„Geprägt von einer ganz großen Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern“

Abschiedsgespräch mit dem deutschen Botschafter Dr. Peer Gebauer

Haben sich in Bukarest sehr wohlgefühlt: Sonja und Dr. Peer Gebauer Foto: George Dumitriu

Erst die Corona-Pandemie, dann der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die benachbarte Ukraine, mit einem als zuverlässigen EU- und NATO-Partner erstarkenden Rumänien... Und zuletzt die spannende Frage, wie sich das Land mit der jüngsten Präsidentschaftswahl wohl orientieren würde: zurück in Richtung Russland oder weiter auf dem europäischen Weg? Der deutsche Botschafter Dr. Peer Gebauer hat in den vier Jahren seiner Amtszeit in Bukarest einige Höhen und Tiefen miterlebt. Wie er diese Zeit empfunden hat, wie sich die bilateralen Beziehungen entwickelten und ob sich sein in den letzten Interviews geäußertes, stets sehr positives Rumänienbild noch in gleichem Maße bestätigen lässt, verrät er in einem Abschlussgespräch gegenüber ADZ-Chefredakteurin Nina May.

Welches Resümee können Sie nach vier Jahren in Rumänien ziehen? Was waren aus Ihrer Sicht die Highlights – was die schwierigsten Momente?

Es waren ganz fantastische, wunderschöne, intensive vier Jahre, die ich hier verbringen durfte, zusammen mit meiner Familie, die sich auch sehr, sehr wohl gefühlt hat. Wir gehen alle mit mehr als einem weinenden Auge.

Höhepunkte gab es unzählige: Das sind die sehr offensichtlichen Dinge wie der Staatsbesuch des Bundespräsidenten, die vielen anderen hochrangigen politischen Besuche, der frühere Bundeskanzler war zweimal hier, die frühere Außenministerin auch, viele Abgeordnete und so weiter. Und dann gab es viele andere Ereignisse, die nicht so sehr mit der klassischen Politik zu tun haben: die Fußball-Europameisterschaft 2024 oder andere Veranstaltungen, die wir hier in der Residenz hatten, die immer geprägt waren von einer ganz großen Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern. Diese Freundschaft, die ist auch einer der großen Höhepunkte meiner Zeit hier. Der Umstand, dass ich daran mitwirken konnte, diese zu pflegen und auszubauen, da-rauf bin ich wirklich stolz. 

Sie fragen auch nach weniger schönen Momenten: Da war zu Beginn meiner Amtszeit die intensive Corona-Welle, die viele Todesopfer in Rumänien gefordert hat. Es gab damals ein Programm, bei dem Patienten nach Deutschland ausgeflogen wurden, einfach um zu helfen. Ein zweiter, sehr massiver Einschnitt war der Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine im Februar 2022. Diese hat auch Rumänien massiv betroffen und betrifft es bis heute. Regelmäßig dringen russische Drohnen in den Luftraum ein, gefährden Menschen, und das zeigt, der Krieg ist sehr, sehr nahe. Dies sind Dinge, die Sorgen machen - auch uns in Deutschland und in ganz Europa. 

Als Sie hier ankamen, sind Sie auf eine sehr aktive deutsche Minderheit gestoßen. Welche Bedeutung hatte diese bzw. deren Vertretung, das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, für Ihre Mission? 

Die deutsche Minderheit ist bis heute ein zentraler Pfeiler der bilateralen Beziehungen und ein ganz wichtiger Brückenbauer. Das ist etwas, was ich in diesen vier Jahren enorm geschätzt habe. Es gab die unmittelbare Kooperation, etwa bei hochrangigen Besuchen: Alle unsere hoch- und höchstrangigen politischen Gäste hier – Bundespräsident, Bundeskanzler, Außenministerin, andere Minister, Ministerpräsidenten – sind mit der Vertretung der deutschen Minderheit zusammengetroffen und haben davon profitiert, zu hören, wie sie das Land einschätzt. Das war und ist ein ganz, ganz großer Mehrwert. 

Ich selbst hatte regelmäßig einen Austausch, mit Ovidiu Ganț, mit Jürgen Porr und anderen, die immer auch eine Art Ratgeber für mich waren. Wenn ich eine ehrliche Einschätzung zur politischen Entwicklung hören wollte, dann konnte ich mich immer darauf verlassen, dass ich sachkundig Hinweise, Ratschläge, Einschätzungen bekomme. Auch in dieser Hinsicht spielt die Minderheit eine ganz bedeutende Rolle für die Arbeit eines deutschen Botschafters. 

Wir müssen uns aber zugleich klarmachen, wie wichtig die Minderheiten insgesamt im Parlament sind, etwa wenn es darum geht, stabile Mehrheiten für pro-europäische Politik zu finden. 

