Die Eröffnung der diesjährigen elften Auflage der Festspiele „Musica Coronensis“ am Freitag stand im Zeichen des Kulturerbes und der Innovation. Ersteres, weil eine restaurierte Orgel wieder eingeweiht wurde und weil ein langjähriges Engagement im Bereich des Patrimoniums eine hohe Würdigung seitens der deutschen Gemeinschaft in Siebenbürgen erfuhr.
Letzteres, weil auf dem Programm des Abends auch neue Musik in der Darbietung begabter Interpreten stand. „Musica Coronensis“ ist gewachsen, sowohl was die Qualität der Konzerte angeht, als auch das Engagement der Veranstalter – Evangelische Kirchengemeinde A.B. Kronstadt, Deutsche Botschaft Bukarest u.a. für die Förderung des materiellen und musikalischen Kulturguts Siebenbürgens. Außerdem wird dank der Festspiele ein aktives Netzwerk von Kronstädter Kulturinstitutionen zusammengeschweisst. Und nicht zuletzt ist „Musica Coronensis“ ein sehr modernes Festival, das den Schritt in die mediale Welt längst getan hat. Eine gut dokumentierte Webseite, Werbung über soziale Netzwerke, Foto- und Videoprojektionen bei den Konzerten in der Schwarzen Kirche sorgen für zahlreiche „Fans“ auch im virtuellen Raum.
Mit einer liturgischen Abhandlung durch Stadtpfarrer Christian Plajer und festlicher Musik von Händel (Orgelkonzert Op. 7 in B-Dur), dargeboten von Steffen Schlandt und dem Kammerorchester aus Miercurea Ciuc, wurde die restaurierte Orgel aus Hahnbach wiedereingeweiht, die ihr neues Zuhause auf der Empore der Schwarzen Kirche gefunden hat. Die Stiftung Forum ARTE und die Honterusgemeinde haben somit noch ein wertvolles Instrument gerettet, nachdem in den vergangenen Jahren die Orgeln aus Bodendorf und Reps restauriert wurden. Im Choralvorspiel zum Lied „Nun danket alle Gott“ ließ Steffen Schlandt überraschende Klang- und Rhythmuskombinationen erklingen und stellte mit einer meisterhaften Improvisation die Registervielfalt des neuen-alten Instruments vor.
Vielfältig ist auch das Wirken der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung aus Düsseldorf, deren Vorsitzender Uwe Stiemke am Freitag mit der Honterusmedaille des Siebenbürgenforums geehrt wurde. Die Laudatio von Dr. Karl Scheerer und die Ansprache von Prof. Dr. Dieter Simon seitens der Kronstädter deutschen Gemeinschaft hoben Stiemkes tatkräftiges Engagement für das Kulturerbe und die Pflege der deutschen Sprache in Siebenbürgen hervor. In den vergangenen elf Jahren habe die Hermann-Niermann-Stiftung dafür beinahe vier Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Bergschule in Schäßburg, die Wurmlocher und Katzendorfer Kirchenburgen und neulich das sanierte „Haus Kronstadt“ am Marktplatz Nummer 16 durften davon profitieren.
Schließlich präsentierte sich „Musica Coronensis“ an ihrem ersten Abend auch von einer innovativen Seite. Der Organist Hans Eckart Schlandt und die Sängerin Cristina Radu brachten das 1952 geschriebene Werk „Toccata, Odae und Aria“ von Wilhelm Georg Berger zu Gehör. Für das Ohr des Nichtkenners vielleicht etwas prätentiös, wurde das Stück vom Organisten der Buchholz-Orgel hervorragend registriert, während die Sopranistin trotz der Kürze ihrer Arie mit einer beeindruckenden Stimme und einem Reichtum von Ausdrucksfarben glänzte. Der in Reps geborene Komponist, Geiger und Musikwissenschaftler Wilhelm Georg Berger ist zwanzig Jahre nach seinem Tod noch zu wenig bekannt. Dabei hinterließ er 21 Sinfonien, 18 Streichquartette, Oratorien, Konzerte, eine Messa da Requiem. Es wäre wünschenswert, noch mehr davon auf den rumänischen Bühnen zu hören.
Den feierlichen Abend schloss der Kronstädter Jugendbachchor ab, der heuer 20 Jahre „alt“ geworden ist und seit seiner Gründung nicht nur das Konzertleben der Stadt bereichert, sondern auch außerhalb der Grenzen Siebenbürgens wertvolle einheimische Musik bekannt macht. So zum Beispiel mit der neuen CD-Einspielung „Wiederentdeckte Kantaten aus der Schwarzen Kirche“ – sie steht beim Eingang ins Gotteshaus zum Verkauf.
Am Freitagabend nahm sich der Jugendbachchor gemeinsam mit dem Kammerorchester aus Miercurea Ciuc die rumänienweite Uraufführung der „Cäcilienmesse“ von Helmut Sadler (geb. 1921) vor. Das Werk des im Kreis Kronstadt geborenen Komponisten ist Franz Schubert gewidmet und erhält bei jedem Textvers einen neuen musikalischen Ausdruck, von lebendig oder ernst-deklamiert über majestätisch und mysteriös bis hin zu friedlich und sanft. Dabei entdeckt das Publikum ein erfrischendes, dynamisches, beinahe szenisches Werk, das keineswegs für den Elfenbeinturm der Avantgarde geschrieben wurde, sondern für Menschen, die gern Musik hören.