Die echte Geschichte von Vlad Țepeș erleben? Nebenbei noch ein paar mehr siebenbürgische Geschichten aufsaugen? Einen lockeren Museumsspaziergang verbinden mit einem Besuch in einem sommerlichen Garten bei kalten Getränken und einem Imbiss? Dann schnell, denn all dies bietet ein Museum in Schäßburg/Sighișoara.
An einem lauen Sommertag mixt Lemuel Cotoarbă Cocktails, brät Burger und räumt den großen Garten auf. Aus den Lautsprechern tönt Musik, Kinderstimmen wirbeln durcheinander, Menschen entspannen sich in Liegestühlen und suchen Schutz im Schatten der Bäume. Im Sommerzelt, das mitten im Garten aufgebaut ist, proben junge Musiker für den nächsten Live-Auftritt. Hängematten, Kissen und Teppiche zieren die grüne Oase mitten in Schäßburg. Vorhänge wehen im leichten Sommerwind. Die Atmosphäre ist gelöst, fast kann man sich hier fühlen wie auf einem Festival-Gelände – nur eben in klein. Dabei ist der Garten nur Beiwerk – die eigentliche Attraktion ist das Museum mit den beiden Themenbereichen „The Dracula Investigation“/ „Dracula-Ermittlungen“ und den „Sighișoara Tales“/ „Schäßburger Geschichten“.
Vier Brüder und ein Traum
Alles begann 2019, als Eliot, Dafydd, Lemuel und Tymon Cotoarbă begannen, die ersten Meetings auf Skype abzuhalten. Die vier Brüder wohnten damals verstreut in Europa. Zum Studium hatte es sie in die Niederlande, nach Österreich und nach Deutschland verschlagen. Zu diesem Zeitpunkt wissen sie eines sicher: Sie wollen zusammen in ihrer Heimatstadt Schäßburg ein Business aufbauen. Etwas im Bereich Tourismus – am liebsten ein Museum. Es soll aber kein Standardmuseum werden, sondern Geschichte interaktiv zeigen.
Alle vier sind sie in Schäßburg aufgewachsen und besuchten hier den deutschen Kindergarten und anschließend das Joseph-Haltrich-Lyzeum – insgesamt sind sie zu Hause acht Geschwister. Ihr Vater stammt aus Rumänien, ihre Mutter aus Holland – in der Familie sprechen sie bis heute Holländisch und Friesisch. Internationalität ist ihnen wichtig, auch in ihrem Museumskonzept.
Als die Idee fertig entwickelt war, schickten sie zu Anfang die kleineren Geschwister los, um Marktforschung zu betreiben: „Was klingt am besten?“ fragten sie die Leute auf den Schäßburger Straßen. Dabei heraus kam schließlich der Name „The Dracula Investigation“. Denn tatsächlich kommen viele Touristen aus aller Welt wegen der Legenden um Dracula nach Schäßburg. Aber: „Die meisten Tourismusangebote in der Stadt bewegen sich im Bereich des Themenkreises „Vlad der Vampir“, behandeln also die Vampir-Geschichte. Wir wollten aber auf die echte Geschichte aufmerksam machen und das Ganze interaktiv gestalten“, erzählt Lemuel Cotoarbă.
Lebendig, kurzweilig, interaktiv
Für ihr Herzensprojekt schauten sich die Geschwister moderne Museen in Europa an. Insbesondere moderne Erzählformen und Unmittelbarkeit interessierte sie: „Damit die erzählten Geschichten in jemanden übergehen, und man das Gesehene nicht so schnell vergisst“, so Lemuel Cotoarbă. Zu Beginn sammelten sie Fakten, lasen alles, was sie finden konnten, und begannen zu schreiben, umzuschreiben, zu korrigieren, zu übersetzen. Nach und nach entstand so das Museum „The Dracula Investigation“ mit fünf Zimmern, also die Geschichte von Vlad Țepeș, durch die Besucherinnen und Besucher heute im Museum wandeln können, und noch ein zweites Museum, die „Sighișoara Tales“. Hier kann man vier verschiedene Geschichten erleben, die sich in der Stadt zugetragen haben oder sich um berühmte Schäßburger Persönlichkeiten ranken.
Mit Schatten- und Lichtspielen und mit Hilfe von Audioaufnahmen, die Besucherinnen und Besucher direkt in vergangene Zeiten und durch die Welten historischer Persönlichkeiten „wandern lassen“, denn „man muss nicht so viel lesen, man kann einfach zuhören und weiterlaufen“, erklärt Lemuel Cotoarbă. Und tatsächlich ist man sehr nah am Geschehen, fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt, kann träumen und sich entführen lassen in die Denkwelten der Schäßburger Persönlichkeiten. So wird Geschichte auch für Kinder und Jugendliche leichter zugänglich.
Das Gelernte sacken lassen…
…kann man im Anschluss an den besonderen Museumsbesuch im „magischen Garten“, wie Lemuel Cotoarbă das Museumsgärtchen nennt. Es kam im Jahr 2020 zum Museumskonzept hinzu. Der Hinterhof ist zunächst voller Schutt und unzugänglich, die Geschwister richten den Garten gemeinsam her. Heute kann man sich in den Foodtrucks mit Kulinarischem versorgen und einen Cocktail dazu schlürfen. Vieles ist selbst hergestellt, die Bar, Stühle und Holzbänke: „Wir wollten einen gemütlichen Platz schaffen, an dem man sich gut fühlt, mit Musik, einen Ort an dem man sitzen und die Atmosphäre genießen kann.“ Es sei schon öfter passiert, so Lemuel Cotoarbă, dass Gäste sich im Museum kennenlernten. Denn in die verschiedenen Museumsräume dürfen jeweils sechs Gäste gleichzeitig hinein. So komme es vor, dass sich Fremde aus aller Welt hier beim Museumsbesuch begegnen, dabei Schäßburger Geschichte erleben, als Freunde wieder herauskämen und anschließend im Garten gemeinsam zusammensäßen. Nicht nur die Geschichten, die das Museum vermittelt, sondern eben auch die Begegnungen der Menschen an dem von ihnen geschaffenen Ort, machen das Gärtchen für Lemuel und seine Geschwister besonders magisch.
Die Terrasse des „magischen Gartens“ ist seit Juni geöffnet und empfängt Gäste bis Ende September/Mitte Oktober. Das Museum ist auf Facebook und Instagram unter dem Namen „Mystical transylvania“ zu finden.