Sie haben Rumänien auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges stets als stabilen, verlässlichen EU- und NATO-Partner in den höchsten Tönen gelobt. Dann aber kam dieser Kippmoment, wo Rumänien deutlich einen Rechtsruck machte: Gipfel war die Beinahe-Wahl eines ultranationalen, russlandfreundlichen Präsidentschaftskandidaten, sodass man schon befürchten musste, dass sich das Land anders orientiert. Müssen Sie Ihre frühere Einschätzung jetzt korrigieren?  

Ich bleibe dabei, dass Rumänien ein wirklich verlässlicher, stabiler und konstruktiver Partner ist und nach meiner Erwartung auch bleibt. Das Phänomen, dass hier europakritische Kräfte an politischer Stärke gewinnen, kennen wir ebenfalls aus anderen Ländern. Auch in Deutschland gibt es diese politische Entwicklung. Aber gerade die Wahl von Nicușor Dan zum Staatspräsidenten belegt für mich eindrücklich, dass, wenn es darauf ankommt, eben doch eine klare Mehrheit für eine Verankerung in Europa stimmt. Dass also diejenigen, die mehr auf Nationalismus und mehr auf Abgrenzung zu Europa und zu anderen europäischen Partnern setzen, hier keine Mehrheit gewinnen. 

Wie haben Sie die Zeit von der Annullierung der Präsidentschaftswahlen am 6. Dezember 2024 bis zur Stichwahl am 18. Mai, aus der Nicușor Dan als pro-europäischer Präsident hervorgegangen ist, erlebt? Welche Signale haben Sie in dieser Zeit z.B. von Seiten der hiesigen deutschen Investoren bekommen? 

Zunächst mal ist es eine Rolle eines Botschafters und einer Botschaft, Entwicklungen im jeweiligen Gastland einzuordnen, zu analysieren und darüber dann zu berichten. Das haben wir getan. Und natürlich weiß man nicht, wie eine Wahl ausgeht. Das ist das Element, das Wesenskennzeichen von Demokratie. Aber ich war im Grunde meines Herzens immer optimistisch, dass dieses Land einen Weg aus dieser Phase der Instabilität findet. Trotzdem, und Sie sprechen die Wirtschaft an, bleiben eine ganze Reihe von Herausforderungen und Risiken. Zunächst einmal haben wir es in Europa, in Deutschland und in Rumänien gleicher-maßen mit externen Herausforderungen zu tun: Stichwort Handelskrieg, Stichwort Zölle, die für exportorientierte Wirtschaften wie die unsere und wie auch die rumänische viele Risiken und Gefahren mit sich bringen. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, im internationalen Kontext zu einer Verständigung zu kommen, von der dann am Ende wieder alle profitieren. Ich glaube, diese Abgrenzungen, diese Zölle, führen am Ende nur dazu, dass es überall Verlierer gibt. Umgekehrt bedeutet internationale Kooperation, dass man gemeinsam stärker wird und gemeinsam gewinnt. 

Wenn es um die wirtschaftlichen Themen geht, dann steht Rumänien zusätzlich vor einer großen Herausforderung, weil das Haushaltsdefizit in den letzten Jahren massiv gestiegen ist und hier vielleicht auch harte Reformen notwendig sind. Das sind schon Punkte, auf die auch deutsche Unternehmen schauen. Die Unternehmen brauchen für ihre Investitionen und für ihr wirtschaftliches Tun möglichst Stabilität und Vorhersehbarkeit; und natürlich auch ein fiskalisches Umfeld, das stabil ist, das ihnen keine überbordenden Lasten auferlegt. Es wird eine Aufgabe der rumänischen Politik sein, weiterhin attraktiv zu bleiben, sodass internationale Investoren, auch die aus Deutschland, hier gerne vor Ort sind. 

Was ich in der letzten Zeit allerdings mehrfach wahrgenommen habe, ist eine Sorge im ganzen Land, nicht speziell bei den deutschen Wirtschaftsvertretern: Wohin geht die Reise? Wohin richtet man sich aus? Aber nochmal, das Ergebnis der Wahl zeigt mir, dass die ganz deutliche Mehrheit für einen pro-europäischen und am Westen orientierten Kurs einsteht und das entsprechend auch bei Wahlen zum Ausdruck bringt. Die Umfragen – Soll Rumänien in der Europäischen Union bleiben? Soll Rumänien Mitglied der NATO bleiben? – sind ja noch viel überwältigender eindeutig: Eine Mehrheit von mindestens 75 bis 80 Prozent der Menschen hier sagt ja zur EU und zur NATO. Dies unterstreicht, dass es trotz der großen Frustration über etablierte Parteien letztlich keinen Zweifel an der pro-europäischen Ausrichtung gibt.

Ich kann mich gut an die Veranstaltung erinnern, als die deutschen politischen Stiftungen, die hierzulande Demokratie fördern, ein Modell des deutschen Wahl-O-Maten, auf Rumänien zugeschnitten, vorgestellt haben. Ich fand das fantastisch, weil die Parteien ja nicht immer so transparent sind in ihrem Programm. Ich habe gedacht, genau das hat das Land gebraucht! Kurz danach kam es ganz anders: Die Leute haben nach TikTok gewählt. Was kann man daraus schließen? Ist die rumänische Mentalität so anders? Stellt das Ergebnis solche Programme infrage?

