365 osmanische Teppiche und Teppichfragmente. Für jeden Tag im Jahr einen. Das ist der Bestand in den Kirchengemeinden in Siebenbürgen. Es sind wertvolle Schätze, die über Jahrhunderte hinweg zu den großen Sonntags- und Festgottesdiensten in den Kirchen auf Altartisch, Kanzelbrüstung und Gestühle gebreitet wurden. Sie haben überlebt, weil sie die meiste Zeit geschützt in den Sakristeien gelagert und sachkundig gepflegt wurden. Doch obwohl sie die Jahrhunderte überdauert haben, sind sie besonders fragil und anfällig gegen Schädlinge, Licht oder Feuchtigkeit. Das Teppichkompetenzzentrum der Honterusgemeinde ist eine fachliche Koordinationsstelle, die ihren Sitz am Kronstädter Stadtpfarramt hat. Ihre Aufgabe ist es, die Gemeinden in ihren Bemühungen um den Erhalt ihrer Teppiche sowohl praktisch als auch beratend zu unterstützen. Über das besondere Angebot sprach mit Kunsthistorikerin Dr. Ágnes Ziegler, Leiterin des Referats Kulturgüter, die KR-Redakteurin Elise Wilk.
Frau Ziegler, das Teppichkompetenzzentrum der Honterusgemeinde bietet Unterstützung für andere Kirchengemeinden in Siebenbürgen, die osmanische Teppiche aufbewahren. Können Sie uns etwas näher erklären, worum es sich handelt?
Nach unserer Evidenz gibt es 365 Teppiche in Siebenbürgen in kirchlichem Besitz, darin ist auch die Sammlung des Brukenthal-Museums inbegriffen. 200 dieser Teppiche befinden sich in Kronstadt. Wir betreuen unsere Sammlung mit viel Hingabe und wir wollen das auch anderen Kirchengemeinden anbieten, wir wollen ihnen gerne helfen, mit diesen wertvollen Objekten umzugehen.
Hier bei der Honterusgemeinde gibt es eine Koordinationsstelle für die Pflege der beweglichen Kulturgüter, zu denen auch Metallobjekte und Textilien anderer Art gehören.
Dann gibt es hier in Kronstadt eine langjährige Tradition durch Era Nussbächer, die ab den 70ern bis Ende der 90er Jahre eine Teppichrestaurierungsanstalt der Landeskirche betreute. Wir restaurieren nicht, wir konservieren eher. Wobei man wissen muss: wir kümmern uns um die kleinformatigen osmanischen Teppiche, geknüpft aus Wolle, und können nicht private Sammlungen betreuen.
Wie findet eine Konservierung statt?
Man unterscheidet zwischen präventiver Konservierung und aktiver Konservierung. Bei einer präventiven Konservierung geht es darum, dass man die Bedingungen schafft, damit sich der Zustand der Objekte nicht verschlechtert.
Das ist wie beim Zahnarztbesuch, wo Vorbeugen besser als Heilen ist.
Genau. Das bedeutet regelmäßige Kontrolle der Teppiche, das bedeutet ein Ausstellungs- und Aufbewahrungsumfeld, wo keine extremen klimatischen Bedingungen herrschen, wo die Objekte vor Staub, starker Sonneneinstrahlung oder Berührung von Menschen geschont werden. Kurz zusammengefasst: man soll ein Umfeld schaffen, in dem es den Teppichen gut geht. Aktive Konservierung hingegen, das bedeutet: kleinere Eingriffe, die aber noch nicht Restaurierung sind. Eine Restaurierung würde bedeuten, dass man einen Teppich zum Beispiel auf einen Unterlagestoff näht oder sogar ergänzt, Grundgewebe und Knoten rekonstruiert. Ein schonendes Absaugen oder eine Gefrierbehandlung gegen Motten, die Verbesserung der Montage, also dass Teppiche besser hängen, diesen Teil der Konservierung können wir übernehmen Wir arbeiten mit einem Netzwerk von Textilrestauratoren im In und Ausland, die wir für einzelne Projekte heranziehen können und die wissen, wie sie mit diesen empfindlichen Objekten umgehen müssen.
Was kann man falsch machen beim Umgang mit Teppichen? Können sie langfristig zerstört werden, wenn man sie zum Beispiel mit chemischen Substanzen reinigt?
Wir wissen alle unterbewusst, dass die Teppiche alt und wertvoll sind, aber es täuscht ein wenig, dass sie so robust aussehen, deshalb neigen viele dazu, zu sagen: „Den Teppichen ist in ein paar hundert Jahren nichts passiert, was was können wir da falsch machen?“
Das ist ein Fehlglaube, ihnen kann durchaus viel passieren.
Sie waren in diesen vielen hunderten Jahren nicht dauernd ausgestellt, sondern wurden nur für die Festgottesdienste aus dem Depot geholt und hingen nicht jeden Tag in der Kirche. Das ist schon eine Veränderung, die sie erfahren haben.
Es handelt sich um mit natürlichen Farben gefärbte Wollfasern. Genauso wie unsere Haut erinnern sie sich an jeden falschen Eingriff.
Wenn man sie mit Mottenspray einsprüht,wenn man sie zu aggressiv abstaubt, wenn man sie durchsticht mit Nadel oder Haken, also wenn man die feine Grenze nicht einhält, die diese Objekte aushalten, dann kann man ihnen irreparable Schäden zufügen.
