Ein Weihnachtslied beginnt so. Ein Lied, das mir wohlbekannt ist noch aus den Kindertagen, als meine Geschwister und ich unterm Christbaum saßen und Gedichte aufsagten und Lieder sangen mit unseren Eltern. Und später hörte ich es im Kindergottesdienst, und auf der Weihnachtskassette war es. Immer mit den wohlbekannten 4 Strophen, die in kindlicher Sprache mit Wörtern wie „Lichtlein“ und „Händlein“ die Weihnachtsgeschichte nacherzählen:
1. Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all’!/ Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall./ Und seht, was in dieser hochheiligen Nacht / der Vater im Himmel für Freude uns macht.2. O seht in der Krippe im nächtlichen Stall,/ seht hier bei des Lichtleins hellglänzendem Strahl / in reinlichen Windeln das himmlische Kind,/ viel schöner und holder, als Englein es sind.3. Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh;/Maria und Joseph betrachten es froh./Die redlichen Hirten knien betend davor,/hoch oben schwebt jubelnd der himmlische Chor.
4. O beugt wie die Hirten anbetend die Knie,/erhebet die Händlein und danket wie sie./ Stimmt freudig, ihr Kinder - wer sollt’ sich nicht freu’n? / Stimmt freudig zum Jubel der Engel mit ein!
Nie habe ich als Kind dies Lied jedoch die Erwachsenen im Gottesdienst singen gehört. Obwohl es in unserem evangelischen Gesangbuch steht! Ist daran etwa die Strophenauswahl schuld, die den kindlichen Rahmen so einprägsam macht?
Das Kind in der Krippe ist nicht immer Kind geblieben. Als Mann wurde Jesus von Nazareth ans Kreuz geschlagen, für uns, für unsere Sünden und Verfehlungen. Aber für wie viele Menschen gehört das (noch) zusammen? Welches Krippenspiel geht über die Kindwerdung Gottes hinaus – sofern es diese überhaupt direkt anspricht?
Wir konzentrieren uns meist auf eine Feier mit Geschenken und Tannenbaum, mit Kugeln und Schokolade … Und unter dem geschmückten Christbaum steht die Krippe. Ja, wir feiern, dass hier ein Kind geboren ist! … und weiter? Für wie viele Menschen ist dieses Kind in der Krippe auf ewig doch nur ein „Kind“? Und wie viele mögen daran denken, dass dieses Kind als Erwachsener für uns wichtig wurde? Denn das ist schon so: Erst durch den Mann am Kreuz haben wir einen direkten Zugang zu Gott; und die guten Werke stehen nicht mehr an erster Stelle unserer Rechtfertigung, sondern unser Glaube – der dann freilich gute Werke erzeugt, aber eben in dieser Reihenfolge.
Oft wird vergessen, dass die Szene mit Maria und Josef und der Geburt im Stall kein süßes Stillleben war, sondern harte Wirklichkeit. Diese Menschen waren unterwegs und hatten kein warmes Hotel gefunden, auch sonst nicht einmal ein Bett oder eine Matratze in irgendeinem Zimmer! Sie mussten mit einem Stall vorliebnehmen, wo echte Tiere waren, die aus dem Futtertrog fraßen. „Ochs und Esel“ klingt schön romantisch, aber wie sieht es aus, wenn du neben ihnen übernachten sollst auf dem matschigen Untergrund, wohin sie ihr Geschäft verrichten?
Die Kinder vor mehr als 100 Jahren, als der Dichter dieses Lied schrieb, ließen sich in den Bann der Weihnachtserzählung ziehen. Als er sie mit den einfachen Worten erzählte, wie wir sie mit seinem Lied singen. In der er die einzelnen Figuren hochnahm und erklärt, die Krippe zuerst mit Maria und Josef, dann das Kind, einem Engelchen gleich, die Hirten, die auf Geheiß der Engel schnurstracks angerannt kamen, um dann kniend ihre Hochachtung auszudrücken.
Die zuhörenden Kinder erkannten die Bedeutung des Lichtes, sie sahen das Kind, sie staunten mit Maria und Josef, beinahe hörten sie den Engelchor, und still verharrten sie – wie die Hirten – im Gebet. Sie nahmen Teil am Geschehen, so gebannt lauschten sie der Geschichte unseres Dichters. Und auch die letzten beiden Strophen waren für sie kein wirkliches Problem, sondern lagen in der Konsequenz des Geschehens, als notwendige Antwort auf die Geburt unsers Herrn Jesus:
5. Was geben wir Kinder, was schenken wir dir,/du bestes und liebstes der Kinder, dafür?/ Nichts willst du von Schätzen und Reichtum der Welt,/ ein Herz nur voll Demut allein dir gefällt.6. „So nimm uns’re Herzen zum Opfer denn hin;/ wir geben sie gerne mit fröhlichem Sinn;/ und mache sie heilig und selig wie deins,/ und mach’ sie auf ewig mit deinem in eins.“
Können wir Erwachsene das auch so sehen und dann schließlich singen: Er hat sich für uns gegeben, also sind auch wir gefordert zu geben, unsere Herzen, uns selbst? Es ist leicht, das Kind in der Krippe zu betrachten und zu sagen: „Nun ja. Ein Kind. Ein guter Grund für ein Fest!“ Doch hätten wir dann den Sinn der Christnacht nicht missverstanden? Weihnachten, die Geburt Jesu, das ist doch der Anfang! Der Anfang eines Lebens mit Gott.
Ich wünsche euch, liebe Leserinnen und Leser, dass das Christfest seinen Zauber weiterhin ausübt, dass ihr erfüllt seid von der Botschaft des Herrn. Und dass ihr nicht bei der Geburt stehen bleibt, sondern weiter denkt und schließlich an den lebendigen und den gekreuzigten und den auferstandenen Herrn glauben könnt.
Frohe Weihnachten!