Alles ist ein bisschen Rosa – „Der Prozess“ als Kafka-Show

Das Stück ist demnächst am Samstag, den 22. Juni um 22 Uhr im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt zu sehen. Foto: TNRS/Andrei Văleanu

Hermannstadt – Dieses Jahr ist Kafka-Jahr. Passend dazu präsentierte die deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Theaters am 24. und 25. Mai das Stück „Der Prozess“ nach dem gleichnamigen Roman des Autors. Die Regie führte Botond Nagy, die Adaptation lag bei Diana Nechit. Der Roman gehört zu jenen Texten, die unvollendet blieben, und die der Autor seinem Freund Max Brod mit der Anweisung hinterlassen hatte, diese zu vernichten. Der Roman wurde 1925 posthum veröffentlicht.

Zwei Leibwächter in rosa Hemden sitzen am Bühnenrand und essen Doughnuts. Gleichgültigkeit und Coolness stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Schnell kommt es zur Verhaftung von Josef K., der verzweifelt versucht festzustellen, was sein Vergehen ist. Er akzeptiert die Anklage. Es folgen groteske Vorfälle, Zusammenstöße mit anderen Menschen und Versuche, sich aus der ausweglosen Situation zu befreien. Die Entmenschlichung des Individuums durch ein absurdes System wird greifbar. Am Ende steht, wie erwartet, die Vernichtung des Einzelnen.

Der Hauptdarsteller Gyan Ros Zimmermann spielt Josef K. exzellent und opferbereit. Daniel Bucher und Emöke Boldizsar überzeugen gekonnt in mehreren Rollen, die Komik, Sadismus, Absurdität und die bei Kafka traditionell schwer zu ertragende „Väterlichkeit“ nicht vermissen lassen.

Der „Chor“ des Stückes, ein sexualisiertes Grüppchen junger Frauen, präsentiert von vier Studentinnen der Schauspielfakultät der Lucian-Blaga-Universität, soll offenbar das problematische Verhältnis Kafkas zur Frauenwelt – neben den Frauenrollen im Stück – mit Nachdruck unterstreichen. Interessant sind – wie öfter – die kurzen Momente der Aufführung, in denen die Truppe zwischen deutscher und rumänischer Sprache und damit zwischen den Mentalitäten oszilliert.

Streckenweise erinnert die Inszenierung an den Streaming-Dienst Netflix. Ein bisschen Rosa hier, ein paar Lichter, Raucheffekte und Showeinlagen da – Zeitgeist muss eben auch mal sein. Der Düsterkeit und der beengenden Atmosphäre des Stoffs hält man aber gekonnt die Treue. Im Klartext: Erwürgt fühlt man sich am Ende des Stückes trotzdem. Kafka hätte es vermutlich gefallen.