Bukarest und Street Food – passt das zusammen?

Auf der Suche nach dem touristischen Potenzial von Street Food in der Hauptstadt

„Terasa Obor“ vom Ende der Schlange fotografiert | Fotos: der Verfasser

Bäckerei/Kiosk auf der Piața Amzei

Eingang zum Innenhof der „incinta cooperativa“ in der Str. Icoanei

Street Food-Stände auf dem Kraft Market, teilweise geschlossen

Unter Street Food versteht man zubereitetes Essen, dass „auf der Straße“ angeboten und verzehrt wird. Zum Beispiel an einem Imbissstand oder, moderner, Food Truck. Man kann dazu auch Anbieter zählen, die ihre Speisen zwar „drinnen“ produzieren, diese aber überwiegend für den Verzehr „draußen“ gedacht  haben. Man denke an Brezel- oder Dönerläden. Wichtig ist, dass das Essen schnell zubereitet wird und einfach im Stehen aus der Hand verzehrt werden kann. 

Street Food ist heute nicht nur ein kulinarisches, sondern auch ein kulturelles Phänomen und bietet vielen eine Art Zwischenlösung zwischen Mahlzeiten zu Hause und Speisen im Restaurant. Street Food steht außerdem für kulinarische Vielfalt und die Gelegenheit, Gerichte aus anderen Regionen der Welt zu probieren, die weder zu Hause auf dem Speiseplan stehen, noch in den typischen lokalen Restaurants zu finden sind. Nicht zuletzt ist es ein Tourismusfaktor. Ein interessantes Street-Food-Angebot ist vielen (Städte-)Urlaubern wichtig und entscheidet sogar bei der Auswahl des Ziels mit. Was heißt das also für die rumänische Hauptstadt?

Man könnte mit folgender Hypothese starten: Im Bereich des kurzen Snacks, der den kleinen Hunger effizient stillen, aber auch schmecken soll, ist Bukarest ganz gut aufgestellt. Für sightseeing-gestresste Touristen ist dies von Bedeutung. Wenn Street Food als Alternative zum Restaurantbesuch herhalten bzw. ein besonderes kulinarisches Erlebnis vermitteln soll, ist das Konzept hingegen ausbaufähig.

Der Snack zwischendurch

Wer auf dem Weg vom Büro zur U-Bahn etwas zu Essen sucht, findet an fast jeder Ecke einen Bäcker mit Brezeln, Teigtaschen und ähnlichem. Wer beim Einkaufen oder Stöbern auf dem Markt hungrig geworden ist, findet zuverlässig einen Mici-Grill daneben. Hierbei handelt es sich um funktionale und in der Regel leckere Lösungen, die für die breite Bevölkerung in der Regel (noch) erschwinglich sind. 

Manche dieser Orte haben eine gewisse Popularität erreicht, so dass sie längst nicht mehr nur Vorbeikommende anziehen, sondern solche, die dafür geduldig Schlange stehen. Zum Beispiel der unscheinbare Kiosk auf der Piața Amzei mit stadtbekannten Käse-Teigtaschen (Merdenele). Einen gewissen Kultstatus haben auch die Mici vom Piața Obor (Terasa Obor) erreicht. Zu Recht? Die Warteschlange, in der die Touris deutlich zu erkennen sind, spricht für sich, die Aufmachung verdeutlicht, hier möchte man etwas mehr sein als ein „üblicher“ Markt-Grill. 

Bevor wir tiefer in den Bereich der Street Food-Kultur eintauchen, müssen wir noch über Shaorma reden, also die mit Fleisch, (eingelegtem) Gemüse, Soßen und Salatbeilage gefüllten eingerollten Fladenbrote, die original aus dem Nahen Osten kommen. An zahlreichen Orten der Hauptstadt dreht sich der namengebende vertikale aufgeschichtete Fleischspieß und erfreut sich offenbar größerer Beliebtheit als das türkische Pendant Döner Kebab – wobei das hier gerne auch mal durcheinander geworfen wird. 

Mein zugegebenermaßen nicht sehr fundierter Eindruck: Shaorma fällt in Bukarest eher in die Kategorie „viel Fleisch für überschaubares Geld“ als Delikatessen. 

Ein weiterer Klassiker des Urban Street Food: Pizza auf die Hand bzw. al taglio (italienisch: „Pizza in Stücken“). Am bekanntesten ist die Kette „Treevi“ mit neun Standorten in Bukarest, darunter fünf im Zentrum. Die Pizza kann geschmacklich überzeugen, wenn sie auch manchmal etwas trocken ist. Gute Pizza-auf die Hand-Läden findet man zum Beispiel bei „Farino“ in unmittelbarer Nähe zum Park Cișmigiu oder „buoni e bravi“ am Piața Rosetti. 

Der Food-Truck-Trend

Kommen wir zu dem, was wohl die meisten Leute heutzutage tatsächlich mit Street Food verbinden: der stetig steigenden Anzahl an Food-Trucks -Imbisswagen, entweder als umfunktionierte Camper oder Transporter mit einer Küche hinten oder als entsprechend gestaltete Anhänger. Ihr Vorteil: Sie sind mobil, können an verschiedenen Orten abgestellt werden, zum Beispiel auf einem Festivalgelände oder vor einem Veranstaltungsort. In Bukarest findet regelmäßig das „Bucharest Street Food Festival“ statt, bei dem sich Dutzende Food Trucks auf dem gesperrten Kiseleff-Boulevard bzw. anderswo präsentieren. Eine gute Gelegenheit also, um sich einen Überblick über die existierende Szene zu machen. (Wer das mal gemacht hat, weiß, wer diese klar dominiert – die Burger-Wagen.)

