„Und - was werden Sie über Griechenland schreiben?“, fragt der nebenstehende Grieche vor der Landung im Flugzeug. Der erfahrene Geschäftsmann und Pelzhändler will gerade seinen 2000 Quadratmeter großen Olivenhain in Thessaloniki vom kleinen Fenster des Fliegers aus zeigen. Dabei macht man große Augen: Nicht, weil man von dieser Höhe maximal ein paar Pünktchen da unten erkennen kann, sondern vor allem, weil das blaue Ägäische Meer, wie man es von Fotos kennt, sich in verwaschenen Grautönen unter bedrohenden dunkelblauen Wolken präsentiert.
Als am Flughafen alle nebensächlichen Dinge erledigt werden, gießt es in Thessaloniki wie an einem traurigen Bukarester Tag. Erst ein paar Tage danach sollte das weltweit bekannte Blaue des Meers doch noch zum Vorschein kommen.
Inzwischen kann man schnell feststellen, dass Griechen keine guten Englischkenntnisse haben, hingegen sind sie gastfreundlich: Vom Flughafen zur Innenstadt muss man eine 15-Kilometer-Strecke zurücklegen. Wer kein Taxi nehmen will, für den gibt es eine lustige Alternative – den Bus 78. Nach einer langen, witzigen Diskussion mit Händen und Füßen mit einer Einheimischen wurde klar, dass man sich ein Ticket am Automaten des Busses holen kann. Vielleicht verlief die Kommunikation nicht gerade fehlerfrei, denn die nette Dame, die auf die Fragen zu antworten versuchte, bezahlt Tickets für drei unwissende Journalisten zugleich, ohne dass diese das wollten. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde: Auf dem Weg zur Innenstadt zeigt die Griechin auf einer Broschüre verschiedene Sehenswürdigkeiten der Stadt, die man im Zentrum besichtigen kann.
Sie nimmt Abschied auf einer schmalen Straße in der Nähe des Aristotelesplatzes, nachdem die Touristen sich Mühe gegeben haben, die auf drei Sätze beschränkten Griechischkenntnisse auszusprechen. Am besten wird das allgemeingültige Kommunikationsmittel eingesetzt – das Lächeln.
Das flaschenförmige Herz der Stadt
Ein paar Schritte weiter entdeckt man einen der Hauptplätze der Stadt, wo zwei prächtige Gebäude aus den 50er und den 60er Jahren – die Electra- und Olympion-Bauten, über die Landschaft herrschen. Der Aristotelesplatz ist in ganz Griechenland bekannt und wurde vor hundert Jahren errichtet. Ein Feuer hatte vorher die Stadt vernichtet und sie musste wieder aufgebaut werden. Hier befindet sich der einzige Stadtteil, in dem der Stadtplan des französischen Architekten Ernest Hebrard umgesetzt wurde: Zu sehen ist eine Mischung aus byzantinischem Stil und westlicher Architektur. Seine endgültige Form hat der Platz seit mehr als 50 Jahren, rundherum gibt es jetzt zahlreiche glänzende Luxus-Geschäfte. Wir befinden uns am Hotspot, am angesagtesten Ort der Stadt: Zahlreiche Ansprachen wurden hier abgehalten und Massenversammlungen organisiert. Hier werden stets kulturelle Veranstaltungen, Festivals, Fasching und andere Events abgehalten.
Von oben sieht der Aristotelesplatz wie eine Flasche aus. Am Boden der Flasche befindet sich das wunderbare Meer, denn die Stadt grenzt an den Thermaikos-Golf. In einer Ecke die graue Statue des sitzenden Philosophen Aristoteles. Der Anblick ist geradeheraus gesagt traumhaft. Beim Betrachten des Meeres aus der Ferne kann man sich nun vorstellen, wie es sich anfühlt, die Schuhe auszuziehen und die Füße in den heißen Sand sinken zu lassen. Auf der Uferpromenade flanieren gelassene Einheimische. Links liegt der Weiße Turm, dessen Besichtigung vorher im Bus empfohlen wurde, rechts der Hafen.
