Beispielhaft verächtliche Kulturpolitik zum Ärger von Musikern und ihren Zuhörern

Die Staatsphilharmonie Hermannstadt bräuchte mehr als einfach nur einen neuen Intendanten

Sie deckt ihn, da ist nichts zu wollen. Und sie beruft sich darauf, dass während der letzten Jahre kein anderer Kreisrat im ganzen Land so viel Budget-Anteile für den Kultur-Sektor aufgewendet habe wie der ihr unterstehende. Seit Ende Juni 2016 sitzt Daniela Câmpean (PNL) fest im Sattel, obwohl ihrer Partei am regionalen Wahltag 2024 nicht mehr die absolute Mehrheit im genau 32 Sitze zählenden Kreisrat Hermannstadt/Sibiu zugefallen war. Aber das macht nichts,

denn eine Politikerin der Stiernackigkeit von Daniela Câmpean tut sich kein bisschen schwer damit, Verwaltungsfragen so gut wie im Alleingang zu bewältigen. Weswegen auch Cristian Lupeș, im August 2019 zum Intendanten der Staatsphilharmonie Hermannstadt berufen, Referenten der Sekretariats-Abteilung und besonders Orchestermitgliedern nach Lust und Laune dienstliche Aufgaben zuschanzen darf, ohne sich dafür vor irgendwem auch nur ansatzweise rechtfertigen zu müssen. Daniela Câmpean weist ihn nicht zurecht, und ein offenes Ohr für Belange von Musikern hat er noch viel weniger. Davon hingegen, dass man einander im Thalia-Saal seit mindestens drei Jahren aufs Übelste befetzt, weiß die rumänische Lokalpresse längst Bescheid. Es spricht sich rum und zeichnet von Cristian Lupeș das Bild eines Lehnsherren der klassischen Musikszene Rumäniens, dem er sich nicht komplett entziehen kann.

Knackpunkt des Dauerstreits ist die Übereinkunft zum kollektiven Arbeitsvertrag zwischen Intendant und Musikern. Oder einfach die Unterzeichnung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung, worin das Maximum an quantitativen Anforderungen festgelegt wird und für alle Verbindlichkeit hat. Die Gewerkschaft der Orchestermitglieder der Staatsphilharmonie Hermannstadt möchte das unbedingt und Cristian Lupe{ auf gar keinen Fall. Um einen verzerrenden Irrtum vorneweg zu entkräften: Nein, den Orchestermitgliedern steht der Sinn nicht im Geringsten nach vertraglichem Schutz etwaigen Faul-Sein-Wollens. Aber die acht Stunden täglich mit dem Instrument in der Hand sind es für klassische Berufsmusiker wirklich nur in den paar Jahren des Hochschulstudiums – weil es gestalterische Arbeit ist (rumänisch „munc˛ de compoziție”) und Erfolg darin qualitativ statt quantitativ gemessen wird. Gemessen werden will. Routine in einem Büro lässt sich acht Stunden lang und gerne auch ein ganzes Berufsleben lang aushalten, nicht aber das künstlerische Arbeiten in totaler Abhängigkeit vom eigenen Körper. Ja, ein Orchestermusiker  spielt sein Instrument nicht täglich acht Stunden lang – aber in den vier bis fünf Stunden Probe und besonders im Konzert steht er viel stärker als ein Büro-Beamter unter Druck, alles korrekt zu machen. Haut er daneben, merken es je nach seiner spezifischen Position im Orchester Hunderte bis Tausende Zuhörer. Sofort. Ein Tutti-Geiger, der eine Note nicht sauber trifft, das geht noch. Merken nicht gleich alle. Ein Solo-Hornist aber, dem ein Kiekser dazwischenfunkt, oder ein Solo-Oboist, dem die Intonation ausrutscht, so etwas widersteht jedem Versuch, das Versagen kaschieren zu wollen. Sicher, man übt zuhause, um in Probe und Konzert möglichst nichts zu vermasseln. Nur tut man es nach vier Stunden Probe im Orchester nicht mit vier Stunden daheim verlängern, nein. Jahrzehntelang macht das sicher kein Körper mit. Von daher überall auf der Welt der Kompromiss für Profis, die ihr zurecht anstrengendes Hochschulstudium schon hinter sich haben: qualitativ höchste Anforderung bei quantitativer Entlastung. Das ist es, was plumpe Politiker, in deren Aufsicht auch Berufsorchester fallen, nicht einsehen. Und was Intendant Cristian Lupeș gnadenlos zu seinen eigenen Gunsten ausschlachtet. Um als Manager gehandelt zu werden, für den Limits überhaupt gar nicht zählen.