Sie können reißen, es können Ablagerungen an den Fasern bleiben von den Chemikalien, sie können Fasern verlieren oder die Faser kann brüchig werden. Wenn sie bei der Innensanierung einer Kirche nicht evakuiert werden, können sie leiden, wenn zu viel Staub drankommt. Sie schimmeln gerne und sind auch beliebt bei den Motten. Es gibt viele Gefahren, die in unserem normalen Kirchenumfeld lauern.
Ich erinnere mich, dass man früher in der Schwarzen Kirche kein Foto mit Blitz machen durfte, damit man die Teppiche nicht beeinträchtigt.
Blitzlicht ist so ein konzentriertes Licht, dass es so stark ist wie drei Sonnentage. Wir haben inzwischen das Fotografieren in der Kirche wieder erlaubt, aber man kann weiterhin nicht mit Blitz fotografieren, nur wenn die Teppiche geschützt werden, unter kontrollierten Bedingungen.
Ein erfolgreiches Projekt haben Sie in Mediasch abgeschlossen. Nach Jahren, während derer er als verschollen galt, tauchte ein Teppich aus der ehemaligen Sammlung der Kirchengemeinde Bogeschdorf wieder auf und wurde der Mediascher Kirchengemeinde zurückerstattet. Der Teppich wurde nach aktuellen Standards erfasst, fachgerecht verpackt und eingelagert.
Wir wurden von der Mediascher Kirchengemeinde in diesem Fall angefragt, und unsere Zusammenarbeit ist ein gutes Beispiel dafür, wie dieses Kompetenzzentrum funktioniert. Die Mediascher sprechen uns immer an, wenn sie etwas mit ihren Teppichen vorhaben. Zum Beispiel haben sie die Teppiche aus dem Chor nach der Restaurierung weggehängt, wir kontrollieren jedes Jahr den gesamten Bestand auf Zustandsveränderungen. Im 20. Jahrhundert wurden ein paar Teppiche aus der Siebenbürgischen Sammlung gestohlen. Zum Glück konnte ein Teppich aus Bogeschdorf wieder übernommen werden und wir waren da und konnten ihn untersuchen.
Wie geht man also vor, wenn man eine Kirchengemeinde ist, die Hilfe mit ihren Teppichen braucht?
In jedem Fall, wo man um den Teppich herum etwas vor hat, lohnt es sich, uns anzurufen. Wenn die Kirche renoviert wird, müssen die Teppiche evakuiert werden.
Wenn einem auffällt, dass vielleicht Motten in der Kirche herumfliegen, lohnt es sich, das näher anzuschauen. Wenn man möchte, dass man Jahr für Jahr in der Kirche eine Kontrolle macht, damit man den Zustand der Teppiche monitorisieren kann – bei all diesen Problemen kann man uns anrufen und wir können gerne auch Hilfe zur Selbsthilfe bieten und mit den Gemeindegliedern eine Strategie erarbeiten und besprechen, wie weit sie gehen dürfen mit ihren Objekten, wo es sinnvoll ist, Hilfe heranzuholen. Auf unserer Webseite findet man unsere Kontaktdaten. Also kann man uns einfach anrufen und dann besprechen wir es.
Auch wenn jemand gerne eine Broschüre über die Teppiche erstellen will oder die Informationen in eine Führung einbauen möchte, stehen wir gerne zur Verfügung.
Es handelt sich um ein umfassendes Angebot, deshalb haben wir es auch Teppichkompetenzzentrum genannt.
Man muss noch hinzufügen, dass es sich um ein kostenloses Angebot handelt.
Ja, es ist ein kostenloses Angebot der evangelischen Kirchengemeinde in Kronstadt. Es ist natürlich eine Hilfe, wenn die Gemeinde, die sie entgegennimmt, dann vielleicht Verpflegung und Reisekosten für den Experten übernimmt, vor allem in den Gemeinden, die weit von Kronstadt entfernt sind. Grundsätzlich kosten die Beratung und die kleineren Eingriffe nichts.
Teppiche sind Schätze, auf die man aufpassen sollte.
Es sind nicht nur hervorragende kunsthandwerkliche Erzeugnisse. Innerhalb der Kirchengemeinde sind sie in erster Linie Identifikationsobjekte der sächsischen Kirchengemeinde, die interessanterweise innerhalb dieser Gemeinde über Jahrhunderte benutzt wurden. Und zwar nicht nur, um die Wände zu schmücken. Es waren Repräsentationsobjekte, die die Zünfte für ihr Gestühl eingekauft haben und ausgehängt haben, Objekte, die man bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen bewusst eingesetzt hat, Objekte mit denen man die wichtigsten Punkte in der Kirche, also Kanzel, Altar oder Orgel ausgezeichnet hat. Man lebte sehr mit ihnen verbunden, und ab dem 19., 20. Jahrhundert hat man sich so weit mit ihnen identifiziert, dass man sich vor ihnen abbilden ließ. Sie gehörten zum Identifikationsbild dieser Gemeinde dazu.
Deshalb ist uns jeder Schaden wichtig. Wir würden die Teppiche nicht neu restaurieren lassen.
Es ist nicht wichtig, dass sie perfekt aussehen, sondern dass man jedes Loch und jede Abreibung sehen kann. Jeder Tinten- oder Kerzenfleck ist wichtig, weil er die Geschichte der Objekte erzählt. Und außer diesem historischen Wert ist es auch wichtig, dass es so viele Teppiche sind, sie sind also als Sammlung wertvoll.
Wir danken für das Gespräch!