Hinreißende Rhythmen, Melancholie oder ansteckende Begeisterung – das alles assoziiert man gerne mit Balkan-Musik. Was oft vergessen bleibt, sind die Entspanntheit und die improvisatorische Unbefangenheit, die unbedingt dazu gehören und Brücken zu einem anderen Genre schlagen: dem Jazz.
Der explosive Mix „Balkan und Jazz“ fasziniert auch die deutschen Jazzer Stefan Schultze (Piano) und Peter Ehwald (Sax).
Im vergangenen Jahr begaben sie sich auf musikalische Recherchereise in mehrere Balkanländer und gründeten dann - mit Unterstützung des Goethe-Instituts – das „Backyard Jazz Orchestra“, eine Big (Balkan) Band, in der Bulgaren, Mazedonier, Serben, Albaner, Kroaten, Montenegriner, Rumänen und Deutsche spielen.
Die europäische Herbsttour des Orchesters führte am 1. November über Kronstadt – doch wollten die Musiker nicht „allein“ auftreten. So kam es zu einem „Minifestival von einem Abend und drei Bands“, wie der Saxofonist Nicolas Simion die Gesamtlage beschrieb. Der bekannte Musiker, der aus der Kronstädter Gegend stammt und nun in Deutschland lebt, ist immer wieder auf den Bühnen seiner Heimat präsent.
Diesmal gemeinsam mit den Gitarristen Sorin Romanescu und Ciprian Pop. Ganz eindeutig schöpft das „Nicolas Simion Trio“ aus demselben Schatz der Balkan-Folklore, was auch an Titeln wie „Happy Birthday, Măriuca“, „Transylvanian Wood“ oder „Thinking of Bartók“ sichtbar (und hörbar) wird.
Simion spielte mit der gewohnten Ausstrahlung und Natürlichkeit und setzte je nach Klangfarben-Bedarf die unterschiedlichsten „Mitglieder“ der Saxofon- und Klarinettenfamilie ein. „Kronstadt braucht ein wenig Jazz“, plädierte er in seiner Ansprache. „Mehr als ein wenig!“ schien das Publikum mit lautem Beifall zu bekräftigen – der Saal der Kronstädter Oper war überfüllt.
An Jazznachwuchs fehlt es erfreulicherweise weder im Publikum, noch auf der Bühne. Die jungen Kronstädter Petra Acker (Stimme) und Michael Acker (Bass) erwiesen sich im Trio mit ihrem Bukarester Kollegen Johnny Bica (Piano) als begabte, vielversprechende Jazzmusiker. „Meckern“ könnte man eventuell nur über den zu kühlen Klang des elektrischen Klaviers, doch das gehört in den objektiven Bereich der Bühnenausstattung.
Ein vielfältiges Repertoire mit „Jazz Standards“ gepaart von gründlichem musikalischem Können, der notwendigen Improvisationsfreiheit und dem kammermusikalischen Aufeinanderhören – all das ergab einen hochwertigen Auftritt. Die Krönung des Abends, das „Backyard (zu Deutsch: Hinterhof) Jazz Orchestra“ setzte die ganze „Verrücktheit“ des Balkan-Spirit in Klang um – sei es mit Trauerliedern oder elektrisierenden Tempi, sei es mit der humorvollen Hommage an den Yugo-Wagen „Skala 55“ oder der Big-Band-Variante von „Transylvanian Wood“.