Die zwischen 1911 und 1913 erbaute Villa des Ehepaares Frederic Storck und Cecilia Cuțescu-Storck in der Bukarester Straße Vasile Alecsandri 16 ist seit nunmehr siebzig Jahren ein Museum. Dort sind nicht nur die Werke des genannten Künstlerpaares, sondern auch weitere Arbeiten der Künstlerdynastie Storck ausgestellt, die auf den 1826 in Hanau geborenen Bildhauer Karl Storck zurückgeht, der sich im Jahre 1849 in Bukarest niederließ. Neben dessen eigenen Arbeiten sind im Museum Storck auch Werke seines Sohnes Carol Storck zu sehen, des älteren Bruders von Frederic Storck.
Das Museum Storck ist aber nicht nur als Ausstellungsort mit erlesenen Exponaten, sondern zugleich auch als Gebäude höchst sehenswert, und zwar sowohl seiner äußeren und seiner inneren Architektur nach wie auch im Hinblick auf die Ausmalung einzelner Räume. Das zeigt sich in überwältigender Weise, nachdem man das Eingangsfoyer durchmessen hat, bereits beim Betreten des nach vier Seiten offenen Zentralraumes der Künstlervilla, dessen Decke und Wandpartien zwischen 1913 und 1917 von Cecilia Cuțescu-Storck in exotischer und symbolistischer Manier ausgemalt wurden.
Der Titel der temporären Bukarester Ausstellung „Der Garten des Paradieses“ im Museum Storck bezieht sich just auf diesen mit üppiger Vegetation, exotischen Vögeln und weiblichen Gestalten geschmückten Zentralraum, dessen Ausmalung biographisch von Reisen der Künstlerin durch Spanien mit seiner reichen Vegetation und seinen tropischen Gärten inspiriert sein dürfte, wie jene auch künstlerisch von den Dschungelbildern eines Henri Rousseau oder den Südseebildern eines Paul Gauguin geprägt scheint. Der Naturzustand des Menschen in lebendiger Einheit mit Flora und Fauna wird hier malerisch ebenso gefeiert wie seine symbolistische Überhöhung in exotischen Bildern traumhafter Gestalten und Gefilde.
In dem rechts an den Zentralraum angrenzenden Saal, dessen Rückwand von der Wandmalerei mit dem Thema „Irdische und geistige Liebe“ geschmückt wird, sind insgesamt zwölf Pastelle auf Papier von Cecilia Cuțescu-Storck ausgestellt, die sämtlich Entwürfe für den pittoresken Paradiesgarten des Zentralraumes darstellen. In der Übergangswölbung zwischen Wand und Decke finden sich dort stichkappenförmige Gemälde, zu denen die Künstlerin zahlreiche Skizzen und Vorstudien angefertigt hat, von denen nun zum ersten Mal und in absoluter Premiere einige davon im Museum Storck zu sehen sind, und zwar bis zum 27. Juni dieses Jahres, bevor sie wieder den Gang ins Dunkel des Museumsdepots antreten müssen.
Es macht den Reiz dieser Ausstellung im Museum Storck aus, dass der Besucher zwischen den Pastellen im Ausstellungsraum und den Gemälden im benachbarten Zentralraum hin und her gehen und dabei permanent Vergleiche zwischen Pastellentwurf und Wandgemälde, zwischen Skizze und finaler Realisation anstellen kann. Man kann dabei auch besonders genießen, wie Cecilia Cuțescu-Storck ihre Bildentwürfe in die spitzbogenförmigen, zwickelartigen Rahmen eingepasst hat, deren trianguläre Form in den ausgestellten Pastellen bildnerisch vielleicht noch besser zutage tritt als in der architektonischen Übergangszone zwischen Wand- und Deckengemälden im Zentralraum des Museums Storck.
Nicht von allen insgesamt vierzehn Wandmalereien in der Gewölbezone des Zentralraums gibt es in der Bu-karester Ausstellung von Pastellen Entwürfe oder vorbereitende Studien, wie sich umgekehrt unter den Pastellen auch Skizzen und konzeptionelle Darstellungen finden, die nicht als Wand- bzw. Deckenmalereien finalisiert wurden. So sucht man beispielsweise die in Pastell geschaffene Frauengestalt mit roten Blumen – Päonien, Mohnblumen, Rosen – im Zentralraum vergebens, während man von den Pastellen, die Blattwerk und exotische Vögel darstellen, wenigstens Teilelemente an Decke und Wänden des Zentralraums wiederfindet.