Die meisten davon kann man im Alltag an bestimmten Stellen im Bukarester Stadtgebiet finden. Einzeln oder in Grüppchen strategisch positioniert zielen sie auf hungrige Mittagspausler, Touristen oder Ausgehende ab, die hier ihr Essen an Stehtischen oder auf Sitzbänken zu sich nehmen bzw. mit ins Büro nehmen. An dieser Stelle kommt man um einen anderen Trend nicht herum: die Delivery-Dienste. Denn tatsächlich wird ein Großteil der im Food Truck produzierten Gerichte online bestellt und von Lieferdienst-Fahrern an die Kunden nach Hause geliefert. Ist das dann noch Street Food im eigentlichen Sinne?

Anders als in anderen europäischen Großstädten, in denen größere Street Food-Märkte allseits bekannte Anziehungspunkte für sogenannte „Foodies“ sind, gibt es in Bukarest nicht den einen oder die zwei Street Food-Locations, die in jedem Reiseführer stehen.

Street Food sollte man auch als kulturelles bzw. soziales Phänomen betrachten: Menschen treffen sich, um gemeinsam zu essen und zu trinken und suchen eine besondere Atmosphäre, weniger reguliert als im Restaurant, mit der Möglichkeit, aus verschiedenen kulinarischen Richtungen zu wählen. Daher sind Orte, an denen mehrere Anbieter anzutreffen sind und die auch Getränke sowie Sitzgelegenheiten vorhalten, häufig besonders beliebt. Wo sind diese in Bukarest?

Street-Food-Orte und -Nicht-Orte

Fangen wir dort an, wo er dieses Jahr nicht ist: Der Grădina Monteoru auf der Calea Victoriei, Ecke Bd. Dacia, war in der jüngeren Vergangenheit ein beliebter Treffpunkt mit drei Food Trucks, einer Bar, vielen Tischen und abends Livemusik vom DJ-Pult. Dieses Jahr blieb der schöne Hof des aus dem späten neunzehnten Jahrhundert stammenden Hauses zu. In den Medien ist zu lesen, dass Lärmbelastung für die Anwohner zur Schließung geführt haben. 

Von hier aus erreicht man in einem 15-minütigen Spaziergang nach Süden endlich eine funktionierende Street Food-Location, den Kraft Market hinter dem Novotel City Centre. Der Ort ist ziemlich durchgestylt, die Preise entsprechend, zwei Bühnen stehen für abendliches Rahmenprogramm bereit. Im Mittelpunkt die große Bar mit ziemlich teuren Getränken, aber Street Food-Liebhaber kommen hier durchaus auf ihre Kosten. Neben einem Stand mit mexikanischen Spezialitäten, dem obligatorischen Burger und Pizza, gibt es aktuell noch asiatische Nudelgerichte. Nicht zuletzt findet man hier ein bisschen Ruhe vor dem hektischen Großstadtverkehr.

Ein Ort ähnlichen Charakters, aber etwas weniger durchgestylt, befindet sich weiter nördlich auf der Str. Gheorghe Demetriade neben der Deutschen Botschaft – der Mercato Comunale. Hier findet sich eine Bar mit zahlreichen Craft Beer-Optionen und einigen interessanten unalkoholischen Getränken (zu ebenfalls gesalzenen Preisen), dazu eine wechselnde Anzahl an Food Trucks – von denen nicht immer alle geöffnet sind. Dauerbrenner ist der Thai-Imbiss ISAN, der in diesem Jahr auch ein Restaurant auf dem Bd. Regina Elisabeta aufgemacht hat. Im hinteren Bereich ist es sehr ruhig und unter den Bäumen angenehm schattig, mit viel Platz zum Spielen für Kinder. 

Danach wird es schon schwierig. Deutlich weniger bekannt und etwas versteckt befindet sich ein kleiner Innenhof der „incinta cooperativa“ in der Str. Icoanei im Sektor 2. Mit Graffiti-Kunst und Schatten ein angenehmer Ort zum Verweilen, wenn auch etwas lieblos gestaltet. Hier steht der Foodtruck Arepas Colombianas, der gefüllte Fladen aus Maismehl (Arepas) anbietet. Im hinteren Teil ist der sogenannte IndiVan sesshaft geworden. Dort werden indische Gerichte zum Verzehr im Innenhof oder als Take Away angeboten.

Die – freilich etwas subjektive – Gesamtbewertung: Bukarest hat über die Stadt verstreut eine gewisse Vielfalt an spannenden Street Food-Optionen zu bieten, insgesamt ist es jedoch sehr burgerlastig und mit Blick auf den touristischen Mehrwert könnte es gut ein paar Orte gebrauchen, an denen wirklich Auswahl an verschiedenen Anbietern besteht, sodass kulinarisch Interessierte (mit entsprechendem Geldbeutel) sich durch verschiedene Küchen probieren können.