder ein und verläuft dann parallel zur Hermannstädter Umfahrungsstraße bis nach Hammersdorf. Auf diesem Teil des Weges bekommen Wanderer und Fahrradfahrer die Gelegenheit, mit der Landwirtschaft, besonders in der Zeit der Ernte, Bekanntschaft zu machen und die hügelige Landschaft zu bewundern, welche bisher Teil der Route war. Von hier aus sind die Aussichtswarte, die Mülldeponie und der Weg, der ins Harbachtal führt, sichtbar, sowie das Fogarascher und das Cindrel-Gebirge.
Rund vier Stunden nach meiner Abfahrt aus der Altstadt war ich wieder in Hermannstadt. Zumindest einen Teil des Lehrpfades hatte ich kennengelernt. Den Rest hatte ich dadurch verpasst, dass die Routen nicht klar genug markiert waren, was auch dazu führte, dass ich mindestens zwei Infotafeln nicht gefunden hatte. Das ist aber nicht weiter schlimm - ganz im Gegenteil: Es ist ein guter Grund, um wiederzukommen und diese sowie die anderen Routen abzufahren.