Cecilia Cuțescu-Storcks Pastelle bestechen nicht nur durch ihre feine Farbgebung, sondern vor allem auch durch ihre Komposition, die sich jeweils in das trianguläre bzw. spitzbogenartig geschwungene Bildfeld gelungen einpasst und jene durch die Form gegebene Beschränkung zugleich immer wieder vergessen macht. So drängen sich etwa in einem Pastell die Gesichter zweier Frauen in der Bogenspitze eng zueinander, um eine Szene der Nähe und Intimität, vielleicht des Trostes oder der Zuwendung, zu symbolisieren, während in einem anderen Pastell der Unterschenkel des angewinkelten Beins einer Mutter gleichsam als zentrale Mittelachse des Bildfeldes fungiert, neben der das Kind seitwärts positioniert ist. Den gesamten triangulären Bildraum nimmt eine Komposition in Anspruch, bei der eine sitzende Frau ihren Kopf auf das Knie ihres angewinkelten Beins legt, wobei die Massigkeit ihres Körpers auf der rechten Seite in einem zierlichen Krug auf der linken Seite des Bildes ihr darstellerisches Pendant findet.
Zwei Frauen mit einem Säugling im Arm, eine Lesende, eine ihre Freundin Kämmende, eine Wolle vom Strang zum Knäuel Wickelnde, zwei Frauen, die ein Tuch, einen Schleier oder eine Girlande gemeinsam vor sich hertragen, sind weitere Bildgegenstände der Pastelle von Cecilia Cuțescu-Storck, die im Museum Storck eingehend studiert werden können. Und während der Betrachtung der Pastelle kann der Besucher immer wieder auch seinen Blick zu den Wänden des Ausstellungsraums hin gleiten lassen, wo großformatige Gemälde der Künstlerin Themen wie Mutterliebe, Sündenfall, Tod und Einsamkeit behandeln, ganz zu schweigen von der monumentalen Wandmalerei „Irdische und geistige Liebe“, unter der von der Hand der Künstlerin in rumänischer Sprache die Worte notiert sind: „Lieben heißt sich verlieren in einer Seele, in welcher unsere eigene Seele einen Halt findet.“
Im Anschluss an den Besuch der Ausstellung von Pastellskizzen zum „Garten des Paradieses“ sollte man einen Rundgang durch die gesamte Künstlervilla nicht versäumen. Auf der linken Seite des Zentralraums mit dem gemalten Paradiesgarten finden sich zwei Räume mit weiteren Gemälden von Cecilia Cuțescu-Storck, einer mit Frauenakten, der andere mit Landschaften, insbesondere von der Hafenstadt Baltschik/Balcic am Schwarzen Meer, die von 1913 bis 1940 zu Rumänien gehörte, in der die rumänische Königin Maria ab 1924 ein Sommerschloss errichten und einen botanischen Garten anlegen ließ und wo sie außerdem eine Künstlerkolonie um sich scharte, die durch ihre Werke einen wichtigen Beitrag zur Malerei der klassischen Moderne in Rumänien schuf.
Über einen schmalen Gang mit Basreliefs von Frederic Storck, welche die vier Evangelisten sowie drei alttestamentliche Geschichten aus dem Buch Genesis (Adam und Eva, Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel) zum Gegenstand haben, erreicht man die Atelierräume des Künstlerehepaars, in denen man etwa auf eine Goethe- und eine Schiller-Büste von Frederic Storck trifft oder auch auf Werke seines Vaters, z.B. das monumentale Holzmodell der Kathedrale von Curtea de Argeș, oder auf weitere Arbeiten der Künstlerdynastie Storck (Gemälde, Skulpturen, Veduten, Friese, Skizzen für Wandmalereien etc.)
Außerdem findet man in allen Räumen des Museums Storck wertvolle Sitzmöbel, Tische und Truhen, fein geschmückte farbige Kachel- und Kaminöfen, Porträtbüsten und viele andere Kunstgegenstände, die den Besuch des Museums über die temporäre Ausstellung von Pastellen hinaus schon als solchen zu einem Erlebnis werden lassen.