Eine Publikation unter dem Namen „Hermannstädter Zeitung“ ist erstmals 1861 erschienen. Sie entstand durch Umbenennung der „Siebenbürgischen Quartalschrift“ (die keineswegs die erste Zeitung in Hermannstadt/Sibiu war), wurde irgendwann mit dem „Siebenbürger Boten“ vereint und stellte ihr Erscheinen am Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Eine vergleichbare Geschichte, jedoch beste Aussichten auf ein sehr viel längeres Bestehen, hat die Namensnachfolgerin. Die Nummer 1 der heute „politisch unabhängige(n) Wochenschrift“ (so das Impressum) „Hermannstädter Zeitung“ (HZ) erschien am 25. Februar 1968 als „Organ des Kreiskomitees der RKP und des Provisorischen Kreisvolksrates Hermannstadt“. „Provisorisch“ war der Kreisvolksrat, da erst kurz vorher im Zuge der Reform der administrativen Einteilung des Landes gegründet. In den Hauptstädten der bis dahin bestehenden Regionen mit hohem Anteil an deutscher Bevölkerung hatte es in der Region Banat seit 1957 „Die Wahrheit“ gegeben, die nun als Publikation des Kreises Temesch in „Neue Banater Zeitung“ (NBZ) umbenannt wurde, ihr siebenbürgisches Pendant in der Region Kronstadt war „Die Volkszeitung“ gewesen, aus der die „Karpatenrundschau“ (KR) für den Kreis Kronstadt entstand. Im Kreis Hermannstadt wurde nun ebenfalls eine Wochenschrift ins Leben gerufen. Als „Geburtshelfer“ wirkten Mitarbeiter des seit 1949 in Bukarest erscheinenden „Neuer Weg“ mit.
Die „Hermannstädter Zeitung“ wurde nach drei Jahren ihres Bestehens zwangsumgetauft. Nach der Besuchsreise aus Ostasien zurückgekehrt, verschärfte Nicolae Ceauşescu den Kurs der Homogenisierungspolitik der Bevölkerung zur „sozialistischen Nation“ und die Maßnahmen des Nationalstalinismus. Verboten wurde u. a. das Nennen der Ortsbezeichnungen in einer anderen als der Landessprache, sodass die Zeitung ab Oktober 1971 unter dem Namen „Die Woche“ erschien. Das Wort war für die rumänische Bevölkerung eine Herausforderung, erzählt Beatrice Ungar. Manche sprachen es französisch („Wosch“) , andere rumänisch („Woke“) aus. Wie hierzulande üblich, wurde die absurde Maßnahme mit Galgenhumor getragen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüßten einander mit „liebe Wöchnerinnen und Wöchner“ oder wurden als solche begrüßt. Die Benennung „Hermannstädter Zeitung“ nahm die Publikation am 26. Dezember 1989 wieder an. Die heutige Chefredakteurin Beatrice Ungar war damals mit Chefredakteur Georg Scherer und Kollege Josef Eckenreiter in der Druckerei – zu Zeiten des Bleidrucks wurden die letzten Korrekturen in der Druckerei vorgenommen und der Druck nach mehrmaligem Überprüfen freigegeben – und prüften auch das neue Erscheinungsbild. Es war die Nacht, in der die Ceau{escus erschossen wurden und in Hermannstadt noch geschossen worden ist.
Die „Hermannstädter Zeitung“ feiert am 25. Februar 50 Jahre ihres Bestehens. Die jüngste unter den Zeitungsgründungen in kommunistischer Zeit ist die einzige, die ihre Eigenständigkeit nach der politischen Wende bewahren konnte. Herausgegeben wird sie von der „Stiftung Hermannstädter Zeitung“. Die finanzielle Unterstützung kommt zur Hälfte aus dem rumänischen Staatshaushalt über das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und die andere Hälfte aus Spenden, Abonnements und Anzeigen. Das Bewahren der Eigenständigkeit war in den ersten Jahren nach der Wende dank der Unterstützung durch die rumänischen Zeitungen aus Hermannstadt möglich. In den kritischen Momenten halfen insbesondere „Tribuna“ sowie „Rondul“ (stellte das Papier zwei Jahre lang kostenlos zur Verfügung), Entgegenkommen fand man desgleichen beim evangelischen Stadtpfarramt, das die Räumlichkeiten in der recht zentral gelegenen Wiesengasse/Str. Tipografilor zu einem entgegenkommenden Mietpreis anbot. 1995 wurde die gemeinnützige Stiftung als Trägerin der Wochenzeitung gegründet, wodurch die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert worden sind. Seither wird die HZ in der Honterus-Druckerei gedruckt.
Nach dem Grund für das Bewahren der Eigenständigkeit gefragt, antwortet Beatrice Ungar: „Die Leute interessiert, was lokal geschieht, quasi vor und neben der Haustür, und sind nicht bereit, eine Zeitung zu beziehen, in der Dinge stehen, die sie wenig interessieren. Die Inhalte der Agenturmeldungen erfährt man heutzutage aus dem Internet, und wer dort nicht unterwegs ist, aus den Fernseh- oder Radionachrichten.“ Eine weitere Motivation, die Wochenschrift als solche zu erhalten war, dass die Leute „ihre“ Zeitung haben wollen, führt die Chefredakteurin aus. Die „Hermannstädter Zeitung“ aber ist ein Markenzeichen, sie hat ihre Identität. Das Bestreben war und ist, diese Identität, das eigene Profil, zu behalten. Das aber kennzeichnen insbesondere die Berichte aus erster Hand, eben solche, die sonstwo nicht zu lesen sind. Aus erster Hand kommen Beiträge aber nicht nur aus Siebenbürgen, sondern auch mal aus Cannes oder Berlin von Mitarbeitern oder Freundinnen und Freunden der Zeitung. Die Stärke der Zeitung aber sind die Berichte aus dem und über das lokale Geschehen und dabei vorrangig jenem der deutschen Gemeinschaft. Die Alltagsanliegen und Traditionen der Rumäniendeutschen waren in Wort und Bild in der Zeitung auch in den 1980er Jahren vorhanden, als das „offizielle Pflichtmaterial“ immer mehr Seiten okkupierte.
