„Man schaue dem Volk aufs Maul“ sagte Martin Luther betreffend der Verkündigung des Evangeliums. Damit meinte er, dass die christliche Botschaft in eine Sprache übertragen werden muss, die von der Gemeinde, der sie vermittelt werden soll, auch verstanden wird. Dieses ist der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) nicht fremd, wenn wir bedenken, dass über Jahrhunderte die Pfarrer aus deutschen Bibeln lasen, aber das Gelesene im ortsüblichen Dialekt aussprachen. Die Frage nach der Verkündigungssprache in der EKR hat sich mit dem Sinken der Gemeindemitgliederzahlen einerseits und mit dem Hinzukommen nichtdeutschsprachiger Gemeindemitglieder seit den neunziger Jahren immer wieder gestellt. Auch wenn einer vor ein paar Jahren durchgeführten großangelegten Umfrage zu entnehmen ist, dass die deutsche Sprache ein besonderes Merkmal und eine entscheidende Attraktivitätskomponente dieser Kirche ist, muss diese Frage immer wieder gestellt werden. In diesem Sinne haben Bischof Reinhard Guib und Hauptanwalt Friedrich Gunesch im Namen des Landeskonsistoriums der EKR folgendes Rundschreiben verabschiedet:
„Unsere Kirche hat im Lauf ihrer Geschichte stets versucht, Tradition und Erneuerung in ein fruchtbares Gleichgewicht zu bringen. Mit jedem gesellschaftlichen Wandel galt es, dem Auftrag der Kirche treu zu bleiben. Die verschiedenen Namensänderungen spiegeln diesen Weg wider: von der Kirche der Siebenbürger Sachsen hin zur Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Sie deuten an, wie viel Nachdenken, Gebet und Arbeit in diesem Prozess steckt.
Auch der gegenwärtige Sprachwandel folgt dieser Linie. Obwohl die Kirchenordnung weiterhin Deutsch als Amtssprache festhält, hat sich der Alltag vieler Kirchengemeinden längst weiterentwickelt. Die rumänische Sprache hat Eingang gefunden in die Seelsorge, die Verwaltung und die Gestaltung der Gottesdienste und Veranstaltungen – dort, wo es der Situation und den Menschen entspricht. Das ist nicht Ausdruck eines Bruchs, sondern eines lebendigen Umgangs mit der Wirklichkeit.
Der Sprachwandel vollzieht sich schrittweise: Zunächst wurden die kirchlichen Amtshandlungen wie Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung sprachlich geöffnet, um liturgisch höflich auch anderssprachige Familienmitglieder, Verwandtschaft, Nachbarn und Freunde einzubeziehen. Dann fand die rumänische Sprache Eingang in die Verwaltung der Pfarrämter, da viele Mitarbeitende kein Deutsch sprechen. In einem weiteren Schritt gestalten zahlreiche Gemeinden ihre Gottesdienste teilweise oder vollständig auf Rumänisch – ein Zeichen der Offenheit. Schließlich hat sich auch in Presbyterien, Gemeindevertretungen und Kirchenräten mancherorts die Arbeitssprache gewandelt – durch demokratisch gewählte Strukturen.
Als Landeskonsistorium erkennen wir diesen Wandel und ermutigen dazu, Sprache nicht ideologisch zu betrachten, sondern als Werkzeug der Verkündigung und Verbundenheit. Menschen sollen nicht nach Herkunft, Sprache oder Staatsbürgerschaft beurteilt, sondern als gleichwertige Mitarbeitende im Weinberg Gottes angenommen und eingebunden werden.
Wir bekennen uns zur tiefen Verwurzelung unserer Kirche in der deutschen Sprache und Kultur. Diese Verbindung bleibt bestehen – in unserer Kirche sowie zu den Heimatortsgemeinschaften, dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, dem deutschsprachigen Bildungswesen und zu unseren Partnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die deutsche Sprache sollte weiter in den Gottesdiensten sowie den kirchlichen Amtshandlungen und Veranstaltungen verwendet werden. Zugleich sehen wir in der gelebten Mehrsprachigkeit einen notwendigen Schritt hin zu einer Kirche, die sich als aktiver Teil der Gesellschaft versteht. Diese Entwicklung ist kein Widerspruch zur Tradition, sondern Ausdruck ihrer verantwortungsvollen Weiterführung.
Der Pfingstbotschaft folgend, die Menschen aus verschiedenen Nationen vereint und ein Zeichen göttlicher Einheit darstellt, rufen wir als Landeskonsistorium zum menschenzugewandten Umgang mit der Mehrsprachigkeit in unserer Kirche auf. In diesem Sinne laden wir ein, diesen Weg gemeinsam zu gehen, zur größeren Ehre Gottes und zur Stärkung und Verankerung unserer evangelischen Gemeinschaft in unserem Heimatland.“