Missbrauch von Freihand durch die Kreisrats-Vorsitzende Daniela Câmpean praktiziert Cristian Lupeș. Zudem kursiert über ihn das Gerücht, er würde neue Orchestermitglieder ohne Abhaltung von Probespielen einstellen und sich gegen-über etlichen Untergebenen herrschsüchtig verhalten. Auf die Spitze trieb es jüngst sein an den Kreisrat gerichteter Vorschlag, 18 Planstellen für Orchestermusiker zu streichen, wovon aktuell neun besetzt sind. Glücklicherweise hat Daniela Câmpean die Beschlussvorlage von der Tagesordnung des Kreisrats gestrichen, doch vom Tisch ist die Causa wohl doch eher nicht. Tatsache ist, dass sich das Vorgehen von Cristian Lupe{ wie ein Racheakt lesen lässt. Weil unter den neun Orchestermitgliedern,  die von seiner Maßnahme betroffen wären, auch die hartnäckigsten Mitglieder der verzweifelt gegen ihn anlaufenden Gewerkschaft zu verorten sind.

Sogar das Treten in einen Hungerstreik hatten sie kürzlich im Mai gewagt, ohne dafür von ihrem Intendanten oder der Vorsitzenden des Kreisrats ernst genommen zu werden. Natürlich hat die Sache ihre Vorgeschichte, denn die Vorsitzende der Orchestermitglieder-Gewerkschaft seit drei Jahren ist Pianistin Monica Florescu, und ihr Durchhaltevermögen sucht seinesgleichen. Sie brachten nichts, die anfänglichen Mahnwachen der erbitterten Gewerkschafter vor dem Kreisrats-Gebäude, und für das Aufzählen späterer Warnstreiks am Abend zur Uhrzeit von Konzerten reichen die Finger zweier Hände noch lange nicht aus. Oft wurden Konzerte deswegen um eine oder zwei Stunden verschoben und einige Male sogar ersatzlos abgesagt. Extrem, der philharmonische Zwist Hermannstadts. Zu niemandes Vorteil.

Was aber, wenn man die Annahme, dass die eklatante Rauheit im Verhalten von Cristian Lupeș ihrerseits etwas Reaktionäres haben könnte, nicht vollständig ausschließt? Denn als er vor sechs Jahren mit dem Amt des Philharmonie-Intendanten betraut wurde, hatten Monica Florescu und ihr am Violoncello herausragender Ehemann Makcim Fernandez Samodaiev sich längst schon in das Musikleben Hermannstadts eingeschaltet und vorbildlich integriert. Auch und gerade als Orchestermitglieder der Staatsphilharmonie vor Ort. Bis die ersten Funken zu sprühen begannen, was unbemerkt recht früh der Fall gewesen sein dürfte; im ersten Ausschreibungs-Verfahren 2019 schließlich hatten weder Cristian Lupe{ noch andere Bewerber es in die finale Gesprächsrunde geschafft, weswegen die Intendanz zunächst weiterhin vakant blieb. Erst ein paar Monate später, beim Versuch Nummer zwei, erhielt Lupe{ den Zuschlag. Eine Frage, die stutzig machen muss: Was für Qualitäten haben denjenigen, der zu Anfang als ungeeignet schien, dann doch noch in das Führungsamt gehievt? Und wie ist es zu interpretieren, dass Makcim Fernandez Samodaiev, der sich vergeblich um dieselbe verlockende Intendanz beworben hatte und in den Jahren zuvor bereits auf Ioan Bojin, den Vorgänger von Cristian Lupeș, nicht gut zu sprechen gewesen war, scheiterte?

Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht, dass hier Eitelkeit gegen Eitelkeit stehen könnte. Zumal einige Orchestermitglieder, die sich zusätzlich zu ihrer philharmonischen Dienstnorm regelmäßig auch als Kammermusiker privatgeschäftliches Zubrot sichern, die krasse Herrschsüchtigkeit von Cristian Lupe{ bestätigen. Außerhalb vom Proben- und Konzertbetrieb der Staatsphilharmonie Hermannstadt eigenverantwortlich Kammermusik machen? Lupe{ gilt als jemand, der so etwas nicht zu tolerieren bereit ist. Genau das ist der Haken: die 2016 von Monica Florescu und Makcim Fernandez Samodaiev begründete Kammerkonzert-Reihe „Odć cum Harmoniis” in loser Folge im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) findet dort nicht nur statt, sondern genießt auch finanzielle Förderung durch das DFDH und das Departement der Regierung Rumäniens für Interethnische Beziehungen. Häufig spielen Monica Florescu und Makcim Fernandez Samodaiev selber. Bei freiem Eintritt und stets im bis auf den wirklich letzten Sitzplatz ausgebuchten Spiegelsaal.

Mindestens eine Probe und sogar ein Konzert Anfang März 2023 hat Makcim Fernandez Samodaiev philharmonisch gänzlich ohne Begründung geschwänzt, worauf Cristian Lupeș ihn leider entließ. Gerichtlich ist dem vertragsbrüchigen Cellisten im April 2024 Recht zugesprochen und seine Wiederaufnahme ins Orchester umgesetzt worden. Indentant Cristian Lupe{ dafür habe damals im Eifer des Gefechts für seinen Teil korrekt gehandelt und Makcim Fernandez Samodaiev zunächst eine Verwarnung ausgesprochen, statt gleich beim ersten disziplinarischen Vergehen den Schritt der einseitigen Vertrags-Auflösung zu wählen, so ein anonym bleiben wollender Vorgänger von Monica Florescu im Vorsitz der Gewerkschaft von Orchestermitgliedern. Makcim Fernandez Samodaiev wurde nicht willkürlich, sondern als Wiederholungs-Täter gemaßregelt. Pikant das Gerücht, Makcim Fernandez Samodaiev habe geschwänzt, um gleichzeitig im Spiegelsaal Cello zu spielen. Gesetzt der Fall, dass an dem Gerücht nichts dran ist: das philharmonische Schwänzen war Fakt. Dass Peiniger Cristian Lupe{ rausgeworfen gehört, darf Monica Florescu und Makcim Fernandez Samodaiev aber nicht in Art einer Revanche in makellos weiße Westen hüllen. Vier Punkte wären nötig: Cristian Lupeș zu entlassen, einen neuen Intendanten zu berufen, ihn vom Neustart weg zu einschließlich moralisch total integrer Führung zu verpflichten, und bei dennoch unglücklichem Fortgang des philharmonischen Umgangs miteinander rechtzeitig einzugreifen. Sonst hängt der Haussegen schief, und Schuld daran tragen letztlich auch Orchestermitglieder, die doch nur Gutes ihrer Berufstätigkeit wollten. Für die Staatsphilharmonie Hermannstadt ist Daniela Câmpean als Vorsitzende des Kreisrats eine so schlecht geeignete Politikerin, dass selbst bei einer Kündigung von Cristian Lupe{ all die unter ihm zutage tretenden Schwierigkeiten bestimmt noch lange fortbestehen würden. So etwas ist zurecht zum Aus-der-Haut-Fahren.