Sonne, Strand und Meer: Das bedeutet Griechenland für Touristen meistens. Thessaloniki bietet hingegen nur die Sonne und das Meer, denn hier gibt es keine Strände. Alle sind außerhalb der Stadt, bekannt ist beispielsweise Chalkidiki. Thessaloniki hat jedoch etwas anderes im größeren Maß als üblich – Sehenswürdigkeiten. Thessaloniki war seit eh und je eine kosmopolitische Stadt, hier gibt es eine Menge kultureller Attraktionen; auf Schritt und Tritt findet man Fragmente aus der romanischen, byzantinischen oder osmanischen Zeit. Genau darin besteht die Schönheit und der Charme der weltbekannten Hafenstadt. Abgesehen von dem Weißen Turm sind weitere türkische Baudenkmäler zu besichtigen, wie die Moschee Hamza Bey Cami, der Markt Bezesteni und die fünf Badehäuser. Zu den byzantinischen Monumenten, die näher zu betrachten sind, zählen im Übrigen die Kirchen Acheiropoietos aus dem 5. Jahrhundert, die Grabungsstätten und die byzantinische Mauer, ein byzantinisches Badehaus aus dem 13. Jahrhundert und das Heptapyrgion-Schloss. Viele Denkmäler sind heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Das archäologische Museum, das Museum der byzantinischen Kultur und das ethnografische Museum gehören zum reichen Kulturangebot in Thessaloniki und sind ein absolutes Muss.
Zylindrisches Wahrzeichen
Die Straße Leoforos Nikis am Ufer des Ägäischen Meeres führt zum Weißen Turm, dem Wahrzeichen der Stadt. Wichtige Orientierungshilfen sind Alexanders Garten und das Nationaltheater von Nordgriechenland in der Nähe. Die rechte Seite der Straße ist vollgestopft mit Souvenirgeschäften und Lokalen – manche der zweiteren sind übervoll mit Menschen, die ihren Mittag am Ufer des Meeres in aller Ruhe genießen.
Der Weiße Turm ist ein osmanisches Denkmal aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das ursprünglich als Foltergefängnis genutzt wurde. Der frühere Turm des Blutes, an dessen Befestigungsmauer Gefangene hingerichtet wurden, beherbergt jetzt das Stadtmuseum. Hier war im 12. Jahrhundert eine byzantinische Befestigung. Die Ausstellung, die sich auf sechs Etagen erstreckt, stellt die Entwicklung der Stadt dar. Die zur Schau gestellten Tafeln sind auf Griechisch, man kann jedoch einen englischsprachigen Audioführer an der Kasse erhalten. Beeindruckend ist die Aussicht über die Stadt und über das Meer vom letzten Stock des 34 Meter hohen Baus: In der Ferne sieht man den OTE-Turm, einen mehr als doppel so hohen Telekommunikationsturm, dessen Errichtung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Architekten A. Anastasiadis betreut wurde.
Im Golf liegen zwei Schiffe und man wird sich auf einmal dessen bewusst, dass es verschiedene Arten gibt, Thessaloniki zu erkunden: Zum Beispiel am Bord eines der Kreuzfahrtschiffe, die man vom Weißen Turm aus betrachten kann. Die Fahrten, die regelmäßig im Thermaikos-Golf organisiert werden, dauern nicht lange. Die Abfahrt ist im Anderthalb-Stunden-Rhytmus, ab zwölf Uhr bis um Mitternacht. Das ist nicht die einzige Möglichkeit: Man kann durch die Stadt mit einem ortskundigen Führer bummeln und von ihm Informationen während des dreistündigen Rundgangs erhalten (www.thessalonikiwalkingtours.com). Auf dem Programm können außerdem Fahrradtouren stehen (www.thessbike.gr), oder Fahrten mit dem Bus (www.oasth.gr). Zur Verfügung stehen den Touristen auch mehrere Apps, die für Ausländer hilfreich sind, zum Beispiel „Click Thessaloniki“.
Die Aussicht über die Stadt macht es deutlich – aber auch auf der Straße bemerkt man, wie sehr die Leute ihr Leben in Thessaloniki genießen. Letztendlich sollte jeder ein griechisches Bier in einem Sommergarten am Ufer des Meeres bestellen, den Schatten und die wenige verbliebene Zeit im Land der altertümlichen Götter und Philosophen auskosten. Das heißt, man hat sich den örtlichen Gepflogenheiten angepasst.