Diesem Profil verdankt es die HZ, dass die Hälfte der derzeit 2000 gedruckten Exemplare ins Ausland gehen. Vorrangig in den deutschsprachigen Raum, Abonnenten hat die HZ aber auch in Luxemburg, Liechtenstein, Ungarn, Bulgarien, Frankreich, den USA und je ein Abo in Brasilien und Japan. Problematisch ist (wie bei allen Zeitungen) die Zustellung: die Post übernimmt Abos nur für den Kreis Hermannstadt, die ca. 200 Abonnenten aus dem ganzen Land erhalten ihre Zeitung als Briefsendung. Der Michelsberger Postmann Michael Henning holt am Freitagmorgen die Zeitungen in der Redaktion ab, tütet sie ein, frankiert die Briefumschläge und schickt sie los.Es dauert dennoch bis Montag-Dienstag, ehe die Briefumschläge bei den Empfängern ankommen, im Ausland mal eine Woche, andermal drei bis vier. „Die Post ist ein Riesenproblem, ihre Dienste werden immer teurer und schlechter“, sagt die Chefredakteurin. „In vielen Dörfern gibt es keine Postboten mehr. Nach Großpold/Apoldu de Sus zum Beispiel nimmt eine Frau, die in Hermannstadt arbeitet, die Zeitungen am Freitag mit und verteilt sie am Sonntag in der Kirche.“
Beatrice Ungar ist seit 2005 Chefredakteurin der HZ. In deren Redaktion ist sie seit dem 1. September 1988 angestellt. Journalistin wollte sie bereits als Schülerin der 1. Klasse werden. Als Studentin arbeitete sie bei der HZ mit, musste nach dem Absolvieren der Philologie-Abteilung 1985 nach der Zwangszuteilung aber zunächst ihre drei Jahre im Lehramt in Pretai/Brateiu abarbeiten. Miterlebt hat sie das Jahr 1989 in der Redaktion, „ein Jahr, das mich sehr geprägt hat“, sagt sie. Sie weiß, was Pressefreiheit bedeutet, nachdem man bis Dezember 1989 „bei jedem Wort die Schere im Kopf angesetzt hat“. In jenen Jahren mussten die Chefredakteure der Publikationen jeden Mittwoch zur „Partei“ (dem Ersten Sekretär des Kreisparteikomitees) gehen und den Inhalt der Zeitung vorstellen. Am Freitag wurde erneut angetanzt und Selbstkritik geübt, weil ein Thema nicht behandelt, oder irgendein anfechtbarer Satz durchgerutscht war. Von ihren damaligen Kollegen hat Ungar erfahren, dass Nicu Ceau{escu als Erster Sekretär des Kreises dieses Vortanzen mit den Worten abgeschafft hat „ihr wisst ja, was ihr schreiben dürft“. Was als positive Geste betrachtet werden könnte, war für die Chefredakteure eine zusätzliche Last, denn sie trugen nun die Verantwortung. Die damalige Pressearbeit beschreibt Beatrice Ungar folgendermaßen: „Wenn du auf der Straße jemanden hast liegen sehen, musstest du beim Kreisparteikomitee anrufen und fragen: habe ich richtig gesehen, ist jemand umgefallen? Wenn dort gesagt wurde, nein, es ist nichts passiert, dann durftest du darüber nicht schreiben.“
In „guten“ Zeiten hatte die HZ 22 Angestellte, heute sind es fünf. Neben Chefredakteurin Ungar sind drei weitere Redakteure – Cynthia Pinter, Ruxandra Stănescu und Werner Fink – am Werk. Fünfte im Bund ist Sekretärin Rodica Bărbat. Darüber hinaus verfügt die HZ über treue freiwillige Mitarbeiter, darunter seit 1968 der Fotograf Fred Nuss. Von den festen Mitarbeitern ist Cynthia Pinter für die Junior-Ecke zuständig und Werner Fink die Seite 8 mit den Terminen und Ereignissen in Hermannstadt, ansonsten hat jede(r) seine Vorlieben: Stănescu ist vorrangig im sozialen Bereich unterwegs, Pinter bei den Kulturveranstaltungen und Ungar und Fink bei den Brauchtumsfesten. Hinzu kommen im Schnitt drei bis vier Praktikantinnen und Praktikanten pro Jahr. Der ehemaligen Praktikantin Anna Galon, die danach als ifa-Medienassistentin zur HZ zurückkam, verdankt diese ein ausgezeichnet dokumentiertes Buch: „Zwischen Pflicht und Kür. Die Hermannstädter Zeitung und die Siebenbürger Sachsen im kommunistischen Rumänien und nach der Wende“. Erschienen ist es 2008 im Schiller-Verlag. Wer weitere Details über die HZ erfahren möchte, nehme sie zur Hand.