Ich glaube, es macht auf jeden Fall Sinn, weiter auf demokratische Bildungsprojekte zu setzen und Dinge wie den Wahl-O-Maten anzubieten. Und zugleich haben Sie mit Ihrer Frage recht, hier in Rumänien, aber auch in Deutschland, haben wir mit neuen Trends zu tun. Menschen konsumieren Nachrichten eben nicht mehr ausschließlich aus den Nachrichtensendungen im Fernsehen oder bestimmten etablierten Tageszeitungen, sondern zu einem großen Teil über soziale Medien. Und das bedeutet erstens für die politischen Kräfte, dass man seine Kommunikation auch anpassen und politische Werbung sowie politische Inhalte stärker über soziale Medien transportieren muss. Und zweitens, dass wir besser verstehen müssen, wie soziale Medien bestimmte Inhalte in den Vordergrund rücken oder unterdrücken. Es gibt einige, die sagen, es sei doch urdemokratisch, wenn man soziale Medien als Plattformen für politische Werbung und politischen Wettstreit zur Verfügung stellt. Im Prinzip stimmt das, nur wissen wir eben, dass die sozialen Medien künstlich bestimmte Meinungen verstärken und andere unterdrücken. Und das ist das Gegenteil von Chancengleichheit und Demokratie! Dazu muss man mit den Anbietern der sozialen Medien im Gespräch sein und dafür Sorge tragen, dass ein echter, fairer, demokratischer Wettstreit der verschiedenen Meinungen auch in den sozialen Medien stattfinden kann. Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass dies nur sehr eingeschränkt der Fall war. 

Wie ist Ihre persönliche Perzeption von Rumänien als Gastland nach diesen vier Jahren?

Insgesamt waren es vier fantastische Jahre für mich. Ich hatte das Privileg, viele interessante, spannende, faszinierende Menschen kennenzulernen und hier Freundschaften aufzubauen, die ich gerne weiter pflegen will. Ich hatte das große Glück, viele Orte in diesem wunderschönen Land bereisen zu können. Die Menschen sind extrem offen, freundlich, auch sehr deutschlandfreundlich. Es lässt sich hier fantastisch leben, auch in Bukarest. Die Küche ist großartig. Der Umstand, dass wir so viele Dinge teilen, wie die Sportbegeisterung, verbindet uns. Man lebt hier eben in Europa, als Europäer, und es war ein großes Privileg, in diesem Kontext arbeiten zu können. 

Wie geht es für Sie beruflich weiter? 

Ich bin schon auf dem Weg zurück nach Berlin, habe dort meine neue Verwendung bereits angefangen. Ich bin jetzt im Auswärtigen Amt der Leiter der Zentralabteilung, die sich mit allen Verwaltungsthemen befasst. Für mich ist das ein Aufstieg, also eine Beförderung. Ich freue mich sehr, dass die Zeit in Rumänien für mich auch beruflich eine erfolgreiche Weiterführung bewirkt hat. In Berlin werde ich voraussichtlich die nächsten drei, vier Jahre im Einsatz sein, bevor es dann wieder an einen anderen Ort geht. Aber egal, wo ich hinkomme, ich fürchte, eine neue Verwendung zu finden, die so rund und perfekt ist, wie es für mich hier in Rumänien war, wird schwer sein. 

Sie haben sicherlich manchmal auch die ADZ gelesen. Was bedeutet Ihnen unsere Zeitung? Was haben Sie gern gelesen? 

Ich hatte die ADZ tatsächlich jeden Morgen auf meinem Schreibtisch und habe die Zeitung sehr, sehr geschätzt – und das sage ich jetzt nicht aus Höflichkeit! 

Die erste Seite, die die rumänische Innenpolitik beleuchtet, war für mich tatsächlich oft bereichernd, weil ich bestimmte Einordnungen und Einschätzungen bekam, die man in anderen Medien häufig nicht fand. Und dann auch noch in der eigenen Muttersprache, das ist natürlich ein besonderes Privileg. Das fand ich schon sehr beeindruckend für eine Zeitung, die eben nicht über ein riesiges Redaktionsteam verfügt. Von der sehr sachlichen, sehr fundierten und klaren Berichterstattung zu politischen Entwicklungen habe ich sicher profitiert.

Der zweite Teil, der für mich besonders hilfreich und interessant war, bezieht sich auf die deutsche Minderheit, auf die Aktivitäten, die verschiedenen Veranstaltungen, weil ich dadurch ein besseres Gespür für deren Belange bekommen habe. Diesen Teil habe ich tatsächlich immer sehr genau gelesen.
Und dann gab es verschiedene Lebensratgeber-Beiträge und -Seiten, die oft auch spannende Themen präsentiert haben, die ich immer wieder mal eingehend gelesen habe. Also rundum eine kleine, bescheidene Zeitung mit einer ganz, ganz großen Wirkung.